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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Musikfest Berlin III: tuttifruttibunt oder streng abgeschmeckt

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MFlogoDas Musikfest Berlin ist zu Ende gegangen. Wieder mal. Es war in seinem elften Jahr besonders vielschichtig und multithematisch, ein gar wunderliches Durcheinander aus Mahler-Melange, Schönberg-Schaustücken, Minimal-Music-Mix, Nielsen-Novitäten (immer noch!), Streichquartett-Stunden und Zeitgenossen-Zelebration. Man konnte sich rauspicken, was einem schmeckte, man konnte sich aber auch dicke Tortenstücke abschneiden, tuttifruttibunt oder auf eine Geschmacksnote ausgerichtet. Man hatte sehr gute, oft auch überraschend kuratierte Programme zu goutieren und durfte Weltklasseorchester wie auch die lokalen Klangkörper (die sich nie zu verstecken brauchten) zum Saisonauftakt genießen. Und gleich tags danach ratterte der Betrieb weiter, schon wieder mit der Berliner Staatskapelle, eben von ihrer Wiener Minitour zurück – the circus never stops – mit dem dicken B(arenboim) und Tante Martha (Agerich) in schönster Beethoven-Eins-Zweisamkeit.

Was haben wir diesmal von Winrich Hopps so diskret didaktischen Programmen gelernt? Der dänische Nationaltöner Carl Nielsen, so ruppig und unwirsch, so unerkennbar, so ehrlich und spannend, wird wohl nicht mehr in unser Repertoire eingehen, ein Außenseiter bleiben, obwohl die Begegnung mit der gar nicht simplen 6. Sinfonie „Sinfonia Semplice“ in der Kammerfassung von Hans Abrahamsen mit dem gut aufgelegten Mahler Chamber Orchestra unter Thomas Søndergårds Leitung genauso interessant war wie die 3. Sinfonie „Sinfonia Espansiva“ mit ihre bukolischen Vokallyrik, dargeboten vom klangprächtigen Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und Marek Janowski. Und die 4. Sinfonie „Das Unauslöschliche“ machte natürlich zum Kehraus am letzten Musikfest-Abend nochmals ordentlich Rabatz unter Simon Rattle mit den kultiviert lauten Berliner Philharmonikern.

Auch diverse Schönberg-Werke werden wohl Orchideen am Programmwegesrand bleiben. Zu komplex, zu fragmentarisch, zu aufwendig. Aber klasse, mal wieder den seltsamen filmmusikartigen Bühnenversuch „Die Glückliche Hand“ zu hören – gerade in der Kombination mit Bernhard Herrmanns „Psycho“-Suite von den luxuriös quietschenden Philharmoniker-Streichern. Oder das unfertig-expressive Oratorium „Die Jakobsleiter“ zu erleben, mit seinen vielen, prägnanten Solisten bis hin zu – „ich fliege, ich fliege“ – Eddas Mosers Sprechgesang-Comeback als Sterbender und dem hochmotivierten Deutschen Symphonie-Orchester unter Ingo Metzmacher.

Edda Moser im Kreise ihrer Singmänner/Foto: Kai Bienert, Borkumstr.10, 13189 Berlin, Tel: 030 4719696, Mobil: 0171 5418507, Email: kb@mutesouvenir.com, www.mutesouvenir.com, Bankverbindung: Deutsche Bank 24, BLZ: 10070024, KTO: 2067650, IBAN: DE83100700240206765000, BIC(SWIFT):DEUTDEDBBER, Finanzamt Berlin Pankow/Weissensee, StNr.:35/229/00156, UST-ID:DE137081101,NUTZUNG NUR GEGEN HONORAR UND COPYRIGHTNENNUNG!WWW.FREELENS.COM/CLEARING/] [#0,26,121#]

Edda Moser im Kreise ihrer Singmänner/Foto: Kai Bienert

Eine Überraschung: wie ernsthaft Daniel Harding als Mahler-Dirigent heranreift, den Komponisten mochte er immer schon, inzwischen beherrscht er ihn; ein wirklich sensualistisch, aber auch textaffin ausgedeutetes „Lied von der Erde“ mit dem schön ausbalancierten Swedish Radio Symphony Orchestra und Anna Larsson als souveräner Altsolistin ließ aufhorchen – und die Harrison-Birtwistle-Ödnis eines einzigen Einfalls vergessen, der als „Earth Dances“ eine halbe Stunde lang durch die Instrumentegruppen gejagt wurde.

Das Konzerthausorchester Berlin unter Iván Fischer ließ in Marc-André Dalbavies funkelnder Renaissance-Anverwandlung für Countertenor „Sonnets de Louise Lablé“ seinen Artist-in-Residence Philippe Jaroussky glänzen. Das bald schandbar fusionierte SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg brach mit seinem scheidenden Chef François-Xavier Roth trotzig ein letztes Mal in Berlin eine Lanze für die schwierige, spröde, auch bisweilen überzüchtete Moderne, mit zwei aufeinander bezogene Kompositionen von Iwan Wyschnegradsky und Georg Friedrich Haas für je sechs im Zwölftonabstand gestimmte Klaviere. Wahnsinn, aber ein Funken sprühender. Schade, dass sich für solche wie andere Experimente nur wenig Publikum fand. Sind die Berliner so risikolos geworden, haben sie so wenig Lust auf hochkarätige Gäste, die mal nicht Mainstream anbieten?

DEU, Deutschland, Berlin, 07.09.2015, Philharmonie, Musikfest Berlin, SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Leitung: Francois-Xaver Roth, Klavier: Klaus Steffes-Holländer, Matan Porat, Florian Hoelscher, Julia Vogelsänger, Akiko Okabe, Christoph Grund, [(c) Kai Bienert, Borkumstr.10, 13189 Berlin, Tel: 030 4719696, Mobil: 0171 5418507, Email: kb@mutesouvenir.com, www.mutesouvenir.com, Bankverbindung: Deutsche Bank 24, BLZ: 10070024, KTO: 2067650, IBAN: DE83100700240206765000, BIC(SWIFT):DEUTDEDBBER, Finanzamt Berlin Pankow/Weissensee, StNr.:35/229/00156, UST-ID:DE137081101,NUTZUNG NUR GEGEN HONORAR UND COPYRIGHTNENNUNG!WWW.FREELENS.COM/CLEARING/] [#0,26,121#]

Francois-Xaver Roth im Kreise seiner sechs Klaviere/Foto: Kai Bienert

Beim in diesem Kontext fast zu braven Programm des Orchesters der Deutschen Oper unter dem wie stets verlässlichen, aber nie fliegen könnenden Donald Runnicles war es dann natürlich voll: Kunststück, „Parsifal“ geht in Berlin immer, gern auch mit Ledertrinen. Diesmal aber nur zweiter Akt mit einer arg säuerlichen, gleichwohl Kundry-bannenden Evelyn Herlitzius und Strahlemann Klaus Florian Vogt, dem die Partie freilich fast zu tief liegt. Dafür machte der Klingsor Seth Carico als Bassbarikunk mit heißer Luft vor allem optisch was her, während die Blumenmädchen Augen wie Ohren erfreuten. Vorneweg gab es die etwas fußlahme „Pelléas et Melisande“-Suite aus der Debussy-Oper, das gleiche Thema bliebt noch zweimal eine Konstante: spätromantisch à la Schönberg mit den SWRlern, wieder französisch mit der Bühnenmusik-Suite von Gabriel Fauré.

Letztere wurde dirigiert von dem seit einiger Zeit durchaus taktstockaffinen Komponisten Matthias Pintscher, der sein Philharmoniker-Debüt gab – und enttäuschte: impulslos zäh schleppte sich das dahin, wie auch die kaum vorankommende 2. Schönberg-Kammersinfonie. Debussys La Mer hat man schon stärker schäumen und prickeln erlebt, und sogar Pintschers Eigenbeitrag, sein 2. Violinkonzert „Mar’eh“ mit dem makellosen Solisten Renaud Capuçon, erschöpfte sich in preziösem Gesäusel und rachitischem Klangflirren. Der Musikfest-Tiefpunkt.

Noch viel mehr Querverbindungen und Seitenpfade hätte man beklettern können, Streichquartette von Beethoven bis Rihm (anwesend) und Ferneyhough, spätnachts das Antrittskonzert des neuen Rundfunkchor-Dirigenten Gijs Leenaars in der Passionskirche mit Werken von Bach bis Schönberg. Auch dessen Wiener-Schule-Kollegen durchwoben die Abende, einer davon war wieder mal, selbst Hopp hat seine Favoriten, einem „LICHT“-Teil von Stockhausen gewidmet. 27. Konzerte, 39.000 Besucher – selbst 18 Tage voller Musik sind irgendwann mal vorbei. Und die Berliner Konzertsaison hat begonnen. Vehement.

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