Lustig! Ausgerechnet „La Cenerentola“, eine der meistgespielten komischen Opern überhaupt, seit 200 Jahren nicht aus dem Repertoire verschwunden wie viele andere Rossini-Raritäten, hat Lustbarkeits-Triebtäter Laurent Pelly noch nie inszeniert. Dafür aber Jules Massenets Märchen-Variante „Cendrillon“, die wie viele seiner so intelligenten wie gefälligen Produktionen, den Weg über den Musiktheaterglobus fanden. Natürlich auch dank seiner hingebungsvollen Starprotagonistin Joyce DiDonato. Nun aber wurde auch die italienische Opernfassung des „Aschenbrödel“, das auf Niederländisch „Assepoester“ heißt von Pelly an der Dutch National Opera, wo er zum dritten Mal gastierte. Das Plakat freilich führt in die Irre: Auch wenn da ein herausfordern lockendes Mann/Frau-Wesen zu sehen ist, um Genderfluidität und Queerness, inzwischen auch äußerst angesagte, wenngleich seit dem Barock verhandelte Opernthemen, ging es so gar nicht. Obwohl zumindest als optische Teilzeit-Motto sehr farblaut und schrill „Think Pink!“ ausgegeben worden war, um die verhuschte Angelina plötzlich Koloraturenprinzessin werden zu lassen. Doch der Rest dieses offenbar immer mehr als Weihnachtspremiere angesagten Trällermärchens erweist sich als hübsch harmloses, routiniertes Pelly-Vergnügen. Der magische Funken, den hier etwa der göttliche Beistand in Gestalt des als Fee-Ersatz fungierenden „Philosophen“ Alcindoro (der erstaunlich basskoloraturbewegliche Roberto Tagliavini) als fuchtelnder Dirigent beschwört, er gelingt immerhin im Graben dem DNO-Debütanten Daniele Rustioni.
Der sich am Pult des beweglich-spritzigen Het Nederlands Kamerorkest wieder einmal als einer der spannendsten italienischen Maestri erweist. Der streichelt schon in den Anfangstacken die Ouvertüre so zärtlich, entlockt ihr so viel feinen Witz und fruchtige Farbe, das man gleich weiß: Das wird richtig. Wild und doch präzise komisch cerscendiert das auf seine Explosionsstretta hin. Und in der Tat gluckert und gluckst es im Graben wie allerbester Prosecco, den ganzen Rossini-Abend lang.
Pelly hat sich von Chantal Thomas ein breites, zunächst kahles Kulissenzimmer mit grauhängender Tapete bauen lassen, in der Mitte schwebt eine Tür. Und ganz allein steht dazwischen eine Putzfrau. Man hätte sie kaum erkannt, ist Isabel Leonard doch sonst eine der feinsten Singing Beauties der Opernwelt. Hier muss sie das Mauerblümchen spielen, damit sie umso strahlender glimmern kann, wenn sie zum ersten Finale in der weißen Chiffon-Abendrobe à la Pelly einherschreitet. Die freilich noch am Mieder ihre Ascheherkunft zeigt (bei Pellys Cendrillon, war es umgekehrt, da hing die Asche noch im Saum; kleine Selbstreferenz). Nur stimmlich kann sie nicht ganz mit der Optik mithalten, da fehlt es etwas an tiefe, man spürt die Verzierungsmühe.
Der leere Märchen(t)raum. Dahinein schieben sich aus den Seiten insgesamt 14 unterschiedlich hohe Podeste mit dem ganzen angegammelten Hausrat des klammen Don-Magnifico-Schlosses. Das schwenk rein und raus, erlaubt verschiedene Mobiliar-Stilleben vom Bad, über die diversen Schlafzimmer, Windfang, Waschküche, Studierstube, Küche, Esszimmer und Salon. Und auf einem 15. Podest posieren die Menschen oftmals wie Püppchen. Beim Prinzen Ramiro ist später alles rosarot, aber Kutsche, Lüster und kostbares Inventar sind nur tiefgezogene, rauf- und runterfahrende Stoffsilhouetten: Also auch alles Lüge?
Pelly, zeigt, bewegt, übersetzt die Rossini-Mechanik in einem kinetischen Personenkreislauf, aber so gut und originell wie Ponnelle oder Herheim ist er nicht. Und im zweiten At geht ihm die Puste aus, da wird dann nur noch die Repeat-Taste gedrückt.
So muss der Buffa-Laden durch das hier vielgeforderte Ensemble bewegt werden, was auch gelingt. Lawrence Brownlee als überall immer noch gern gebuchter Rossini-Prinz ist stimmlich wie optisch die Kirsche auf der Torte, sämig und geschmackvoll hüpfen bei ihm die Triller, flattern die Rossini-Schmetterlinge im Tenorbauch. Der pfundige Nicola Alaimo beweist unerwartete Motorik als Magnifico, fängt beim Buffo-Plappern gern das Bellen an, aber fühlt sich in der dankbaren Böse-Vater-Rolle basbaritonpudelwohl. Dem neuen DNO-Studio stellen Julietta Aleksanyan und Polly Leech als eher schräge denn fiese Stiefschwestern ein bestes Klangzeugnis aus. Die Chorherren haben stelzend Spaß. Und Alessio Arduini als Prinz-Ersatz und Kammerdiener Dandini schwänzelt mit gefälliger Stimme wie propere Optik ansehnlich im Rokoko-Ornat.
Am Ende, da freilich ist Laurent Pelly, eher mitleidlos: Aschenbrödel bleibt Aschenbrödel, und Putzfrau wird wieder Putzfrau.
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