Bisher hat sich Jaap van Zweden eher langsam entwickelt. Lange war der 1980 in Amsterdam geborene Niederländer der jüngste Konzertmeister des Concertgebouw Orchest. 1991, nach 17 Jahren und diversen Solo-CDs, hängte er freilich seine Geige an den berühmten Nagel, um sich dem Dirigieren zu widmen. Von 1996 bis 2000 war er Chefdirigent des Sinfonie Orchesters der Niederlande, das Residenz Orchester Den Haag leitete er von 2000 bis 2005; anschließend war er bis 2012 Chefdirigent und künstlerischer Leiter der beiden niederländischen Rundfunkorchester. 2008-11 war er zudem Chefdirigent des Philharmonischen Orchesters Antwerpen. Seit 2008 amtiert er als künstlerischer Leiter des Dallas Symphony Orchestra, seit 2012 als Chefdirigent des Hongkong Philharmonic. Inzwischen ist Jaap van Zweden, der auf CD einen Beethoven-, Brahms- und einen Bruckner-Zyklus sowie diverse sinfonische Scheiben vorgelegt hat, auch ein gefragter Gastdirigent. Seine philharmonischen Debüts in Wien und Berlin hat er ebenfalls schon hinter sich. Doch richtig Schlagzeilen machte Jaap van Zweden, als ihn kürzlich das New York Philharmonic als neuen Chef ab 2018 vorstellte. Hier äußert er sich dazu im Interview.
Wie intensiv ist bisher Ihre Beziehung mit dem New York Philharmonic?
Jaap van Zweden: Wie kennen uns erst seit vier Programmen in drei Jahren. Es war eine kurze, aber intensive Beziehung. Es war freilich von Anfang an ein sehr gutes musikalisches Verstehen, und dann verliebten wir uns wirklich intensiv ineinander, wenn meine Frau das so durchgehen lässt…
Was zeichnet Ihr neues Orchester aus?
Van Zweden: Ich finde die Vielfalt an Maestro-DNAs in diesem Orchester wunderbar, man kann sie fühlen, riechen, schmecken, von Gustav Mahler bis Alan Gilbert, Bernstein, Boulez, Toscanini, das ist eine wunderbar bunte Palette, ein immenser, unbezahlbarer Klangreichtum. Das hat sich mir bei schon bei dieser ersten Beschäftigung mit Werken von Beethoven, Mahler, Schostakowitsch mitgeteilt. Da ist unglaubliches Potenzial. Und ich habe großen Spaß, dieses aufzuspüren, damit zu spielen, es zu erweitern. Denn ohne ein gutes Orchester kann man ewig die Hände heben – und nichts passiert.
Wie stellt man sich einem durchaus auch fordernden Orchester?
Van Zweden: Das fragte ich mich auch. Ich musste dabei sehr an meine Zeit beim Concertgebouw Orchest denken, was ich dort für Erfahrungen aufgesaugt habe. 17 Jahre auf der anderen Seite, als Orchestermitglied. Denn schließlich war es Leonard Bernstein, der mich ermutig hat, Dirigent zu werden. Und jetzt bin ich Chef seines Orchesters! Das macht mich sehr glücklich und sehr nostalgisch. Ich habe unter so vielen berühmten Dirigenten gespielt, die schweben immer ein wenig wie eine Ahnenreihe über mir. Gerade in den letzten zwei Jahren realisiere ich, wie viel von Solti, Tennstedt, Davis immer noch in mir vorhanden ist. Das beeinflusst sehr meine Ansichten über Klang.
Wie anders reagiert etwa gegenüber dem New York Phil Ihr asiatisches Orchester?
Van Zweden: Musik hat keine Grenzen, ein blöder Satz. Doch er stimmt. In Hongkong zum Beispiel wollen die chinesischen Musiker immer viel lernen, aber es gibt auch viele internationale Instrumentalisten dort, das beeinflusst sich gegenseitig. Das ist inzwischen ein sehr virtuoses Orchester.
Wie sind Sie für New York vorbereitet?
Van Zweden: Jedes amerikanische Orchester wird von der Gesellschaft getragen, das habe ich in Dallas gelernt. Man muss sich mit den Menschen verbinden, man muss sie inspirieren. Die Beziehung zum Publikum ist deshalb sehr wichtig. Die Menschen müssen ihren Klangkörper lieben, sie müssen sich mit ihm identifizieren, denn schließlich geben sie das Geld. Also müssen wird auch zu den Leuten hingehen, nicht nur sie in unserer wunderbaren Symphony Hall empfanden. Das hat dort jeder verstanden. Und mir macht das Spaß, ebenfalls an der Education-Schraube mitzudrehen. Ich habe zudem ein Scholars-Programm entwickelt, das Stipendien für jungen Musiker aus der ganzen Welt zur Verfügung stellt und sie einlädt. Solch ein Austausch, ein Kennenlernen ist immens wichtig. Man muss in die Stadt hineinarbeiten und auch nach außen.
Was erwarten Sie sich in New York?
Van Zweden: Ich finde es spannend, während die Geffen Hall umgebaut und optimiert wird, durch die Wanderschaft des Orchesters neue Erfahrungen zu machen. Wir müssen in dieser Zeit New York für die neue, hoffentlich sehr, sehr gute Halle vorbereiten. New York braucht das. Neben dem Denkmal Carnegie Hall muss auch der lokale Klangkörper bestehen.
Warum sind Sie gegenwärtig vor allem für Ihr klassisches und romantisches Repertoire bekannt?
Van Zweden: Ganz einfach, das sind die Stücke, die man auf Tournee mitnimmt und die die Veranstalter wollen. Ich will nur bekannt sein für das was ich tue, ob alt oder neu, das ist mir egal. Trotzdem ist es ein witziges Missverständnis. Fragen Sie mal die Niederländer, für was ich stehe! Da galt ich immer als hard core contempory. Und was ich wohl in New York aus der Schublade ziehen werde? Lassen Sie sich überraschen!
Spielen Sie noch Geige?
Nein, das ist vorbei. Ich habe, bis ich 38 Jahre alt war, alles erreicht, habe auch einige Violinkonzerte eingespielt. Es gibt heute so tolle Violinisten, ich will mich nicht blamieren und mich vor mir selbst schämen, da ich nicht mehr übe. Das ist nicht smart. Also keine Chance, mich in den Fußstapfen von Lorin Maazel zu sehen…
Erst Geiger, jetzt Chef des New York Phil. Sind Sie am Ziel ihrer Wünsche?
Van Zweden: Zunächst einmal, als Jugendlicher, war ich auch Sänger – in einem Chor. Jetzt fehlt mir nur noch Klavier, das hebe ich mir aber für die Rente auf – wenn es für Dirigenten eine gibt! Zu Hause Bach zu spielen, das ist für mich die größte Befriedigung, aber lassen Sie mir dafür noch ein paar Jahre Zeit.
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