Doch, auch wir haben einen amerikanischen Weihnachtsfilm-Klassiker. Nein, nicht „Kevin allein zu Hause“ (ok, denn auch!) und nicht die Bruce-Willis-Baller-Orgie „Stirb langsam“. Zwischen „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ und „Sissi“ geistert doch immer der flügellose Engel zweiten Grades Clarence durch die TV-Programme, der unbedingt ein erstklassiges himmlisches Federvieh werden möchte. Und deshalb den wegen Schulden zum Selbstmord bereiten Familienvater George Bailey rettet, der ausgerechnet am Heiligabend von einer Brücke springen will. „Ist das Leben nicht schön?“, sagt Clarence und führt dem Verzweifelten vor Augen, was aus dem Ort und seinen Bewohnern geworden wäre, hätte George nie gelebt. Dem wundervollen Regisseur Frank Capra gelang 1946 mit seinem warmherzigen, zunächst erfolglosen, dann für fünf Oscars nominierten Märchen der ultimative Feel-good-Film. Und das ganz ohne den üblichen Traumfabrikkitsch. Und natürlich mit James Stewart. Am Ende, da klingelt ein Glöckchen. Denn jedes Mal, wenn das passiert, bekommt ein Engel seine Flügel, diesmal Clarence. Aus dem wurde im letzten Winter an der Houston Grand Opera übrigens Clara, weil man sich bei der erst jetzt erfolgten Musiktheatralisierung des Stoffes wieder mehr auf die Originalvorlage, die Kurzgeschichte „The Greatest Gift“ des amerikanischen Autors Philip Van Doren Stern bezog. In Texas waren der Librettist Gene Scheer und der Komponist Jake Heggie am Wortklangwerk. Heggie, der zehn erfolgreiche Musiktheaterwerke komponiert hat (darunter auch die dieser Tage bei Erato erscheinende Backstage-Buffa „Great Scott“ für Joyce DiDonato), ist ja selbst so etwas wie der Frank Capra der amerikanischen Oper: liebenswürdig, in Maßen kritisch und populär. Gewöhnlich schreibt er gern einem Star in die Kehle, bei dieser eher kammermusikalischen Zweistunden-Partitur geht es aber mehr um das gesamte Ensemble der Kleinstadt Bedford Falls und deren himmlischen Beistand. So ist zwar Rod Gilfry als böser Mr. Potter dabei, aber William Burden (George Bailey), die glaubhaft mit ihren Zweifeln wie Ängsten umgehende Talise Trevigne (Clara) und Andrea Carroll (Mary Hatch) sind nicht unbedingt große Namen, doch sehr kompetenten Sänger. In der „It’s a Wonderful Life“-Gesamtaufnahme bei Pentatones verdienstvoller „American Operas“-Serie hört man ihnen gerne zu. So wie sich auch rein akustisch ein schöner Eindruck von dieser duchau filmmusikalisch atmosphärischen, mit Stepptanz und Weihnachtsliedern verwobenen, immer um harmonische, aber nicht süßliche Gesangslinien bemühten Partitur gewinnen lässt, die Patrick Summers als Heggie-Spezialist gewohnt souverän dirigiert. Das könnte also dieses Jahr durchaus die Alternative zur TV-Fernbedienung sein!
Jake Heggie: It’s a Wonderful Live. Houston Grand Opera, Patrick Summers (Pentatone)
Und in diesem Sinne: Schöne Weihnachten allen zahlreichen wie treuen Lesern dieses Blogs!
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