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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Die übergroßen Hamburg-Pläne des Kent Nagano

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hamburg_elbphilharmonieEndlich. Mit einigen Jahren Verspätung stellt morgen die Elbphilharmonie ihren Spielplan ab 11. Januar, dem mehrmals verschobenen Eröffnungstag des megateuren Konzerthauses auf dem Kaiserspeicher vor. Das möchte man entsprechend mit einem Konzertfeuerwerk feiern – auf das Hamburg nicht nur Musical-, sondern endlich auch Klassikstadt werde. Denn obwohl die drei lokalen Klangkörper, das NDR Sinfonieorchester, die Philharmoniker und die Symphoniker, nicht eben Weltgeltung besitzen, die Musikfreude müssen auch in den Folgespielzeiten von auswärts strömen. Schließlich hat man mit dem teuren von Herzog & De Meuron designten und von Akustik-Guru Yasuhisa Toyota betreuten Konzertsaal das Platzangebot neben der Laeiszhalle verdoppelt.

Das NDR Orchester hat sich zwar bereits mit dem Zusatz „Elbphilharmonie“ im Namen umgetauft, um seine Verbundenheit, aber auch seinen mit Geld bezahlten Anspruch auf das Haus, wo es als Residenzorchester spielen wird, zu dokumentieren. Mit der Präsentation der eigenen Novitäten wartet man aber hanseatisch gelassen bis zum 19. April, soll doch die Hausorganisation erst mal in Ruhe ihre Knallfrösche zünden.

Nicht so aber Kent Nagano, Chef der Hamburger Philharmoniker, die in der Elbphilharmonie höchstens die zweite Geige spielen werden. Die aber eigentlich und vor allem das Opernorchester der Stadt sind. Was Nagano offenbar immer noch nicht ganz klar ist, denn der will es groß, ganz groß. Vor allem im konzertanten Bereich. Damit nämlich hat ihn, irgendwie unter Verdrehung der tatsächlichen Verhältnisse, die Kultursenatorin Barbara Kisseler an die Alster gelockt. Geblendet von einem großen Namen, statt auf dem bereits harmonisch mit Orchester und per verbundenen, immer noch erst 36-jährigen Cornelius Meister zu setzen, der für die Stadt wirklich eine Musikmarke hätte werden können.

Der feiert jetzt in Wien an der Oper und als Chef des ORF Radio-Symphonieorchesters Triumphe, in Hamburg aber klotzt Kent Nagano bisher vor allem. Man fragt sich nur, wo das Budget für all diese Monsterwerke herkommt, die der körperlich eher schmächtige Amerikaner hier auftürmt. Denn anders als es den guten Kaufmannssitten entspräche, hat es der Mann aus Kalifornien besonders eilig gehabt, seine Novitäten vor allen anderen publik zu machen – vor der Elbphilharmonie, vor dem NDR Orchester und sogar auch noch vor dem eigenen Haus, denn man sollte doch annehmen, das qua Bedeutung und Volumen der Oper und dem Ballett der Vorzug vor den gerade mal 10 Konzertprogrammen gebührt.

nagano2014Ist aber nicht so. Kent Nagano hat seine erste Saison nicht eben kleinmütig, aber im Ergebnis wenig aufregend, mit den dann doch wieder rüde gekürzten „Trojanern“ von Hector Berlioz begonnen. Er wird sie in Zusammenarbeit mit John Neumeier abschließen mit Oliver Messiaens aufwändiger Turangalila-Sinfonie. Und gerade wird, nicht unbedingt Kernaufgabe, eine Deichtorhalle teuer spielfertig gemacht für eine rituelle Visualisierung der Bachschen Matthäus-Passion, die Nagano mit dem gegenwärtig extrem modisch angesagten Künstler Romeo Castellucci für Mitte April vorbereitet. Und parallel dazu spielt das Ballett, wie seit über 30 Jahren, seine ganz eigene szenische Adaption desselben Werkes. In Hamburg hat man es offenbar.

Nach einer eher unauffälligen ersten Konzertsaisonhälfte lässt es Kent Nagano dann in der Elbphilharmonie ab Januar kräftig krachen. Er eröffnet mit einem eigens bestellten Oratorium für Solisten Chor und Orchester von Jörg Widmann – für das der notorisch späte Komponist vor einigen Wochen freilich noch nicht einmal den Text ausgesucht hatte. Es folgen Bruckners und Mahlers 8. Sinfonien, auch nicht eben Petitessen. Als Konzertfinale der Nagano-Saison 16/17 gibt es dann natürlich noch Schönbergs Gurrelieder. Vermutlich kann man das dann nur noch steigern mit Antonio Cesti berühmt-berüchtigten, an zwei Tagen zu spielenden Barockspektakel „Il Pomo d’Oro“, einem „Ring des Nibelungen“ in 24 Stunden sowie dem kompletten „Licht“-Zyklus von Karlheinz Stockhausen.

Der Beitrag Die übergroßen Hamburg-Pläne des Kent Nagano erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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