Gleich über eine Doppelveröffentlichung aus dem Hause Tal & Groethuysen konnte man sich dieses Jahr freuen, wobei es eigentlich „nur“ eineinhalb CDs sind, den auf einer geht Yara Taal solistisch fremd, und das bereits zum zweiten Platten-Mal. Dafür hat sie sich – wie es für dieses Künstlerduo ja fast schon eine Garantie ist – eine so stupende wie mit weitgehend unbekannter Klavierliteratur überraschende Kombination herausgesucht. Sie will mit drei frühen, trotzdem natürlich hinlänglich bekannten, feinfühlig, dabei gelassen interpretierten Polonaisen von Frédéric Chopin zeigen, dass sich hinter diesen ein anderen Komponist ähnlich geheißener und rhythmisierter Klavierstücke nicht zu verstecken braucht: Mit gleich 10 Werken bricht sie per Tasten eine Lanze für den gänzlich aus dem Fokus gerückten Franz Xaver Mozart, den zweiten überlebenden Sohn des Musikgenies, der freilich bei dessen Tod erst geboren war. Von der Mutter zum Musiker bestimmt erhielt, Franz Xaver Unterricht bei Salieri, Hummel und Albrechtsberger, reiste als Klaviervirtuose, verbrachte aber vor allem drei Jahrzehnte im galizischen Lemberg, wo er viel für das dortige Musikleben getan hat. Daran erinnert dort inzwischen ein junges, von der Dirigentin Oksana Lyniv organisiertes Festival. Auch Mozart komponierte seine Polonaisen in jungen Jahren, lange vor den strahlend technikflinken Konzertstücken Chopins, sicher auch als Nationaltanz-Hommage an das dortige k.u.k.-Vielvölkergemisch. Es sind mal melancholische, mal fröhliche Piecen, hochwertige Gebrauchsmusik, aber mit eigenem Ton und Flair, in der sich der Geist der hereinbrechenden Romantik dehnt und streckt. Yaara Tal spielt das mit Entdeckerlust und Enthusiasmus, ohne diese Werke unnötig mit Bedeutungsschwere zu belasten. Doch auch gemeinsam finden die Eheleute nach fast drei Jahrzehnten immer noch Beschäftigungsfelder. Unter dem Allerwelttitel (und einem ebensolche Cover) namens „Colours“ geht es wieder einmal um – ja, farbenreiche – Klavierbearbeitungen großer, weltbekannter Musik, hatte das Klavier zu zwei oder vier Händen schließlich auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer noch der Plattenspieler des kleinen Mannes zu sein, auf dem er sich selbst mit der neuesten Musik im heimischen Wohnzimmer vertraut machen konnte. Die Komponisten sanktionierten dies und trieben es voran, indem sie selbst Hand anlegten oder gewiefte Arrangeure ran ließen. Gerade die Werke von Debussy und Strauss, die hierreizvoll kontrastiert sind (was nur die vielfachen Gemeinsamkeiten herausarbeitet) erlaubten in der komplexen Reduktion für meist zwei Klaviere die Konzentration auf das Harmonische und den Rhythmus. Beider Meisterschaft der Orchestrierung bleibt hier also ausgespart, obwohl Yaara Tal und Andreas Groethuysen in Debussys „Faun“ und „La Mer“ sowie Salomes Tanz, der „Rosenkavalier“-Walzerfolge und dem „Till Eulenspiegel“ über eine immer noch immense Palette an Schattierungen und Färbungen verfügen. Man vermisst nichts, man gewinnt bloß. Und erlebt bei so meisterlichem Spiel, wie schillernd vielfältig sich große Musik doch arrangieren und interpretieren lässt. Der eingekochte Strauss und der andere Mozart: muss man haben!
Yaara Tal & Andreas Groethuysen: Coulours, Polonaise (Sony Classical)
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