Es mag an der Elbphilharmonie liegen, aber der Trend zeichnet sich schon länger ab. Man versucht gerade wieder einmal den Konzertaal thematisch zu sprengen, die Formate zu überdenken, manche Werke multimedial aufzupimpern. So geschehen eben mit Joseph Haydns sich dafür prima eignendem, weil bildmächtigem Oratorium „Die Schöpfung“. Diesmal am Start: die mit Großformaten bewährte, ehemalige Straßentheatertruppe La Fura dels Baus. Die Katalanen, jedenfalls ihr Teil um Carlus Padrissa, denkt zur Zeit über solche technische Herausforderungen nach, will wneiger Oper machen, Wo man sich ein wenig abgenutzt hat mit seinen Mitteln. So kam La Seine Musicale, der neue, dritte Paris Konzertsaal innerhalb von zweieinhalb Jahren, diesmal auf einer Seine-Insel gerade Recht, um zur Eröffnung diese reisetaugliche Uraufführung zu programmieren. Das kommunal wie privat finanzierte Unternehmen möchte nämlich gerade mit solchen Grenzgängen ein neues Publikum locken (darüber mehr im Juli-Heft von FonoForum). Nach Gastspielen im Theater an der Wien und bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen ist die Schaffung der Erde aus klassisch-zeitgenössischer Sicht gegenwärtig in der Elbphilharmonie zu erleben.
Im noch leeren Saal stehen bewegliche Gazewände herum und einige Heliumballons schweben. Sie werden später als vielbenutzte Projektionsflächen dienen, höchst mobil und universell einsetzbar, die das Podium weit größer erscheinen lassen als es ist. Auch weil ein monströses Fahrgestell immer wieder einen der drei Gesangssolisten über dem Chorkollektiv schweben lassen. Die vorzüglichen Vokalisten Sunhae Im (Gabriel/Eva), Martin Mitterrutzner (Uriel) und Daniel Schmutzhard (Raphael/Adam) müssen aber auch in seltsam fülligen Leuchtschnurkostümen agieren, ja sogar in ein Wasserbecken tauchen; was schönen Lichteffekt macht inmitten der optischen Flut aus Helligkeit, Planeten, Feuerwerk und Videos.
Bei „Ein Lob erschall der Ewigkeit“ füllen die singenden Menschen den übrigen Saal. Padrissa huldigt dem selbstbestimmten Individuum, aber er übt auch Kritik daran, was dieser aus Gottes Schöpfung hat werden lassen. Waser Luft und Feuer stehen im Wider- und Wettstreit, auch Gestrandete scheinen immer wieder in diesen bald-nicht-mehr Garten Eden als aktueller Denkanstoß zu streben. Der Chor Accentus agiert und singt unter seiner Gründerin Laurence Equlibey traumschön und synchron, mit quasi virtuell kommunizierenden Tablets ausgestattet formt er sich selbst zu darauf aufscheinenden, lebenden Bildern und Symbolen. Merke: Die erste Spartakiade fand offenbar bereits im Urschleim statt. Und einen Martinszug mit Elektrolampions gibt es auch!
Extra für La Seine, wo sie als Artist in Residence fungiert hat Equilbey schon 2012 auch ein Alte-Musik-Ensemble gegründet, das hier als Insula Orchestra zu schönster, historisch informierter, bisweilen auch etwas überschroff akzentuierter Klangform aufläuft. Und in ihren besten Momenten hat diese Haydn-Performance dann wirklich etwas Psychedelisches. Puderperücke und Lavalampe scheinen ganz nah.
Noch heute um 20 Uhr in der Elbphilharmonie
Der Beitrag La Fura und „Die Schöpfung“: Haydn in der Lavalampe erschien zuerst auf Brugs Klassiker.