Er mochte kein Sushi, nur französisches Delikatessen, einheimische Musik war ihm ein Greul, er engagierte lieber Edita Gruberova und komplette europäische Opernhäuser. Auch mit fernöstlichem Tanz konnte er nichts anfangen. Deshalb gründete er seine eigene Truppe, das Tokio Ballet. Er war ein Paradiesvogel in der heimischen Konformismusgesellschaft. Und er genoss es. Die Opernkünstler weltweit liebten Tadatsugu Sasaki, den Gründer von NBS/Japan Performing Arts Foundation, der sie stets zu besten Gagen hofiert hat. Und auch die Intendanten mühten sich um ihn.
Gesamte Operntruppen wurden stets zum generösen Empfang im Salon Sasaki gebeten, der wie eine Bühnendekoration französischen Rokokoglanz verströmenden zweiten Etage im schlossähnlichen Bürogebäude des Tourneeveranstalters, wo auch das Tokio Ballet zu Hause ist. Und bewunderten die hier ausgestellten Memorabilien und die alten Kostüme großer Openstars, auch das von Rudolph Nurejew als böser „Dornröschen“-Fee, das ihm Vladimir Malakhov vererbt hat.
Legendär ist das Video, von Sasakis 70. Geburtstagskonzert in der Bunkai Kaikan, wo ein Diven-Altersheim den Walkürenritt kreischt, ebenfalls berühmt wurden seine Tanzgalaabende, wo sich die berühmtesten Ballerini der Welt –no Fotos! – als Dragqueens auf Spitze produzierten. Und auf der Hinterbühne der Bunka hängen bis heute die riesen Rahmen, und Hausaltärchen, in denen sich alle große Opernensemble der Welt verewigt haben – meisten von NBS nach Japan geholt.
Bereits am 30. April ist Tadatsugu Sasaki im Alter von 83 Jahren gestorben. Er war ein japanischer Diaghilew. Geboren 1933 in Tokio studierte er Kunstgeschichte in Japan. 1964 gründete er das Tchaikovsky Memorial Tokyo Ballet, das rasch internationales Renommee erlangte und als erste japanische Kompanie an den wichtigsten internationalen Häusern gastierte. Die rege Gastspieltätigkeit führte das Tokio Ballet in 150 Städte in 30 Ländern. Sasaki öffnete die Kompanie auch für das zeitgenössische Repertoire und Werke von Béjart, Neumeier und Kylián.
Als Impresario förderte er den kulturellen Austausch und lud die wichtigsten Orchester, Opernhäuser und Ballettkompanien der Welt nach Japan ein, u. a. das Teatro alla Scala, das Royal Opera and Ballet Covent Garden, das Pariser Opéra Ballet, das American Ballet Theatre, das Béjart Ballet Lausanne, das Stuttgart Ballett, das Birmingham Royal Ballet, das Australian Ballet, das Royal Danish Ballet, das Mariinsky Theater St. Petersburg, die New York Metropolitan Oper, die Wiener Staatsoper und die Volksoper Wien, die Bayerische und die Berliner Staatsoper.
2003 übergab Tadatsugu Sasaki das operative Geschäft von NBS an Norio Takahashi, der das Unternehmen seitdem leitet. Er selbst hatte sich nach schwerer Krankheit völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Und es wird weitergehen, auch wenn die Zeiten härter geworden sind. Die Wiener Volksoper gastiert vom 10. bis zum 30. Mai mit „Csárdásfürstin“, „Fledermaus“ und „Lustigre Witwe“ in der Bunka Kaikan Hall in Tokio. Und mit bei den tausend kleinen Engeln im Operettenhimmel wird dann auch Herr Saaki „Hab Dich lieb“ singen. Im Herbst kommt schon wieder die Wiener, im nächsten Jahr die Bayerische Staatsoper. Und immer ist Edita dabei. Die ist nämlich offenbar wirklich unsterblich.
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