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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Cecilia Bartoli: Vom Geist der Sixtina inspiriert

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Wir sitzen in der Sala Ducale im Apostolischen Palast des Vatikans, zwischen Fresken und Stuck, nicht unbedingt der übliche Ort für ein Interview. Cecila Bartoli hat eben als erste weibliche Solistin mit dem Chor der Sixtinischen Kapelle live vor Publikum in eben diesem berühmten Ambiente debütiert. Und schon reden wir darüber.

Sie fechten gerade ein „dolce duello“ mir Sol Gabetta aus, wie ist es aber, in der Sixtinischen Kapelle gegen Michelangelos Fresken anzutreten?

Aussichtslos! Obwohl ich extra die Heilige Cäcilia als Mutter der Musik angerufen habe. Aber man will in einem solchen Ambiente auch gar nicht kämpfen, hier ordne ich mich bescheiden unter. So viel Geschichte, so viel Pracht! Unter dem Himmel von Michelangelo empfinde ich nur Freude und Liebe, es ist ein Geschenk, im Angesicht dieses Farbrausches singen zu dürfen. Obwohl es fast zu viel der Schönheit ist. Ich bevorzuge es natürlich, mich möglichst nicht ablenken zu lassen, was mir hier schwerfällt.

Also Sie so dastanden, zwischen den Chorknaben, musste ich unwillkürlich an Floria Tosca in der Huldigungskantate im Parlazzo Farnese denken…

Ja, das ist eben die Città eterna, hier ist Geschichte an jeder Ecke. Nur die Knaben, die waren heute etwas aufgeregt und schüchtern, sonst haben sie mir mehr ins Ohr trompetet.

Sie nehmen sonst auch kein Blatt vor dem Mund, wenn Sie italienische Zustände kritisieren. Wäre das nicht auch hier eine Gelegenheit, der Kirche die Meinung zu sagen, als Frau?

Ich bitte Sie! Wahren wir dir Würde dieses himmlischen Ortes. Dafür gibt es andere Gelegenheiten. Hier will ich mich vom Geist, der Musik inspirieren lassen, die in diesem Gottesraum seit über 500 Jahren erklungen ist.

Sind Sie gläubig?

Die Frage stellt sich mir an einem solchen Platz gar nicht. Man spürt die Aura und wird demütig. Denn göttlich sind allein schon die Fresken, und auch die Musik weiß, wovon sie kündet…Dieses Marienlob des Perotin ist ja eine eigentlich karge, innbrünstige Musik, düsteres Mittelalter, gegen die Glorie der Hochrenaissance, die da über einem schwebt und bebt, kommt die nur schwer an. Ich muss mich immer wieder versichern, dass sich da oben nichts bewegt hat, das war schon bei den Aufnahmesitzungen so.

Wer hat das Stück speziell für Sie ausgesucht, als erste Solistin des Chores nach 1400 Jahren?

Maestro Palombella, der Chorleiter.

Für welche Solostimme ist es geschrieben?

Ganz unspezifisch, una voce bianca. Wahrscheinlich eine Knabenstimme. Ich muss mich also von allem vokalen Zierrat befreien, muss mich quasi nackt machen. Näher werden ich den Kastraten, mit denen ich mich ja schon so lange beschäftige, nie mehr kommen. In der Cappella Musicale Pontificia Sistina hat schließlich der letzte gesungen, Alessandro Moreschi, der einzige, von dem wir – als altem Mann – ein paar Aufnahmen besitzen, um uns entfernt vorstellen zu können, wie diese Pervertierung der Geschichte, die aber zugleich ein musikalisches Wunder war, einmal geklungen haben mag. Das hier war also der Gralstempel der Kastraten. Und jetzt tönt hier die kleine Cecilia, die Römerin, die als Kind das erste Mal staunend durchgeführt wurde, und die niemals gedacht hätte, hier auftreten zu dürfen.

Das ist also, zumindest was die Exklusivität betrifft, der Höhepunkt ihrer Karriere? Was soll jetzt noch kommen?

Die Aura dieses Ortes bringt mich auf die Idee, vielleicht wirklich mal ein Festival mit in Rom geschriebener geistlicher Musik in akustisch geeigneten römischen Kirchen aufzuführen. Die lokalen Archive quellen über. Und wissen Sie, das Schöne ist, immer wenn ich Händel singe, und das tue ich hoffentlich noch ein bisschen, dann habe ich diese doch auch sehr irdische Pracht der Sixtina vor mir. Denn ich bin sicher, dass Italienische in dem großen Sachsen ist hier – und auch gerade in diesem Raum – entscheidend geformt worden, Auch er hat sich sicher gern daran erinnert, wenn er später eine neue Oper komponiert hat. So habe ich dieses Souvenir nun jedes Mal zusätzlich in mir. Etwa bei seiner Cäcilien-Ode, da habe ich das Gefühl: Ja, Gott existiert hier. Auch oder besonders wenn es nur der von Michelangelo mit seinem für einen älteren Herren ziemlich straffen Gesäß ist…

Der Beitrag Cecilia Bartoli: Vom Geist der Sixtina inspiriert erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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