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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Chaya Czernowins „Infinite now“: Das Grauen als klingender Grabstein

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17 Jahre ist nun Chaya Czernowins Überraschungserfolg „Pnima…In Innere“ her. Eines der wenigen, wirklich bleibenden Stücke der inzwischen in die Bedeutungslosigkeit abgedrifteten Münchner Biennale für zeitgenössisches Musiktheater. 2000 berührte und begeisterte dieses knappe, wortlose, aber mit einer bannenden, sehr besonderen Partitur aus Geräuschen und Musikfetzen auch den Holocaust thematisierende Stück. 2006 ließ die israelisch-amerikanische Komponistin dann bei den Salzburger Festspielen „Zaide/Adama“ folgen, wo Mozarts unvollendetes orientalisches Singspiel auf Klänge und Situationen im Nahen Osten von Heute trifft. Im Juni wird dieses reizvolle Doppelstück in Freiburg neu herausgebracht. Und jetzt, nach weiteren elf Jahren, hat Czernowin an der Opera Vlaanderen in Gent ihr drittes Musiktheater herausgebracht. Und natürlich ist auch „Infinite now“ nicht nur unendlich jetzt, sondern wieder so hermetisch wie herausfordernd. Drunter macht es diese Komponistin nicht.

Ihr Thema: der erste Weltkrieg, das sinnlose Sterben besonders in den großen Materialschlachten an der Westfront, von denen viele in diesen Monaten ihr schauriges 100. Jubiläum zu vermelden haben. In Verdun wurde das Monument national innen komplett multimedial renoviert und dokumentationstechnisch auf den jüngsten Stand gebracht. Und ein solches ist jetzt auch musikalisch erstanden. Czernowin, die besonders berührte, das damals monatelang um wenige Frontkilometer sinnlos und hunderttausende Menschenleben opfernd gekämpft wurde, nähert sich dieser oft auch von der Kunst zu thematisieren versuchten Hölle der Schützengräben auf ihre eigene Weise: so abstrakt wie möglich und so konkret wie nötig.

Produktionsfotos: Annemie Augustijn

Zweieinhalb pausenlose Stunden fordert sie ihr Publikum und natürlich rückt sie das Geschehen noch ferner, indem sie ihre Textgrundlage, Luc Percevals Hamburger Schauspiel-Produktion „Front“, die 2014 Texte von Erich Maria Remarque („Im Westen nichts Neues“) und Feldbriefe verwendet, mit einem chinesischen Text verschneidet, der von einer einsam in einem Haus wartenden Person erzählt. Sechs Schauspieler und sechs Sänger sind im Einsatz, alle anonymisiert, jeder für bestimmte Textsegmente zuständig. Die Musik, lange nur dumpfe Schläge von Metall auf Metall, vom Opernorchester unter Titus Engel gespielt, arbeitet wieder mit Geräuschen, vom Pariser Ircam elektronisch zugespielt und live verfremdet.

Das lange stumme Spiel in sechs Akten wird gesprächiger, am Ende auch etwas geschwätzig. Der Krieg, die totale Apokalypse wird greifbarer, auch wenn in Luc Percevals strenger Inszenierung die oft im Halbschatten verweilenden Mitwirkenden wie eine lebende Skulptur inszeniert sind, hinter denen als einzige szenische Bewegung eine Wand mit Klappen aufschwingt. Das Grauen als klingender Grabstein – der besonders abstrakten, der Czernowin-Art. Mehr im Juni-Heft von Oper! Das Magazin.

 

 

Noch 20., 22., 23. April in Gent, 30. April, 3., 5., 6. Mai in Antwerpen; die Produktion wandert von 26. Mai bis zum 7. Juni ans Nationaltheater Mannheim und ist am 14. Juni konzertant in Paris, Cité de la Musique zu erleben.

Und Aviel Cahn, der umtriebige Intendant der Opera Vlaanderen hat gleich noch sein neuerlich interessantes Programm für 2017/18 vorgestellt. Sieben Opern bietet das Gent und Antwerpen bespielende Stagione-Haus an, darunter als Wiederaufnahmen Battistellis Donizetti-Komplettierung „Le Duc d’Albe“ und Tatjana Gürbacas „Parsifal“. Neu sind Korngolds „Das Wunder der Heliane“ (folgt später auch in Berlin), das David Bösch inszeniert und Alexander Joel dirigiert. Christoph Waltz und Tomas Netopil folgen mit Verdis „Falstaff“. Am Spannensten wird sicher Debussys „Pelléas et Mélisande“ wo sich die kreativen Kräfte der Choreografen Sidi Larbi Cherkaoui und Damien Jalet mit denen von Marina Abramovic (Bühne) und Alejo Pérez (Dirigent) vereinen. Als Hommage an den Klassizisten Michael Hampe möchte Cahn dessen Regie für Mozarts „La Clemenza di Tito“ verstanden wissen, bei der Stefano Montanari am Pult steht. Dmitri Jurowski leitet Prokofiews „Der Spieler“ musikalisch, bei dem erstmals Karin Henkel in der Oper Regie führt.

„Rien ne va plus“ heißt das Motto der kommenden Spielzeit, mehr wird aber noch im mit der Oper vor zwei Jahren fusionierten Ballet Vlaanderen gehen müssen. Da sucht der künstlerische Leiter Sidi Larbi Cherkaoui schon wieder einen Kompagniemanager und er selbst bietet zwar ein interessantes Programm mit einer zweiteiligen Édouard-Lock-Uraufführung. Von ihm selbst sind aber nur eine neue, diesen Juli in Monte Carlo herauskommende Koproduktion sowie sein stuttgarter „Feuervogel“ zu sehen (im Austausch zeigt Jean-Christophe Maillot sein „Faust“-Ballett), und das Ballett ist an dem Debussy als Opern/Ballett-Premiere beteiligt.

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