„Ich bin die erste Sängerin! – Das glaub ich ja, nach Ihrem Sinn. – Ich bin von keiner zu erreichen, das wird mir jeder zugestehn. – Gewiss, ich habe Ihresgleichen noch nie gehört, und nie gesehn. – Was wollen Sie sich erst entrüsten, mit einem leeren Vorzug brüsten? Ein jedes hat besondern Wert. Kein Künstler muss den andern tadeln, er setzt die Kunst zu sehr herab.“ Prophetische, von Mozart 1786 in seinem „Schauspieldirektor“ auf Texte des „Entführung“-Librettisten Johann Gottlieb Stephanie der Jüngeren vertone Worte. Ein Terzett zwischen zwei streitsüchtigen Primadonnen, Madame Herz und Mademoiselle Silberklang, und dem beschwichtigenden Monsieur Vogelsang. Letzterer fehlt gegenwärtig, dafür haben wir es mit zwei heftig austeilenden Intendantendiven zu tun: Bernd Loebe aus Frankfurt und Nikolaus Bachler aus München.
Was ist geschehen? Wie so oft in diesem Gewerbe: eigentlich gar nichts. Aber schnell wird aus einer Angriffsmücke ein Beleidigungselefant. „Wie es zum Tod des Vibratos kam“, war kürzlich ein längliches, ziemlich mäanderndes Interview mit Bernd Loebe in der „Frankfurter Rundschau“ überschrieben. Darin redet der als Stimmensucher und –finder bekannte Loebe vor all auch über sein „Verständnis von dem, was schön“ ist.
Und da wird er schnell ziemlich angriffslustig: „Ich werde jetzt von vielen Menschen – falls irgendjemand liest, was wir hier zusammenspinnen – sehr dafür gerügt werden, wenn ich sage, dass ich zwar die Stimme von Anja Harteros sehr respektiere, aber sie lässt mich fast kalt. Sängerinnen, die sich mit sich selbst mehr beschäftigen als mit ihrem Partner, die ihre schwarze Haarespracht in Szene setzen, wo sie Kontakt zu Kollegen auf der Bühne halten sollten, erzeugen mein Desinteresse. (…) Ein Sänger sollte nie über seine Grenzen hinausgehen, aber an sie tippen – das sollte er. Das vermisse ich bei ihr und bei einem heute durchaus geschätzten Sänger: bei Jonas Kaufmann. Er hat eine begnadet schöne Stimme, aber er arbeitet hübsch eine Rolle nach der anderen ab. Er setzt sich nicht wirklich mit ihnen auseinander.“
Und dann ist er sicher in seinem Selbstlob über das eigenen Frankfurter Haus: „ Wir können hier das machen, woran wir glauben. Wir sind ein Ensemble. Wir haben nicht die Probleme der Metropolitan Opera in New York oder der Mailänder Scala. Die definieren sich über große Namen und noch größere Gagen. Da werden Leute für ein paar wenige Abende auf einer Bühne zusammengestellt, die kaum etwas miteinander zu tun haben. Sie haben keine Zeit, sich aufeinander einzustellen. (…) Wenn wir uns über Stars definieren und glauben, wir seien nur dann ein erstes Haus, wenn wir uns die leisten können, dann verliert dieser Beruf enorm an Attraktivität.“
Auftritt – per Leserbrief in der FR – Nikolaus Bachler. Obwohl der Münchner Prinzipal, der an seinem Haus sowohl die Stars hat, als den Nachwuchs in seinem erlesenen Ensemble pflegt, immer modern sein will und jeden Theaterregisseur über einen Profi aus der Oper stellt, gar nicht expliziert von Loebe angesprochen wurde, fühlt er sich offenbar gemeint. Und wirft zur Verteidigung von Harteros, Kaufmann & Co, die auch sonstwo zu hören sind, mit ganz schön schwerem, schrillen Geschütz um sich:
Da wird der Frankfurter Kollege als „Fußballtrainer der Regionalliga Südwest“ abgekanzelt der „mit solchen Ausnahmensängern naturgemäß nie zu tun haben konnte“ und sich stattdessen „in peinlich triefendem Selbstlob“ ergehe. Und als echter Österreicher, der ja immer auch ein kleinwenig Doktor Freud ist, hat Nikolaus Bachler natürlich auch eine psychologische Erklärung bereit: Es handele sich bei diesem „Frankfurter Manifest“ um das eines Intendanten „in den Herbsttagen seines Berufs, der sich immer wieder bemüht hat, den Sprung in eines der großen internationalen Häuser zu schaffen, was ihm nicht gelang“. Der „sieht sich am Ende des ihm bestimmten Weges angekommen und fühlt einen bitteren Beigeschmack von verpassten Chancen und Frustration, die er nun auf seine Weise kompensiert, indem er große Künstler herabwürdigt.“
Und alle anderen lachen über diesen, schon munter durch die Szene geposteten Zickenkrieg. So unnötig wie der eine ausgerechnet über diese wirklich in ihren Rollen aufgehende Sängern urteilt (da gäbe es ganz andere Beispiele), so albern sind die Abkanzelungen des anderen. Bernd Loebe hat in Frankfurt auch mit Stars wie Nina Stemme, Diana Damrau, Željko Lučić, Anne Schwanewilms, Christian Gerhaher und anderen zu tun gehabt und zu tun, die ebenso in München singen, er hat sie meist viel früher entdeckt als Bachler mit Hilfe seiner ihm zugewandten Sängeragenturen samt mindestens zwei Vokalexperten im teuren Tross.
Und Nikolaus Bachler hat immer schon gern ungefragt ausgeteilt, besonders gegen Dominique Meyer, den Direktor der Wiener Staatsoper, einen Posten auf dem ihm ab 2020 jüngst wieder Ambitionen nachgesagt werden. Auch Bachler hat beispielsweise die Salzburger Festspiele nicht bekommen.
Und in einem Punkt irren beide Herren sowieso. „Der Starkult hat alles ruiniert. Ich erinnere mich noch an Maria Chiara, geboren 1939. Sie war ein hervorragender Sopran. Heute wäre sie ein Spitzensopran. Aber neben Renata Tebaldi (1922 – 2004) und Maria Callas (1923 – 1977)!“, schimpft Loebe. Maria Callas trat Mitte der Sechzigerjahre von der Bühne ab, Renata Tebaldi 1973. Die große Zeit der Chiara waren aber die Sechziger und Achtzigerjahre. Und da hatte sie ganz andere, schon heute kaum mehr bekannte Konkurrentinnen. Von denen offenbar auch Bachler schon gar nichts mehr weiß.
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