Das Blankziehen als Akt der Nächstenliebe, es ist ein zentraler Moment in Erich Wolfgang Korngolds scheinheilig-hysterischer Oper „Das Wunder der Heliane“. An der Deutschen Oper Berlin ist es 2018 wohl zum ersten Mal wirklich so passiert in der kurzen Rezeptionsgeschichte dieses kitschigen, faszinierenden Werkes. Bei der mutig gleißenden Sängerin Sara Jakubiak hat Nacktheit als subversiver Akt gar nichts Peinliches. Aus der depressiven, von ihrem frigiden Mann ungeliebten Königin wird Eva, Venus, sinnlich und wärmend, aber auch eine keusche, mütterliche Maria. Eingehüllt, umschmeichelt, klangbekleidet von schwülstig bitonalem, wohlig waberndem Tonschwall, der, animiert vom famosen Marc Albrecht, sich aufschwingt, strahlt, glüht und verweht. So muss man diesen wahnwitzigen, ziemlich geilen Korngold singen und spielen. Für die eigentlich unspielbare „Heliane“ ist das eine glanzvolle Rehabilitierung. Die wundersam, ja süchtig machend aufgeht, obwohl die professionell nüchterne Regie von Christof Loy wenig unter die Oberfläche dringt. Und die glücklicherweise in einer Schnellaktion auch für DVD aufgezeichnet werden konnte. Zu sehen ist eine Art Opernvariation von „Zeugin der Anklage“. Die Jakubiak ist eine gleißend geheimnisvolle Zeugin. Bassbariton Josef Wagner, der sich glorios aufschwingt, dem gefühlsversteinerten König drängende Statur gibt, er könnte ein etwas zerstreuter Staatsanwalt sein. Und der über erstaunliche Tenorreserven und leider ein monochromes Timbre verfügende Brian Jagde als Fremder sitzt auf dem Delinquentenstuhl. Aber sie alle, inklusive der als eifersüchtige Schreibkraft altsatten Okka von der Damerau (Botin und Ex-Geliebte des Königs), sie sind kaum zu unterscheiden und sozial zuzuordnen. Weil Christof Loy keine Menschen inszeniert, sondern nur Fallstudien, ort- und zeitlos. Aber egal, es ist Korngolds sich langsam wieder Gehör schaffende Wunderpartitur, die zählt.
Korngold: Das Wunder der Heliane (Naxos)
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