Hier wird nicht mozärtelt, das merkt man schon in den agogisch pulsierenden Eingangstakten, wenn Yannick Nézet-Séguin, einer der jüngeren Kernkünstler des Gelbetiketts, mit dem ihm bestens vertrauten Chamber Orchestra of Europe sich einmal mehr des Wolfgang Amadeus annimmt. Quasi als Nebenprodukt zur diesjährigen gemeinsamen „Zauberflöte“ im Baden-Badener Festspielhaus hat man noch mit dem Konzert Nr. 20 eines der wichtigsten Mozart-Solowerke eingespielt. Am Flügel, der fast weitgehend pedallos gespielt wird und stellenweise so hart und abrupt wie ein Hammerklavier klingt, dann aber auch wieder seinen weit pastoseren Sound entfalten darf: ein weiterer DG-Jungkünstler – der inzwischen in Berlin lebende Koreaner Seong-Jin Cho, der das Zeug zu einem ganz Großen hat. Schon seine Chopin- und Debussy-Alben offenbarten, das hier keineswegs eine wettbewerbsgestählte asiatische Drillmaschine am Tastenlaufwerk rattert, hier wird mit Verstand und Gefühl, Köpfchen und Herz musiziert. Mal zupackend, mal lyrisch schweifend, historisch informiert, mit bisweilen scharfen Dynamikkontrasten, fast ruppigem Anschlag, aber nicht apodiktisch. Man hört den Zauber gemeinsamer Mozart-Analyse. Was sich in dem sorgfältig produzierten, mit stimmungsvollen Schwarzweißfotos vor dezent salzburgischem Hintergrund schön aufgemachten Album mit zwei Solosonaten fortsetzt. Die juvenilen, doch in stilistischem Abstand sich voneinander absetzenden Dur-Werke Nr. 3 und 12 spielt Seong-Jin Cho mit wacher Dramatik und anekdotischem Einfallsreichtum, durchaus risikoreich direkt davoneilend. Das Maßwerk dieser Musik bleibt klar strukturiert, aber auch gefühlig fein verbrämt. Wunderbar plastisch entfaltet sich so die Architektur, doch mit einem wärmendem, nie nur analytischen Blick. Das ist so klug wie originell und um Welten besser als der verzärtelte Salon-Mozart Lang Langs.
Wolfgang Amadeus Mozart: Klavierkonzert Nr. 20 d-moll K466, Klaviersonaten Nr. 3 B-Dur K281 und Nr. 12 F-Dur K332. Seong-Jin Cho, Chamber Orchestra of Europe, Yannick Nézet-Séguin (Deutsche Grammophon)
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