Und jetzt ist auch noch Alberto Zedda 89-jährig gestorben, die erste Schildkröte, die der beste Rossini-Dirigent der Welt wurde! Ein kleines knitter-freundliches Männchen, das allsommerlich in seiner Loge im Teatro Rossini in Pesaro das Aufblühen und Gedeihen seiner wunderbaren Idee verfolgte. Keiner wusste mehr über Brio und Crescendi, über das Zusammenhalten einer klassizistischen Form und das Zünden eine Rossini-Spaßrakete. Generationen von Sängern und Dirigenten konnten bei ihm studieren, dass Rossini kein oberflächlicher Tralala-Musikus war, sondern ein enorm raffinierter Mehrfachverwerter, Erweiterer der kompositorischen Strukturen seiner Zeit und ein begnadeter Melodienerfinder. Und Zedda selbst konnte erleben, wie er zur Autorität aufstieg, zum gesuchten Pädagogen, dessen Zöglinge der Accademia Rossiniana inzwischen weltweit den Vokalton im Belcantofach angeben und der entscheidend dafür gesorgt hat, dass der Rossini der Opera Seria auch wieder vermehrt auf den Spielplänen selbst in unseren Breiten zu finden ist.
Alberto Zedda wurde am 2. Januar 1928 in Mailand geboren. Er studierte Musik an seinem Geburtsort bei Antonino Votto und Carlo Maria Giulini sowie Musikgeschichte an der Universität Urbino. 1956 debütierte er an der Scala – natürlich mit „Il barbiere di Siviglia“, den er später kritisch edierte. Von 1961 bis 1963 war er an der Deutschen Oper Berlin tätig (wohin er in der Ära Kirsten Harms mit Nachdruck zurückkehrte), von 1967 bis 1969 war er an der New York City Opera für das italienische Repertoire verantwortlich. Seit der Gründung des Rossini Opera Festival 1980 war er bis Ende 2015 dessen künstlerischer Leiter. Er lehrte zudem Musikgeschichte an der Universität Urbino. Zusammen mit Rodolfo Celletti war er Anfang der Achtzigerjahre musikalischer Direktor des Festival della Valle d’Itria in Martina Franca. Er war Mitglied des künstlerischen Beirats der Fondazione Rossini in Pesaro und Ehrenpräsident der Deutschen Rossini-Gesellschaft. Zusammen mit Philip Gossett gab er die Historisch-kritische Rossini-Neuedition heraus, auf deren Forschungen in der Regel die Aufführungen in Pesaro beruhen. Auch Werke von Vivaldi, Händel, Donizetti, Bellini und Verdi hat er editorisch betreut.
Zuletzt hatte Alberto Zedda mit diversen jungen Sängern beim Rossini Festival in Bad Wildbad hervorragende Rossini-Einspielungen für Naxos betreut, die auf dortigen konzertanten Aufführungen beruhten. Häufig dirigierte er auch beim Festival Mozart im spanischen La Coruña. Antwerpens Operndirektor Aviel Cahn hat ihn auch noch nach Flandern locken können, wo er seine letzten szenischen Produktionen herausbrachte, darunter die eben auf DVD erschienene „Armida“, leider nur eine schwächliche Festival-Übernahme aus Pesaro. Dort hatte Alberto Zedda zuletzt 2014 Rossinis Petite Messe solennelle dirigiert. Seine allerletzten Opernaufführungen galten Rossinis Racine-Adaption „Ermione“ im November 2016 in Lyon und Paris.
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