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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Der König der deutschen Bässe: Kurt Moll ist tot

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Gemütvoll. Ein so schön altmodisches wie komisches deutsches Wort. Weil es auch das Gegenteil davon impliziert: Zu einer bestimmten Zeit waren die gemütvollsten Deutschen nicht selten auch die besonders bestialischen. Die aber waren meist nicht gemütvoll, sondern sentimental. Oder rührselig. Kurt Moll, der leider am Sonntag gestorben ist, war aber eben ein wirklich gemütvoller Sänger. Ein empfindsamer nämlich. Beschenkt mit der schönsten, rundesten Bassstimme, die man sich nur vorstellen kann. Keine schwarze Urgewalt wie etwa Gottlob Frick. Aber eben auch keiner, der sich quasi über den Schmerbauch strich beim etwas angefetteten, kalorienschweren Singen. Kurt Moll hatte ein breite, aber schlanke Stimme, mit einem zarten Vibrato und einem kleinen Knödel in der Kehle. Eine ideale Mischung, vor allem weil er sehr, sehr viel gern rustikal genommenes, oder ölig gesalbadertes deutsches Repertoire gesungen hat.

Ob Balladen von dem doch bisweilen etwas langatmigen Carl Loewe oder der aus dem Bramarbasieren auf deutsche Buffo-Art nicht herauskommende „Barbier von Bagdad“ des Peter Cornelius, ob Lortzings aufgeblasener Bürgermeister van Bett oder der auf so schöne Art in einem deutschen Windsor sein Unwesen treibende Falstaff des Otto Nicolai, bei ihm waren diese Rollen wunderbar wahr und richtig, nie altmodisch, sie sprachen einen auch als zeitgenössischen Hörer an. Er brachte die heute leider immer seltener auftauchenden Perlen der Deutschen Spielopern hinreißend zum Glänzen. Und tat davon auch noch in ihrer späten Abendschein, Richard Strauss‘ „Die schweigsame Frau“ Kund.

Weil Moll ein so wunderbarer Rhetoriker war, sich verströmte, mit seinem reichen Material, aber trotzdem immer exzellent textverständlich blieb. Deswegen hat keiner den „Parsifal“-Gurnemanz so ehrlich und anrührend gesungen, den König Marke ins einen reifen Jahren so bewegend gestaltet. Er ist und bleibt der beste Osmin und Sarastro seiner Generation, böse, verschlagen, aggressiv, aber trotzdem menschlich und komisch der eine, lyrisch knapp, nicht in Priesterwürde erstarrt der andere.

Kurt Moll wurde am 11. April 1938 in Buir geboren, er ist also der andere berühmte Kerpener. Seine frühes Cellostudium hat ihm sicher viel flexibles Phrasieren beigebracht, ein wohliges Legato, aber auch ein lyrisches, kalorienarmes Musizieren. Er studierte an der Kölner Hochschule für Musik, wo er später selbst ein gefragter Lehrer wurde, und privat bei Emmy Müller in Krefeld. Mit 20 begann er seine berufliche Laufbahn an der Kölner Oper und wurde kurz danach nach Aachen eingeladen. Darauf folgten das Mainzer Staatstheater und ein Vertrag als erster Bassist in Wuppertal.

Bei den Bayreuther Festspielen debütierte er 1967 und seinen internationalen Durchbruch hatte er 1970 bei den Salzburger Festspielen als Sarastro. 1972 sang er erstmals an der Mailänder Scala, 1974 gab er sein USA-Debüt in San Francisco, die Metropolitan Opera folgte vier Jahre später, nicht nur mit dem „Fidelio“-Rocco, sondern auch mit den „Rigoletto“-Sparafucile. Kurt Moll bliebt ein Rheinländer, auch ein vorsichtiger; selbst den spät erarbeiteten, köstlich komödiantisch ausgekosteten und von Carlos Kleiber zum Schnalzen gebrachten „Rosenkavalier“-Ochs empfand er als Abenteuer. Wagner und Mozart blieben auf der Bühne seine Fixgestirne, vor den schweren Verdi-Partien und den exaltierten Charakteren schreckte er zurück. Man hörte ihn aber auch viel im Konzert. Herbert von Karajan und Wolfgang Sawallisch waren seine prägenden Dirigenten, besonders an der Bayerischen Staatsoper wurde Kurt Moll eine fixe Größe.

Und weil es keine kleinen Rollen gibt, nur schwächere Sänger, verabschiedete er, der sich auch nie für einen „Don Giovanni“-Komtur zu schade war, 2006 von seinem ihm herzlich hinterherweinenden Publikum als „Meistersinger“-Nachtwächter in der letzten Vorstellung der Münchner Opernfestspiele 2006. Da war er erst 68, aber das Herz wollte nicht mehr. Er hatte danach noch einige Schüler, sang auch noch im halbprivaten Rahmen. Ansonsten war dieser nobel strömende, vor allem in den späten, erkenntnisreichen Jahren aber auch an diversen Seelenerkenntnissträngen emotional und gestalterisch reißende Interpret einfach nur – Rentner.

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