Da müssen aber die Nerven blank liegen. Letztes Jahr hat Nacho Duato, abkassierendes, aber nie sichtbares Direktorenphantom des Staatsballett Berlin, immerhin noch zu einer Pressefrühstück in kleinem Journalistenkreis geladen, um seine Pläne für die gerade laufenden Saison vorzustellen. Die nächste Spielzeit aber wurde jetzt – ziemlich einmaliger Vorgang in der deutschen Theater- und Tanzlandschaft – einfach kommentarlos per Mail verschickt. Getreu dem Motto: Keine Fragen bitte, wir liefern auch keine Erklärungen, ziehen unser Zeug einfach durch. Geredet wird höchstens noch mit den garantierten Tanzignoranten der „Berliner Morgenpost“, wo man diesem Treiben nach wie vor servil ein Podium bereitet. Zustände wie früher im Osten sind das.
Und die Berliner Kulturbehörde nickt solches Tun auch noch brav ab. Wie auch die künstlerisch wie finanziell völlig unverständliche Entscheidung, den gerade einmal drei Jahre alten, immer ausverkauften „Nussknacker“ der Malakhov-Ära, für den man damals einige Zeit Produktionsbudgets sparen musste, durch einen anderen, freilich nicht neuen von – natürlich – Nacho Duato zu ersetzen. So fließen die Tantiemen für eine einzige Person, 1,5 Millionen Euro öffentliche Ausstattungsgelder sind aber kurzerhand in den märkischen Sand gesetzt! Berlin hat es ja. Dabei ist die wieder bei Petipa & Co. zusammengeglaubte und geklaute Duato-Version kaum weniger konventionell und altmodisch als die bisherige Burlaka-Fassung, die immerhin doch das Alleinstellungsmerkmal einer Restaurierung des verlorenen Originals für sich in Anspruch nehmen konnte.
Die Pläne für nächstes Jahr: drei Premieren, neben dem „Nussknacker“ im September zwei double bills. Im Januar gibt es als französisches Doppel das hübsche „Daphnis et Chloé“ von Benjamin Millepied sowie das schon angejährte „Altro Canto“ (2006) von Jean-Christophe Maillot für ein kleines Ensemble auf Musik des Renaissance. Im April 2017 folgt eine Duato-Kreation, „die sich mit der Frage nach den Konsequenzen des zerstörerischen Umgangs des Menschen mit seiner Umwelt beschäftigen soll“ als Kombo mit „The Art of Not Looking Back“ von Hofesh Shechter – einem dann sieben Jahre alten Stück für gerade einmal sechs Frauen. Außerdem dürfen sich Tänzerinnen und Tänzer des Staatsballetts an zwei Tagen im Mai in der Tischlerei der Deutschen Oper als Choreographen in dem neuen Format „DANCE\\\RUPTION“ produzieren.
Und wie wird dieser Magerquark inhaltlich verkauft? „Entlang von Perspektiv- und Rollenwechseln, von Wandel und Transformation, eröffnet sich dem Publikum ein Programm überraschender Sichtweisen und unerwarteter Erlebniswelten“, wird Señor Duato zitiert. Und es geht ähnlich wolkig weiter: „Tanz als darstellende Kunst ist die imaginäre Verbindungslinie zwischen der wahrgenommenen Realität und der Imagination jedes Einzelnen. Das Aufzeigen neuer Horizonte für das klassische Ballett und sein Publikum, die Spiegelung unseres politischen und privaten Alltags im Tanz ist mein Credo, dem ich auch in dieser Spielzeit Ausdruck verleihe“, so Duato.
Na denn! Immerhin gibt es als Lichtblick ein Gastspiel des Düsseldorfer Balletts am Rhein mit Martin Schläpfers grandioser Mahler-Choreografie „7“. Was freilich neuerlich traurig stimmt über eine verpasste Chance: Denn der derzeit beste, vor allem kreativste deutsche Choreograf wäre durchaus nach Berlin zu locken gewesen. Wenn man es wirklich gewollt hätte.
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