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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Edle Einfalt: Gundula Janowitz zum 80. Geburtstag

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Schon vor der rothaarigen Barockelfe Emma Kirkby konnte man hören, wie eine Jungfrau im Sopranfach klingt: Man muss sich nur den zauberischen Klängen von Gundula Janowitz hingeben. Wie Nikolaus Harnoncourt in Berlin geboren, am 2. August 1937, ist sie doch von Nationalität und Gemüt her eine echte Österreicherin. Und nach ihrem offiziellen Karriereabschied 1990 und einem kurzen, unglücklichen Intermezzo als Operndirektorin in Graz beschränkt sie sich weitgehend auf ihre sporadische Lehrtätigkeit und wenige, durchaus erhellende Meisterklassen. Einst schon nur gezwungenermaßen eine öffentliche Frau, gibt sie jetzt keine Interview mehr, möchte für sich sein – anders als ihre weit ältere, aber von Karl Böhm und Herbert von Karajan oft mit ihr zusammengespannte Kollegin Christa Ludwig, die gern ihre Erinnerungen eloquent und gar nicht sentimental teil (auch am 30. September in Schloss Elmau im Rahmen des Grammophe-Preisträgerwochenende mit mir als Interviewpartner).

Gundula Janowitz studierte in Graz und begann bereits Ende der Fünfziger mit den allerhöchsten Weihen (denen Herbert von Karajans). 1959 engagierte sie der Allmächtige als Barbarina in Mozarts „Le nozze di Figaro“ an die Wiener Staatsoper, ab 1962 wurde sie in deren Ensemble eine strahlende Säule, eine zuverlässige, einzigartige Sängerin, nach der sich heute jeder Opernintendant verzehren würde. In den folgenden zwanzig Jahren war sie eine der international meistgefragten Vertreterinnen ihres Fachs und erarbeitete sich eine umfassende und weitbeachtete Diskografie von Johann Sebastian Bach bis Richard Strauss in Zusammenarbeit mit den bedeutendsten Dirigenten (ihrem zeitweiliger Mentor Herbert von Karajan, Otto Klemperer, Karl Böhm, Eugen Jochum, Leonard Bernstein, Rafael Kubelík, Georg Solti, Carlos Kleiber). Ferner wirkte sie sehr erfolgreich unter Karl Richter als eine innige Bach-Interpretin.

Immer wichtiger wurden ihr feinkomponierte Liederabende, denn auf der Bühne verwandelte sie sich nie in ein Tier, sie bewahrte immer die Contenance als stolze, hoheitsvolle, kühle Frau. So war sie eine perfekte Elisabeth und Elsa, auch Sieglinde, „Freischütz“-Agathe, Donna Anna, Fiordiligi, vor allem aber einzigartig als Marschallin, Ariadne, stolze Arabella und elegante „Capriccio“-Gräfin. Ihre Karajan-Einspielung der von ihr oft gesungenen „Vier letzten Lieder“ ist immer noch für viele eine ihrer Einsame-Insel-Platten. Ihre sehr guten Verdi-Rollen wie Elisabetta, Amelia (im „Maskenball“ wie in „Simon Boccanegra“), sogar die Odabella blieben Episode, sind aber zum Glück in Live-Mitschnitten überliefert.

Mit ihrem schnellen Vibrato, der weißen, instrumental geführten, aber sich leicht in die lichtesten Höhen aufschwingenden Stimme war Gundula Janowitz wie ein letztes Strahlen des verglimmenden Wirtschaftswunders, eine große schlanke Blondine, deren Tönen gerne jede nur erdenkliche seraphische Himmelsmetaphern und den ewigen Engelsvergleich herausforderten. Elisabeth Schwarzkopf war da manierierter, eigenwilliger, arbeitete stärker mit Farben. Um Gundula Janowitz, die keusche Göttin ihrer Kunst, eine hohe Priesterin mit perfekter Betonfrisur, war freilich immer etwas Unnahmbahres, ja bisweilen auch Blutleeres. Ihr Singen ist ein schwereloses Schwelgen in Schönheit, wo man sich bisweilen ein wenig mehr Erdung wünschen würde. Trotzdem fand sie einen oft einfach anmutenden, erzählerisch direkten Zugang auch zur Liedkunst, die bei ihr wirklich eine naive, nicht sentimentale Form wurde. Die edle Einfalt als höchstes Klangut.

Sie war ein gern gesehener Gast im Plattenstudio, besonders bei der Deutschen Grammophon, wovon jetzt eine üppige 14-CD-Box als „The Gundula Janowitz-Edition zeugt – inklusive vieler herrlich zeittypischer Fotos (denn damals ging man ja noch mit der Perlenkette zur Aufnahme). Man höre sich nur eine winzigen Ausschnitt an, das „Wiewohl mein Herz in Tränen schwimmt“ aus Bachs Matthäus Passion, und die ganze, einzigartige, innig individuelle Kunst der Janowitz ist darin in weniger als zwei Minuten eingefangen. Sie hat die Welt schöner gemacht mit diesem kristallin schimmernden, doch stets verletzlich wirkenden Timbre, das doch stets die Fragilität des Perfekten deutlich werden ließ. Und ich kann mich nur wiederholen: Gundula Janowitz beschenkte uns mit einem lupenklaren, doch strahlkräftigen Sopran und ist eine Vertreterin jener so seltenen Stimmen vom Himmel, die man einfach nur bestaunt und in deren Wohlklang man badet. Heute wird diese Stimme 80 Jahre alt.

The Gundula Janowitz Edition (Deutsche Grammophon)

 

 

Der Beitrag Edle Einfalt: Gundula Janowitz zum 80. Geburtstag erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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