Die Nachrufe sind eben gedruckt, da wendet man sich, sonst bleibt ja nichts, dem Erbe des Mariss Jansons zu, das zum Glück ein klingendes ist. Unter den Neunveröffentlichungen des hauseigenen BR Klassik-Label, das eben – auch wegen und mit Jansons als Zugpferd – sein zehnjähriges Jubiläum feiern konnte, sind Schostakowitsch-Sinfonien. Musik, die ihm schon biografisch nahe war und der er sich immer wieder zuwandte, nie müde wurde, sie stets aufs Neue zu durchpflügen, zu analysieren, einfach Ton werden zu lassen. Und eine Richard-Strauss-CD gibt es. Auch die umfasst – wenig spektakulär – drei Werke, die Mariss Jansons stets Herzensangelegenheit waren: die „Vier letzten Lieder“, das emblematische Werk vom Weltabschied neben Mahlers „Lied von der Erde“, das er so oft interpretiert hat. Diana Damrau sang sie schwer erkältet bei seinem allerletzten Konzert in der New Yorker Carnegie Hall. Auf der Platte ist es, verhalten, tastend, nie wirklich jubilierend, gedeckt, zweifelnd, Anja Harteros. Dem folgt der „Till Eulenspiegel“ mit plastischem Witz, wunderbarer Orchestrierungsfinesse, ostentativ frechem Tempo und doch auch grüblerisch innehaltend. Herzstück der CD scheint aber die fast halbe „Rosenkavalier“-Stunde in Gestalt der Suite, die der Dirigent Artur Rodzinski erstellte. Wenn Mariss Jansons schon nie die ganze Oper aufgeführt hat, so vermittelt doch diese clever kompilierte Inhaltsangabe nach Noten seinen Geist der Anverwandlung dieses kunstvoll erfundenen Theresianischen Wiens samt seinen ahistorischen Walzer. Ähnlich wie in seinen drei Neujahrkonzerten nimmt Mariss Jansons das mit Schwung, Brillanz, Leuchtkraft, aber auch mit ortstypisch g’schlamperten Rubati als ausgefeiltem Agogik-Gerüst. Im nur von Geigen intonierten Leiblied des Ochs glimmt eine keusche Zartheit, die dieser derben Person fast zu viel des Guten widerfahren lässt. Die Musiker des Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks schwelgen und schmachten, nie aber ist das Schmalz und Kitsch, nur zupackende Lebensfreude, Überschwang, warme Transparenz und im Finaltrio wie -duett fast überirdischer Geigenhelligkeit. „Ist ein Traum, kann nicht wirklich sein“, so denkt man immer noch über die Präsenz dieses so vielgeliebten Dirigenten, der nun nicht mehr ist. Nächstes Jahr in Salzburg hätte er die „Rosenkavalier“-Suite wieder auf den Pulten der Wiener Philharmoniker zu liegen gehabt. Jetzt bleibt nur die Münchner Tonkonserve von 2006. Die uns aber an Worte erinnert, die Jansons’ dortiger Kollege Sergiu Celibidache einst sagte: „Musik ist nicht schön, sondern wahr. Die Schönheit ist nur der Köder.“
Mariss Jansons: Richard Strauss (BR Klassik)
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