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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Staatsoper Berlin: Bei Onkel Jürgen spielt ’ne Rentner-Band!

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Eben hat die Staatsoper Berlin ihr nächste Saison veröffentlich. Es ist die letzte von Jürgen Flimm, der am 1. April 2018 offiziell abtritt und an Matthias Schulz abgibt, aber doch die Spielzeit komplett geplant hat. Und es ist leider wieder ein Stammtischtreffen der alten Männer geworden. Man mag es ihm ja nachsehen. Mit 75 Jahren hat man offenbar keine Ideen mehr oder mag sich auch nicht mehr auf Neues einlassen. Nicht einmal bei der Auswahl der Stücke. Geschweige denn auf einen Konflikt mit Daniel Barenboim, der natürlich sein Zeug durchzieht, so wie er es seit Jahrzehnten gewohnt ist, und an dem man sich halt vorbeilaviert. Schade für die Berliner. Hochsubventioniert werden sie mit wenig Fantasie, Entdeckungsfreude und Mut zum Risiko abgespeist. Und es ist ein Trauerspiel wie offenbar schlecht geplant und naiv jetzt der Rückzug ins Stammhaus vonstatten geht. Weiterhin Schließzeiten, nur 13 meistenteils Standardwerke im Repertoire, da läuft ein müder Tanker behäbig auf halber Kraft. Aber die Geldgeber scheint das überhaupt nicht zu stören.

Fünf Tage nach Abzug der Baubrigaden will Flimm am symbolträchtigen 3. Oktober mit Barenboim (74) und Ensemblekünstlern Schumanns „Szenen aus Goethes Faust“ in einer Bilderwelt von Markus Lüpertz (76) vom Stapel lassen. Dann ist wieder Schluss bis zum 7. Dezember, dem Tag der Einweihung des Hauses vor 275 Jahren. Achim Freyer (83) addiert zu zweimal „Hänsel und Gretel“ in Berlin eine dritte Variante, Zubin Mehta (81) und Hans Neuenfels (76) legen die zweite „Salome“ vor, Harry Kupfer (81) darf nach seinem eigentlich indiskutablen „Fidelio“ mal wieder bei Verdis „Macbeth“ ran, den die Staatsoper bis eben im Repertoire hatte, die Deutsche Oper natürlich auch. Und weil es so schön war, dirigiert das gleich wieder Barenboim mit seinem Freud Plácido Domingo (76-80), der in der unpassenden Rolle auch nicht jünger wird. Und Anna Netrebko ist auch dabei, der Barenboim Auftritte an der Deutschen Oper nicht gestattet. So wie er den „Ring“ Dmitri Tcherniakovs in Bayreuth zu verhindert wusste, dafür macht er mit dem Russen seinen dritten „Tristan“ (auch für den ist es schon der zweite) und an der Bismarckstraße gibt es ihn auch….

Eva-Maria Höckmayr, die sich nicht eben als Barockregisseurin hervorgetan hat, darf mit Diego Fasolis Monteverdis „Incoronazione di Poppea“ machen, das Stück taucht auch schon zum zweiten Mal in der Barenboim-Ära auf, und an der Komischen Oper ist es eben wieder über die Bühne gegangen. Ja, und Barenboim dirigiert erstmals „Falstaff“ (natürlich auch im Repertoire der Deutschen Oper), der Routinier Mario Martone (57) inszeniert. So gibt es auch bei den jüngeren kein frisches Blut, nur gemischte Gefühle für bekannte Gesichter. Flimms Ex-Assistentin Isabell Ostermann darf in der neuen Werkstatt (= Probebühne 3) eine weitere Lucia-Ronchetti-Kammeroper urinszenieren. Und Jürgen Flimm selbst macht mal wieder mit Otto Katzameier und George Tsypin (62) eine Salvatore-Sciarrino-Oper, diesmal dessen jüngste, „Ti vedo, ti sento, mi perdo“. Und aus dem Repertoire ragt höchstens „Pelléas et Melisande“, die einzige, lange nicht gespielte Inszenierung noch aus der Staatsoper, die erstmals Barenboim dirigiert, mit Marianne Crebassa und – in einer Baritonrolle – Rolando Villazón.

Trotzdem hoffen wir auf Matthias Schulz.

Der Beitrag Staatsoper Berlin: Bei Onkel Jürgen spielt ’ne Rentner-Band! erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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