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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Abgehangen: Yuval Sharon gescheiterter „Zauberflöte“-Versuch, an der Berliner Staatsoper Monster-Marionettentheater zu machen

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„Zauberflöte“, „Freischütz“, „Fidelio“. In dieser Reihenfolge. Das sind die Stücke des deutschen Repertoires, die man eigentlich keinem Regisseur wünscht. Scheitern ist hier meist inkludiert. Auf eine gute Inszenierung kommen für gewöhnlich 25 grottige. Jetzt ist an der Berliner Staatsoper Yuval Sharon in dieses sehr tiefe Mozartloch gefallen. Mit Vollkaracho.  Sein hübscher Traum: Dieses unmögliche deutsches Singspiel goes freimaurerisches Initiationsritual, Wurstelprater trifft Ägypten als Marionettentheater, getragen von kindischer Fantasie und Fragekraft. Funktioniert aber nicht. Echte Holzköpfe am Faden, die sich zu Opernklängen bewegen, haben Charme, Kleistsche Unschuld und Grazie. Entpersonalisierte Sänger, die mit Klumpfüßen als Mangacomic-Figuren auf der Bühne blöd herumhängen und mit fremden Stimmen sprechen, aber nicht. Kinder würden niemals weit über drei Stunden auf einer dann doch lähmend unbeweglichen Bühne eine Oper komplett durchspielen. Der Zuschauer ist aber zum Durchhalten verdammt. Und kann sich auch orchestral an wenig klammern. Denn aus dem Graben tönt diese Premiere höchstes wie die gefühlte 193. Repertoireaufführung der 25 alten, leidlich familienfreundlichen Everding-Inszenierung im Retro-Schinkel-Look; die man schon aus lokalpatriotischen Gründen parallel weiterspielt. Zum Glück! Wer hätte das gedacht, dass man Solches mal vom ollen, aber eben doch dollen Opernzirkusdirektor-August sagen würde!

Fotos: Monika Rittershaus / dpa

Erst ist da ein riesiges Papiertheaterportal, hat die die hochgehypte, allenthalben durchschnittlich begabte, freilich hübsche Mexikanerin Alondra de la Parra den Taktstock zu den bereits laschen Ouvertüren-Akkorden erhoben. Könnte auch Everding dahinter sein. Es  offenbart sich freilich ein liegengelassenes Malbuch mit Paradiesbild. Apfeldieb Tamino ist bereits nach wenigen Sekunden in seinen Seilen zappelnd abgehängt, interessiert nicht weiter, obwohl Julien Prégardien bis auf einige störrische Stellen traumschön lieddeutlich singt. Später wird seine Pamina, die als Minimarionette („dies Bildnis“) eingeführt wird, im Partnerlook hereinschweben, mit rosa Schleife statt Geheimratsecken und Minirock statt Minislip. In Japan mag das ankommen, in Berlin Mitte so gar nicht.

Ebenso wenig wie der neonfarben im Catcherlook ausstaffierte Papageno des Wiener Schauspielers Florian Teichtmeister. Der wird am Ende besonders ausgebuht. Was er nicht verdient hat. Den Sharons Idee, den Vogelmenschen-Außenseiter, der bei der Wiener Uraufführung ebenfalls von dem Schauspieler Emanuel Schikander gesungen wurde, eben als Outcast auch musikalischer Art gerade mit seinen zu Tode gesungenen Schlagern zu präsentierten, ist klug, aber nicht mit seinem Restkonzept kompatibel. Denn zwischen all diesen Freaks fällt der plappernde, durchaus auf Tonhöhe und rhythmisch korrekt singende Geselle nicht auf, nur ab.

Konventionell passiv in silbrige, ein wenig schattenverspielte Flugwerke gesteckt wird die ganz leidlich Koloraturen aufspießende Königin der Nacht von Tuuli Takala. Leider sind auch die drei Damen in eine vielbusig schwebende Fruchtbarkeitsgöttinnenwolke verpackt und haben rosabezopft so gar keinen spielerischen Auslauf. Die bisweilen elektroakustisch verstärkten drei Tölzer Knaben sehen erst aus wie pelzkappenbesetzte Bömbchen, dann wie Eskimos. Was beinahe zu einer Flöte als rosa Minirakete und einem Glockenspiel als chinesische Liebeskugeln passt.

Irgendwann wird die erst weißbunte, mal sehr bewegliche, dann viel zu lange statische Bühne von Mimi Lien schwarz und spiegelig, wir sind in Monostatos’ Zwischenreich. Der hat sternbewehrte Mäuse als steppende Armee um sich. Der wie stets stimmlose Florian Hoffmann ähnelt in seinem nostalgischen Roboteroutfit eher einer Espressomaschine mit Aufziehschlüssel. Immerhin lässt Yuval Sharon als politisch korrekter Amerikaner im modernisierten Sprechtext den „schwarzen Menschen“ und Mohren“ thematisieren.

Sprecher und Pforten gibt es nicht, Lauri Vasar darf zu Schattenspielereien nur seine angenehme Stimme erheben. Die tanzenden Tiere entfliehen als Pappbilder mit schwarzgewandeten Nô-Hilfsspielern einem blinkenden Karussell. Der Sarastro des mit seinem Wabervibrato die Gläser an den Foyertheken zum Klirren bringenden Kwangchul Youn kommt optisch zwischen Papplöwen und Schachtelteufeln als schräge Mischung aus goldenem Räucherengel und Turandot mit Scherengitterhänden rüber. Walter van Breiendonck zeichnet für die durchgeknallten, überhaupt nicht zweckdienlichen Kostüme verantwortlich. Im zweiten Teil wird es nur noch öd und langweilig, die Inszenierungsidee hat sich völlig totgelaufen. Die durch den Ausfall von Anna Prohaska von der Papagena zur Pamina aufgestiegene Serena Sáenz Molinero singt auch so – soubrettentschilpig, aber süß – ihre schwere Arie und muss dabei in der Luft hängen. Die Feuer- und Wasserprobe verfrachtet Sharon unerwartet ironisch in eine realistische Küche zwischen Gasherd und Spüle. Hier soll das hohe Paar offenbar sein bürgerliches, oft gesehenes Spießerglück finden. Kindern würde so was übrigens nie einfallen.

Ohne Auflösung geht es jetzt wieder auf die bisweilen durch ein paar nackte Scheinwerfer angedeutete Theater-auf-dem-Theater-Ebene mit den Minimarionetten und echten, enthemmt in Vertretung des müden, endlich am Ende angekommenen Publikums freudig hüpfenden Kindern. So what? Yuval Sharon hätte die einmalige Chance gehabt, neben der ausstattungsschwelgenden, märchenbraven Everding-„Zauberflöte“ und gerade mit einem Teichtmeister eine psychologisch fundierte heutige Geschichte zu erzählen. Er hat sich mit aus dem Ruder laufendem Bildertheater voll aufgepeppt alter Versatzstücke begnügt.

So wie auch die vorsichtig mitschwimmende Alondra de la Parra erst auf der Schlussgerade der allzu routinierten Staatskapelle endlich ein paar spannend knusprige, individuell zupackende Mozarttöne entlockt. Verschenkt! Aber eigentlich hätte ja hier der wegen Krankheit ausgefallene Franz Welser-Möst sein Premierendirigat für die wohlmögliche Barenboim-Nachfolge absolvieren sollen. Das wäre spannend geworden. Jetzt wird er sich wohl eher um die Wiener Musikvereinsdirektion bemühen…

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Weltexklusiv: die geheime Bayreuther „Walküre“ – am Sonntag wird ihr Geheimnis gelüftet

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„Wes Herd dies auch sei, hier muss ich rasten.“ – „Ein fremder Mann? Ihn muss ich fragen.“ Kennen wir doch. „Walküre“, Erster Akt. Das Orchester tremoliert auch den dazugehörigen Gewittersturm. Und wir befinden uns im Bayreuther Festspielhaus. Aber was sehen wir da? Noch nie geschaute Bilder, nicht von Castorf und auch nicht aus dem aktuell in Gran Canaria, am Urlaubsdomizil der Festspielchefin gedrehten, erklärenden Imagefilm, der eben den ersten, kompletten „Ring“-Abend beim konzertanten Gastspiel in Abu Dhabi begleitete. Woher kommt also diese mysteriöse, weil offenbar bisher geheim gehaltene „Walküre“-Inszenierung, von der bis heute kaum ein Mitarbeiter weiß? Am Sonntag wird das Rätsel gelüftet. Wirklich schwierig. Sieht es doch aus wie so oft auf der Bayreuther Bühne. Müll liegt herum, viel Müll, und Sieglinde, die im Schutzanzug in einer Plastikplanenflüchtlingsunterkunft vegetiert, schaufelt ihn unaufhörlich in eine brennende Tonne. Könnte auch von Castorf aus seinem Baku-Bild sein. Ist es aber nicht. Stopp, da kommt Siegmund als angeschossener Fahrradkurier durch den Maschendrahtzaun. An dem hängen übrigens Schilder. „Warning! Restricted Area. Keep out. Authorized Personnel Only“, steht da auf Englisch zu lesen, ganz wie auf Deutsch auf allen Türen zum Bayreuther Backstage-Bereich. Und da weiß ein Schild noch mehr: „Alien Activity!“

Da müssen wir dann doch sehr schmunzeln. Denn da hat sich der TV-Regisseur Sebastian Marka für den fünften Franken-„Tatort“ der ARD, darum handelt es sich hier nämlich, etwas sehr Komisches ausgedacht: Während die Millionen Zuschauer mit Kommissarin Dagmar Manzel fiebern, die einen Mord bei laufender Festspielvorstellung  verhindern soll, bekommt der Insider die Fragmente einer von Marka erdachten, eigens auf die originale Bühne geschaufelten fiktiven Wagner-Inszenierung zu sehen. Die so durchaus, inklusive Wesen von fremden Opernsternen, hier ästhetisch über die Szene hätte gehen können. Als Kenner kann man sich auch sonst köstlich darüber amüsieren, wie mit dann doch viel zu wenig Statisten wuselige Festspiel-Atmosphäre erzeugt werden soll, wie die vor den Kameras offenbar fremdelnden Festspielorchester-Musiker als Ich-tu-so als-ob-Geiger im mystischen Abgrund dirigentenlos fiedeln (extra Nachdreh im Sommer!) und dazu Christian-Thielemann-Wagner-Soundtrack läuft.

Und es ist beruhigend, zu wissen, niemals könnte in der Realität ein Mörder so einfach bei laufender Vorstellung ins Festspielhaus spazieren. Denn da sind die Türen abgeschlossen, nur von innen zu öffnen. Dazu hätte er mindestens die seit einigen Spielzeiten hier (samt Maschendrahtzaun) lauernde Security und einige lila Mädels umnieten müssen. Was wir uns nicht mal vorstellen wollen.

Alles Fiktion also. Nicht ganz, denn was sagt Sebastian Marka über seinen fünftägigen Dreh im April 2018, den erst dritten im Festspielhaus (inzwischen war noch „Die Sendung mit der Maus“ da)? Es gäbe durchaus Parallelen zwischen Oper und Krimi-Realität: „Auf der Bühne: Eine nachgestellte Szene aus der ,Walküre’: Zwei Leute, die durch eine schlimme Tat getrennt wurden und dann zusammenkommen und ein Kind zeugen. Bei uns: Zwei Leute zeugen ein Kind und werden nie mehr zusammen sein, durch eine schlimme Tat.“

Und Bayreuther Realitäten gibt es zudem in diesem meist kammerspielhaft intensiven „Tatort“ um Schuld und Sühne – auch das ein Wagner-Motiv: Wagners Hund Russ in Plastik gegossen. Eine Nietzsche-Spruch. Viel braune Seventies-Tristesse, bereits in der Anfangsszene auf dem Landgerichtklo. Und den echten Festspielsprecher Peter Emmerich, der die Vorstellung abbrechen lassen muss. So gut könnte das nämlich kein Polizistenstatist!

Tatort „Ein Tag wie jeder andere“. Sonntag, 24. Februar, 20:15 Uhr ARD

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Anneliese Rothenberger auf Speed: Die glamouröse Grazer Wiederentdeckung von Joseph Beers „Die polnische Hochzeit“

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81 Jahre nach der Zürcher Uraufführung von 1937 feierte „Die polnische Hochzeit“ (nicht zu verwechseln mit Dostals „Ungarischer Hochzeit“) des österreichisch-jüdischen Komponisten Joseph Beer (1908-1987) im Dezember ihre Premiere an der Grazer Oper. Und angesichts des so komischen wie glamourösen Inszenierungsergebnisses und der mitreißenden Partitur fragt man sich eigentlich schon, wie so ein Stück so lange unter dem Radar der Theaterintendanten bleiben konnte. Freilich hatte der Komponist das Werk bis zu seinem Tod 1987 zurückgezogen. Die Grazer Operndirektorin Nora Schmid höre den Mitschnitt der konzertanten Aufführung von 2015 unter Ulf Schirmer mit dem Münchner Rundfunkorchester beim Gemüseschnippeln und war sofort gefangen von dieser ungekannten Gute-Laune-Musik zwischen Stedl, Stall und Broadway. Und selbst das Publikum war begeistert, strömte zu den unbekannten Titel, den inzwischen auch der ORF aufgezeichnet hat und am 24. März in seinem dritten Fernsehprogramm sendet.

Fotos: Pawel Sosnowski

Worum geht es in dem Stück, zu dem die immerhin die angesehenen Librettisten Fritz Löhner-Beda und Alfred Grünwald die leider nicht mehr ganz so zündenden, teilweise klischeetriefenden Worte fanden? Um die Hochzeit des intriganten, eigentlich frauenverachtenden, bereits diverse Male verheirateten Grafen Zagorsky mit der viel jüngeren Jadja, Tochter der Verwalters, der Güter seines toten Bruders. Dessen aus dem Exil zurückkehrenden Sohn Boleslav ist aber Jadja eigentliche Jugendliebe. Und die bekommen sich auch, dank der tatkräftigen Unterstützung der „Wildkatze“ Suza.

Sebastian Ritschel, der Liebe und Profession für das Genre hat, inszenierte diese scheinbar oft gesehene, aber klanglich hinreißende „Polnische Hochzeit“ als feinsinnig grelle Parodie, als kunterbunt glitzernden Operettenmusikantenstadl und Mischung aus „Blauem Bock“ und „Anneliese Rothenberger gibt sich die Ehre“; wobei die ehrbare Trällerdiva für diese überdreht komische Zurichtung schon einiges eingeschmissen haben muss.

Einziger Schauplatz ist ein riesiger, sehr wandelbarer Präsentekorb mit zweiseitig geschwungenen Revuetreppen. Dort räumt erstmal wuselndes Personal aus monströs gedrechselten Folklorepüppchen mit eckigen Bewegungen zum Erntedank das Stoffgemüse weg, das wohlmöglich Offenbachs ebenfalls kürzlich wiederentdeckter „König Karotte“ hier hat liegen lassen. Später tanzt das grotesk maskierte Fernsehballett vor orangenen Wolkenstores in Einheitsnegligee und –blondperücke in den siebten Walzerhimmel, um gleich danach zum Jazzduett „Katzenaugen“ die Krallen ausfahren und die Pailletten schimmern zu lassen.

Hier ist alles in Schwung, die seltsamen Handlungshaken zwischen sentimentalem Polenblut mit Mazurka, Krakowiak und diversen heimischen Schnäpsen bis hin zur hüpfenden Offenbachiade sowie zu stylishen Modetänzen und Schlagernummern der Dreißiger klappen perfekt. Alles bleibt Ausstattung (Martin Miotk, Andy Besuch) und Augenblick. Da wird kräftig klamottiert, sehr verliebt deklamiert und umso schöner gesungen. Nichts nimmt sich ernst, selbst der Sex, wie ihn etwa die pfeffrige Domina Suza im quietschrosa Uniformrock serviert, ist nur ein flüchtiges Augenzwinkern. Dafür verpuffen die diversen Ohrwürmer längst nicht so schnell und saugen sich vergnüglich fest.

Nach der umjubelten Uraufführung der „Polnischen Hochzeit“, von der die Zeitungen in alle Welt berichteten, wurde das Werk sofort 40 mal nachgespielt. Der Aufstieg des Wunderkindes Beer fand jedoch schon ein Jahr später ein abruptes Endemit dem „Anschluss“ Österreichs an Nazi-Deutschland, Beer floh nach Frankreich. Die geplante Wiener Erstaufführung mit Richard Tauber wurde verhindert. Ebenso die französische Premiere mit Jan Kiepura und Marta Eggerth am Pariser Théâtre du Châtelet. Erst 2012 fand die österreichische Erstaufführung beim Wiener Operettensommer statt. Immerhin, schon im März gibt es in Linz die nächste „Hochzeit“-Premierenfeier. Und dann werden wieder alle in dieser mal zuckrigen, mal pikanten Partitur nicht nur „In der Heimat blüh’n die Rosen – nicht für mich den Heimatlosen” schluchzen, sondern vor allem singen und swingen: „Katzenaugen! Süße Katzenaugen, sie funkeln durch die Nacht, Katzenaugen, süße Katzenaugen, ihr habt mich toll gemacht …“

„Die polnische Hochzeit“ am 24. März, 2015 Uhr im ORF 3

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„Dalibor“ in der TV-Todesshow: die Oper Frankfurt gewinnt mit seltenem Smetana

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Wer kann schon behaupten, dass ein eigener Gefängnisturm nach ihm benannt wurde? Dem tschechischen Ritter Dalibor ist das wiederfahren, auch wenn er nicht sonderlich viel davon hatte. Ende des 15. Jahrhunderts tötete der einen ungerechten, die Bauern unterdrückenden Grafen und wurde dafür verurteilt, im neuen, später Daliborka geheißenen Wehrturm des Prager Hradschins zu schmachten. Sein Geigenspiel rührte alle draußen Vorübergegenden, dennoch wurde er schließlich geköpft. Doch später bekam er sogar noch eine Oper zu seinen Ehren. Denn der vor Nationalstolz glühende Bedrich Smetana, der zu seinem Betrübnis mit dem patriotischen Bühnenwerk „Die Brandenburger in Böhmen“ nicht hatte landen können, nur seine Komödie „Die verkaufte Braut“ war zunächst mäßig erfolgreich, wollte in seinem dritten Musiktheater-Opus, eben Dalibor“, eine Lanze für den zu Unrecht Verurteilten als nationalen Mythos brechen. Jozef Wenzig schrieb ihm auf Deutsch ein etwas ungelenkes Libretto, und Smetana, umwölkt mindestens von Beethovens „Fidelio“ und Wagners „Lohengrin“, komponierte drauflos. In einem düster grundierten, bisweilen schwergängigen Musikfluss finden sich recht unvermittelt, beinahe roh aufeinanderstoßend, böhmische Holzbläserlyrik und italienisch anmutendes Melos, aufrüttelnde Tropetenstöße, Harfenarpeggien, markige Chöre und ein seltsam weichfühliger, von seinem Geigenspiel wie von der Erinnerung an den verstorbenen Freund umschmeichelter Titelheld. Heute wird der ungefügte, ein wenig an Verdis vaterländische Freiheitsopern der Galeerenjahre erinnernde Dreiakter von 1868 außerhalb Tschechiens eher selten gespielt. 2004 dirigierte immerhin Kirill Petrenko das Stück im Theater an der Wien. Und kürzlich kam es auch in Augsburg zur Premiere; dort war Dalibor ziemlich eindeutig schwul – die schwärmerischen, aber in dieser Hinsicht meist wenig eindeutigen Freundschaftsbekundungen des 19. Jahrhunderts wohl etwas überinterpretierend. Eben kam das Werk auch an der Oper Frankfurt mit ihrem in Deutschland einzigartig variantenreichen Spielplan heraus. Hier durfte sich Dalibor ganz librettogemäß blitzverliebt von einer als Mann verkleideten Frau retten lassen, die eben noch seine Feindin war. Trotzdem finden beide am Ende den Märtyrertod.

Fotos: Monika Rittershaus

Die Regisseurin Florentine Klepper zeigt freilich gleich, sind die die ersten Fanfarenattacken des gleich in einen Protestchor übergehenden Vorspiels verklungen, zwischen verblassenden Videos von heutigen Demonstrationen eine starr stehende, doch aufbegehrende Masse: die da draußen; sie halten freilich leere Schilder und Transparente hoch. Klepper geht es nicht um das konkrete Ereignis der Revolte, sondern um das Prinzip heutiger Unterdrückung und zweifelhafter Richtersprüche in den Zeiten von Fake News und Manipulation durch die angeblich sozialen Netzwerke. Dafür wechselt sie sofort nach drinnen, in ein Fernsehstudio, das ihr Boris Kudlička in nüchtern ambivalentem Kerkergrau gebaut hat. Wir sehen – mal wieder – eine Show als virtual, aber dann doch ziemlich reale reality. Aber das funktioniert ganz gut mit dem kruden Plott, der Transzendenz und Glaubensgewissheit samt aller melodramatisch möglichen Ungereimtheiten im feinen Freiheitslied der Geige vereint. Kleppers Personenregie ist nicht sonderlich subtil, aber sie macht deutlich, was sie will.

König Vladislav, Dalibors Richter, ist ein glatter Moderator im TV-Tribunal, blondiert, im blauen Glitzeranzug. Später fährt er wie ein Gottschalk der Opernbühne in silbern rollenden Sneakers herum. Er blendet, verführt und ist doch nur hübsche, aber leere Hülle: Gordon Bintner singt ihn textdeutlich und weich, mit royalem, gar nicht auftrumpfendem Bariton. Er hetzt die gesichtslos geklonte, von Adriane Westerbarkey entsprechend klischiert ausstaffierte Masse auf, die nur verdammen oder bejubeln darf, und hier gleichwohl über Menschenleben entscheidet. Tilman Michaels Chöre vollführend das nicht nur dank der jeweiligen Tataufforderungen per Schrifttafel auch vokal ganz vorbildlich.

Fernsehgemäß anheizend sehen wir die Prozessbeteiligten schon als Liveeinspielung aus der Garderobe, bevor sie auf den heißen Stuhl müssen: die zunächst fanatische Anklägerin Milada, Schwester des toten Grafen, und den noch mit seinem Kopfhörer (als Geigenersatz) auf der Couch chillenden Angeklagten Dalibor. Izabela Matuła macht mit gut fokussiertem, in den dramatischen Spitzentönen leuchtendem Sopran allerbesten Eindruck, und auch Aleš Briscein fügt sich mit seinem weißen, manchmal etwas stemmenden, trotzdem verletzlichen Tenor gut in das Persönlichkeitsbild dieses gebrochenen Helden. Nur etwas merkwürdig, dass der Tscheche hier die aus der tschechischen Rückübersetzung neuerlich ins Deutsche überführte, auch schon etwas bejahrte Reim-dich-oder-ich fress-dich-Übertragung Kurt Honolkas singen muss. Warum dann nicht gleich den original holzigen Wenzig?

Gleich zu Anfang hat als Dalibors auch vor nackten, mit Lippenstiftparolen verzierten Femen-Brüsten nicht zurückschreckende Aktivisten-Ziehtochter Jitka die sopranzarte, verletzliche Angela Vallone aufhorchen lassen. Auch sie wird am Ende samt ihrer autonomen Mitstreiter von der Obrigkeit niedergemäht, nachdem sie die Gefängnistore aufgesprengt hat.

Welche Obrigkeit regiert eigentlich hier? Offenbar die Mehrheit der TV-Masse, manipuliert als Produzent im Hintergrund vom wie seine brutalen Hilfstruppen knallgelb gekleideten, ziemlich schmierigen Kanzler Budivoj (Simon Bailey macht das angemessen brunnenvergifterisch böse). Der wiederum hat als Handlanger fürs Schmutzige den Kerkermeister Beneš (Thomas Faulkner, jovial tönend und bonhommig wie der „Vater“ Rocco mit ausgestopftem Kissenbauch). Als dieser trotzdem den Gefangenen entkommen lässt, wird er rücksichtslos entsorgt und zum Schweigen gebracht.

Florentine Klepper findet für diese ominösen Mechanismen einfache, aber einprägsame Bilder, stimmungsvoll ausgeleuchtet von Jan Hartmann. Besonders im zweiten Akt, wenn der verurteilte Dalibor gleich im Fernsehkerker festgesetzt wird, umstellt von wie anonyme Augen auf ihn gerichteten Kameras, mit seinen Gefühlen und Impulsen überwacht von Monitoren und Diagrammen. Dennoch dringt Milada hier ein, bringt ihm den Kopfhörer, offeriert sich selbst, weil sie sich in den eben noch Gehassten, jetzt Bewunderten verliebt hat. Ihm geht es ebenso. Diesen absurden, aber eben auch sehr opernhaften Moment verwandelt Klepper sehr sinnfällig in ein Duett der Transzendenz. Ähnlich wie in Beethovens Kerker sind hier zwei Menschen jeglicher Realität enthoben, zelebrieren eine Utopie ihrer Emotion in sich herrlich immer mehr nach oben schraubender Duettmelodik.

Umso härter dann der fatale, heillose Schluss. Auch vom leise, aber nachdrücklich und umsichtig musikalisch durch den Abend führenden Stefan Soltesz so knapp wie lakonisch gestaltet. Das Opern- und Museumsorchester findet erdige, auch kompakte Töne, fanfarenfatalistisch, immer wieder von vogelhaft sanfter Lyrik überstrahlt.

Kein wirklich bedeutendes, aber ein hochinteressantes Werk, dieser „Dalibor“ als Ritter von der antiheroischen, besonders traurigen Gestalt. Aber damit von Seltenheitswert im heilsgläubigen 19. Jahrhundert (weist darauf das Signet „Studio 19“ hin?). Schön, dass sich die Oper Frankfurt mit all ihren könnerischen Kräften auf diese so andere Smetana-Facette eingelassen hat.

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„Elias“ ist unser: Calixto Bieito und Christian Gerhaher finden im Theater an der Wien zu Mendelssohn

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Halleluja! Wien hat endlich seinen ersten Calixto Bieito. Und noch dazu im Theater an der Wien ein Original und nicht eine uralte, durch ganz Europa getingelte und längst auch auf DVD abrufbare Produktion wie die „Carmen“ in der Telefonzelle und mit dem Sherry-Stier, welche nach dem Willen des neuen Staatsopern-Granden Bogdan Roscic in einem Jahr die folkloristische Zeffirelli-Inszenierung ersetzen soll. Der ehemalige katalanische Jesuiten-Schüler gab sich jetzt freilich vergleichsweise harmlos, wenig bildgewaltig, aber konzentriert und intensiv Personen-, vor allem Chorregie führend in einer Visualisierung von Felix Mendelssohns romantisch volltönendem, durchaus theatralischem Oratorium „Elias“. Und auch im Graben zirpte weder ein Alte-Musik-Formation noch lasierte ein romantisches Orchester in Nazarenerfarben. Das ORF Radio-Symphonieorchester unter dem kraftvoll-energetischen Jukka-Pekka Saraste begleitete spannungssatt eine starke Bibelgeschichte. Und selbst in einer zunehmend und allumfassend profanisierten Zeit war man gerührt von dieser atavistisch anmutenden Stärke des Glaubens, des Zweifels, der Wut und der Freude. So wie sie der präsente, spielfreudige, plastisch singende Arnold Schoenberg Chor unter Erwin Ortner als vielköpfige Hauptperson in den Raum stellt – aber vor allem auch als skeptische Stimme des Herren der fantastische Bariton Christian Gerhaher.

Fotos: Werner Kmetitsch

Der stapft im Halbdunkel, im Theater ist es eben noch hell, auf der Bühne noch nicht richtig, an die Rampe und schreit in schönst gefasstem Gesang erst einmal seinen Unmut in den Raum: „So wahr der Herr, der Gott Israels lebet, vor dem ich stehe: Es solle diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ Hochfahrend stolze, sendungsbewusste Worte, hat doch König Ahab sich kürzlich samt Mann, Frau, Kind und Maus dem Baal-Kult zugewandt. Und der Prophet Elias hält dagegen. Diesmal ist er ein schroffer, kämpferischer Mann, eine Mischung aus Hausmeister und Glaubenskrieger, Indiana Jones und Stammtischbruder, Ingo Krügler hat ihn mit orangekariertem Hemd, Cargo Pants und Working Boots wie einen Trecking Tippelbruder ausstaffiert.

Und nüchtern ist auch die Szenerie. Über Boden, Hintergrund und Decke lässt Rebecca Ringst Mettallgitter-Paneele laufen: ein Industrie-Setting, käfigartig, neutral. Am Ende trennt auch noch eine Gitterwand das Kollektiv von seinem selten geliebten Führer. Gleich am Anfang wird ein übergroßes Kirchenmodell aus Pappe nebelumwabert hereingeschoben. Und kurze Zeit später von den vom wahren Glauben abgefallenen Israeliten geschändet und zerfetzt. Die Pappteile liegen noch lange am Boden herum, werden immer weiter klein gerissen, zu Keilen geknautscht, gesammelt und weggetragen.

Eine Atmosphäre des Pathos, aber auch der Aggression herrscht hier. Als mürrischer Guru schafft Elias an, und verzweifelt dann wieder an seiner renitenten, wendischen Masse. Ihm steht zwar ein strenger, Hosenanzug tragender, am Ende flügelloser Engel bei (Kai Rüütel sing ihn mit klarer Sopranlinie), aber selbst die weiteren himmlischen Stimmen, die Mendelssohn zum Quartett und Terzett bündelt, das sind hier eine Verrückte (Seraph nennt der Besetzungszettel Carolina Lippo) und eine Schwangere (Die Wartende, Anna Marshina). Die Königin (Ann-Beth Solvagh) wütet wenig royal, hetzt auf, den Elias zu töten.

Die Witwe, in der fein lasierten Vokalgestalt von Maria Bengtsson, darf wahrlich seraphisch ihr „Höre, Israel“ ertönen lassen, sonst ist auch sie eher eine Zweifelnde, Abwartende. Im Vordergrund agieren zudem Obadjah mit seinem Hoodie (kraftvoller Tenor: Maximilian Schmitt) und Ahab im Kamelhaarmantel (Michael J. Scott); weitere episodische Männer sind „Der Verlorene“, „Der Suchende“, „Der Bittende“ geheißen. Sie geben Elias Widerpart oder stützen ihn. Zum Finale, eigentlich sollte er jetzt in seinem Flammenwagen zu Gott auffahren, übergießt ihn Obadjah mit Benzin, alle nehmen Abstand, er spielt mit einem Feuerzeug, klappt es letztlich aber doch zu. Himmelfahrt vertagt, Selbsttötung verschoben?

Calixto Bieito mag keine letzten Weisheiten deuten, will nicht schlauer und auch nicht gegen Mendelssohn sein. Ihm geht es ganz reduziert um die Kraftverhältnisse zwischen wenig charismatischem Heilsbringer und wankelmütiger Masse, so wie sie auch die Musik thematisiert. Deshalb heizt auch Jukka-Pekka Saraste meist an, steht unter Dauerspannung, wirklich ruhige Momente gib es in diesem „Elias“ eigentlich auch in den kontemplativen Momenten nicht. Immerzu ist der Chor in Bewegung, rennt wie um die Altöttinger Gnadenkapelle im Kreis, wirft freudig Arme und Mäntel in die Luft als es endlich und auch wirklich feucht regnet. Im zweiten Teil sieht man immer wieder den starren Kopf des Propheten und sein Symboltier, den Raben, in Zeitlupe als Videos über weiße Flächen ziehen; die Pannele schwanken, senken sich, leuchten. Das hat nicht selten die Anmutung eines geistlichen Laienspiels, auch durch die düsteren Seventies-Gewandungen, die vielen Trenchcoats. Es gewinnt aber immer wieder aus seiner Reduktion Intensität. Was ist hier gespielt, was aufgeführt, was empfunden? Auch Fragen, die ein solches Thema an eine weitgehend areligiöse Zuschauerschaft sehr deutlich stellt.

Zusammengehalten wird dieser Abend aber durch die Zentralgestalt, die keine sein will und durch den grandiosen Gerhaher doch eine ist. Der hat längst eine ganz wunderbare Bühnengelassenheit, saugt aller Aufmerksamkeit auch durch sein nur Dastehen auf, singt mit Liedinbrunst, Opernäußerlichkeit und Oratorienvehemenz. Herrlich in seinen Nuancierung du seiner unmittelbar betroffen machenden Direktheit. Wo Bieito klug skizziert, andeutet, da malt Gerharher derb oder zart, renitent oder gelassen aus, oft auch nur sehr verloren. Ein Gotteskrieger ohne Gegenüber. Alttestamentarisch und verloren im Heute. Heillos.

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Wenn biblische Söhne tanzen: Marc Blitzsteins Ballett „Cain“ wurde 89 Jahre nach seiner Entstehung im Linzer Brucknerhaus uraufgeführt

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Linz ist zwar Provinz, und gegenwärtig wogte da nicht nur die Donau, sondern auch die Welle der Kulturpolitik, weil die Stadt aus der Finanzierung des vor einigen Jahren neu erbauten Landestheaters aussteigen wollte – um das Geld dann freilich in andere, bisher vom Land bezahlte Projekte zu stecken. Eine etwas abrupte Umschichtung,  die deshalb für viel Aufregung sorgte. Aber am seit dieser Saison von dem Tenor Dietmar Kerschbaum geleiteten Brucknerhaus (wo das ebenfalls betroffenen Bruckner Orchester als Residenzklangkörper residiert) gibt man sich ungebrochen programmatisch ambitioniert. Nicht einfach, bei einem beschränkten Etat und nur 200.000 Einwohnern. Trotzdem, bevor das Große Abonnement als nächstes Busonis Klavierkonzert serviert bekommt (freilich mit dem grandiosen Marc-André Hamelin als versiertem Solisten) wurde im gut gefüllten, beim Beifall etwas zurückhaltend regierenden Saal das extra für dieses Konzert aus Leipzig angereiste MDR-Sinfonieorchester präsentiert. Das spielte, ebenfalls nur in Linz, eine sehr besondere, vom Programmchef Jan David Schmitz um einen Zufallsfund herumgruppierte Combo. Ein Trio tanzend verlorener Söhne aus dem Alten Testament, sprich: drei Ballette vom Anfang des 20. Jahrhunderts, deren Hauptfiguren biblischen Gleichnissen entlehnt waren. Neben dem sinfonischen Fragment aus Richard Strauss’ „Josephs Legende“ und Sergej Prokofiews „Der verlorene Sohn“-Suite gab es nach der Pause sogar die Uraufführung eines weiteren Heilige-Schrift-Klassikers: „Cain“ von Marc Blitzstein über den ersten Menschheitsmord, den der Amerikaner in Paris leider nur für die Schublade komponiert hat. Eugene Tzigane dirigierte kompetent und farbschillernd.

Eigentlich wollte kein Geringerer als George Balanchine 1931/32 den rhythmisch vielgestaltigen Halbstünder choreografieren, der freilich etwas floskelhaft kurzatmig daher kommt, vor allem im ersten Teil zu wenig spezifische Handlungsatmosphäre aufweist. Leopold Stokowski sollte dirigieren, Marc Chagall den Mord an Abel, diesmal noch im Paradies und als Grund der Vertreibung ausstatten. Es sollte nicht sein, die schillernde Partitur wurde vergessen. Der 1905 geborene Blitzstein, schwul, links, eng mit Leonard Bernstein wie Kurt Weill befreundet und Bearbeiter der „Three Penny Opera“, Schöpfer der Politshow „The Cradle will Rock“ wie der Broadway-Opera „Regina“ nach dem Erfolgsdrama „Little Foxes“, war ohne Auftrag auf einem Europatrip zu dem geistlich-weltlichen Tanzwerk durch Balanchines „L’enfant prodigue“ inspiriert worden. Das war 1929 in der erdfarbenen, grobstricheligen Ausstattung von Georges Rouault die finale Uraufführung der Ballets Russes zu Lebzeiten Diaghilevs.

Die letzte Premiere dieser berühmten Balletttruppe vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs war hingegen Ende Mai 1914 als ebenfalls finales international gesellschaftliches Kulturereignis einer untergehenden Epoche die Uraufführung von Richard Strauss’ „Josephs Legende“  – in der Chorografie von Michail Fokine, ausgestattet von José Maria Sert und Leon Bakst, getanzt von Ida Rubinstein und dem jungen Leonide Massine. Man hört den ganz Plüsch, die Verschwendung einer am Abgrund tanzenden Schicht, den Glitzer, die ziellose Sehnsucht in dieser schülstig-süffigen, exotisch üppigen, auch galant kitschigen, orgelumschwallten Musik. Das sinfonische Fragment, das die Hälfte der einstündigen Partitur umfasst, klang im Brucknerhaus klar und durchsichtig, eher abgeklärt. Eugene Zigane und die MDR-Musiker blieben betont nüchtern, die Himbeersauce fließt trotzdem. Umso stärker dann der Kontrast zum rhythmisch betonten, aber elegant-kühlen, schlanken, auch klanglich erdigen Prokofiew, als 20-minütige Suite ebenfalls die Hälfte des Balletts darbietend.

Vom 1930 komponierten „Cain“ wusste hingegen nicht einmal mehr die Weill Foundation als Rechteinhaber. Jan David Schmitz machte die Partitur ausfindig, von der freilich erst die 1000 Takte für 43 Orchesterstimmen neu geschrieben werden mussten. Blitzstein hatte an nichts gespart, aber trotzdem eine (Über-)Fülle von Handlungselemente in knapp 35 Minuten Dauer gepackt. Im ersten Teil werden die Figuren vorgestellt und charakterisiert, es folgen die Opfer, wobei (heute politisch gar nicht mehr korrekt) ausgerechnet der Vegetarier Kain mit seinen Früchte- und Gemüsegaben von Gott abgelehnt wird. Darauf ereignet sich der Totschlag und schließlich eine Auseinandersetzung mit dem Propheten Jehova. Der tanzt nicht, sondern ist nur als blecherne Baritonstimme aus dem Lautsprecher präsent. Adrian Eröd entledigte sich diesen stummfilmhaft anmutenden Theatertricks mit deutlicher Diktion.

Im zweiten Teil geht es dann in einem Zwischenspiel in die vom vertriebenen Kain gegründete Stadt Henoch, benannt nach seinem Sohn. Der Brudermörder also ist der eigentliche Begründer des Menschengeschlechts, alle tragen wir das Kainsmal. Bevor dieses im Finale bei einem zweiten Auftritt Jehova über der Leiche Kains verkündet, schlängelt sich aber Noema (wie bei Strauss die Sklavin Sulamith) bei einem raffiniert instrumentierten, mit viel Chromatik, wie überhaupt das ganze Werk unterfütterten Fest. Das Ballett braucht halt auch Schauwerte. Und versteckten Witz, denn dieses Odaliskensolo zitiert ausgerechnet „Brüderlein, komm tanz’ mit mir“ aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“ in der Klarinette. In Zwanzigerjahre-Sachlichkeit spult sich das insgesamt ab, Blitzsteins Ausbildung bei Alexander Siloti, Nadia Boulanger und Arnold Schönberg hatte sich also schon bei dem knapp 25-Jährigen bezahlt gemacht. Und zu einem reizvollen Werk, geführt, das – 89 Jahre nach seiner Entstehung – die fruchtvoll stilpluralistische Partnerschaft des Balletts mit der modernen Musik in dieer Ära einmal mehr unterstreicht.

Der Beitrag Wenn biblische Söhne tanzen: Marc Blitzsteins Ballett „Cain“ wurde 89 Jahre nach seiner Entstehung im Linzer Brucknerhaus uraufgeführt erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

Fantastische Endspiel-Vier und Golden Girls: das 4. Amsterdamer Opera Foreward Festival zeigt nicht nur Neues von Kurtág und Adams

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Im letzten November, da bekam der Klassikbetrieb, Abteilung Zeitgenössisches Schnappatmung. Da wurde in der dafür nie vorgesehenen Mailänder Scala die erste und einzige Oper des 92-jährigen György Kurtág uraufgeführt. Ja, dieser stille Ungar, für viele in der Branche der letzte Säulenheilige der Tonsetzer, vom großen Publikum kaum wahrgenommen, weil er meist Miniaturen schreibt, sich nur drei Orchesterstücke hat abringen lassen, hatte es wahrgemacht: Er hatte „Fin de Partie“, Wort für Wort und Schattierung für Schattierung, und damit etwa 60 Prozent von Samuel Becketts einst berühmtem Drama in der französischen Originalfassung vertont. Die fassungslosen Jünger hatten darauf, je nach Verzückungsgrad, zwischen 10 bis 30 Jahre gewartet. Nun aber sitzt man beim Koproduzenten Dutch National Opera anlässlich von deren hochlöblichem Opera Forward Festival im ungleich besser geeigneten, weil intimeren Theater am Watterloo Plein und hört dem ebenfalls viel souveräner mit dieser ausgedörrten, floskelhaften, tiefgestimmten, kaum die Streicher nutzenden, trotzdem zwei Stunden langen Kammermusik-Partitur für 70 Musiker zurechtkommenden Radio Filharmonisch Orchest zu. Wieder steht Markus Stenz am Pult. Da sonst nicht viel passiert, kann man ihm ungestört zusehen, wie genau er schlägt, wie souverän er die lediglich im orchestralen Nachspiel als Gesamtklangkörper geforderten Instrumentalisten führt. Hier tönt das Cymbal, dort das Saxophon, Klavier, zwei Akkordeons, Schellen, die Tuba. Man hat viel Zeit, ganz entspannt darüber nachzudenken, warum ein ziemlich abgenudeltes Stück mit vier Alten, von denen zwei in Tonnen sitzen, einer im Rollstuhl schimpft und einer buckelnd humpelt, vielleicht doch keine so gute Opernvorlage ist. Aber will man das Görgy Kurtág vorwerfen, der ja sowieso noch nie von dieser Welt war?

Passenderweise kam der also am Ende seines Lebens mit einem Spiel vom Ende der Zeit. Einem Spiel. In der Endlosschleife. So wie der Autor sein Stück nie postweltkriegskonkret oder atomschlagsfinal deuten lassen wollte, so positioniert sich auch diese wahrhaft altmeisterliche Uraufführungsinszenierung von Pierre Audi: als Theater. Als Zimmerschlacht. Als schnell monotones Parlando-Wortgefecht mit oft gestisch überkonkret Mickey Mousing machender Musik. Und als sonst gar nichts. Die fantastischen „Endspiel“-Vier haben wieder mal einen großen Auftritt gehabt. Es könnten, der Look stimmt zumindest, dieselben sein wie bei der Uraufführung 1957. Der Zuschauer kann sich dabei ebenso bequem verstörungslos für elegant servierte Beckett-Stunden einrichten wie Hamm mit Hauskappe und dunkler Brille samt gemusterter Decke und blutigem Kopftuch in seinem Rollstuhl und dem weißes Hemd und graue Hosen tragenden Clov.

Fotos: Ruth Walz

Die beiden sind wie ein unwirsches altes Ehepaar, weniger wie Herr und Diener; Liebende vielleicht? Viel Interaktion findet freilich nicht statt. Die Musik verlangsamt alles, außerdem hat Kurtág nicht verknappt, sondern 14 Szenen ausgeschnitten. Die jetzt als wie durch Schwarzblenden voneinander getrennte fünf Vignetten mit bröseliger Musik dastehen. Teil Zwei ist Nagg und Nell, den beiden beinlosen, ebenfalls gespensterweiß geschminkte Eltern von Ham in ihren Tonnen vorbehalten, Drei und Vier gehören dem bramarbasierenden Ham, eine Rolle, die angeblich 20 Prozent länger ist als selbst Wagners Gurnemanz; in Teil Fünf gewinnt dann auch endlich Clov ein wenig Kontur.

Das alles ereignet sich vor einer wie abgefackelt wirkenden, schmucklosen Hütte von Christof Hetzer, die wie eine Russenpuppe noch zwei halb aufgeschnittene, größere Außenhüllen hat, um bühnenmäßig wenigstens irgendetwas herzumachen, die sich zudem insgesamt ein dreiviertel Mal um die eigene Achse dreht und von Urs Schönebaum wunderbar plastisch wie schattenschlagend in Grau und Weiß ausgeleuchtet wurde. Piere Audi lässt in seiner völlig werkgetreuen, dienenden, dabei das wenige Geschehen geschickt an die Rampe gerückten Inszenierung Titane und Tiger der Rampe los, die freilich ziemlich zahnlos geworden sind. Audi ist ein guter Raubtierbändiger. Bei ihm kuschen und schnurren sie, bleiben diszipliniert, ohne Arien-Ausbrüche und Primadonnen-Manierismen.

Eine famose Männerwirtschaft. Der Bass Frode Olsen ist ein nimmermüd vokalisierender, greinender Hamm, ein Großtyrann mit meist domestizierter Stimme. Müde, aber bestimmt. Der kann auch schreien und zetern. Meist bekommt er aber auch so, was er will. So viel gesehen und erlebt, jetzt Ruhe. Wenn ihn nicht Clov auf Trapp halten würde. Der Bariton Leigh Melrose gefällt sich in eingeübten Ritualen, kommt trotzdem ins Schwitzen. Die Stimme wird gellend, kippelt und kehrt doch wieder zurück in den Wohlfühlbereich. Wozu sich aufregen? Er redet stets vom Fliehen und wird es doch nie tun.

Aus den Fässern tauchen Nell (Hillary Summers) und Nagg (der fast belcantistische italienische Tenor Leonardo Cortellazzi) als bleichgesichtige Klappmaulpuppen auf. Natürlich sind das auch Kurtág und seine Frau Márta: Philemon und Baucis als Komponistenadel, liebevoll sich kabbelnd, so etwas wie Gesangslinien entwickelnd. Die schönste Szene, die man gern mal isoliert als Senioren-Suite hören würde.

Insgesamt aber bleibt das alles statisch, harmlos, dramatisch unergiebig. Ein Schwanengesang der gefasst müden, dabei sehr genau ziselierten Art. Expressive Aphorismen. Kurtág und  Audi haben wieder mal auf den Knopf gedrückt. Das Quartett hat sich bewegt, miteinander gesprochen. Nach absolvierter Vorstellung geht es zurück ins Magazin. Dieses „Fin de Partie“ ist freilich keineswegs das Ende der Oper oder gar der Abschluss der Nachkriegsmusikordnung. Dafür ist diese Sammlung von Szenen und Monologen viel zu fein und zu klein. Er ist höchstens eine Ehrenrunde für Beckett und Kurtág, der alterslosen Klassizisten, der Großen von Gestern.

Doch bei diesem Opera Forward Festival, wo das Amsterdamer Stagione-Haus geschickt Koproduziertes weltbekannter Komponisten mit von anderswo Eingeladenem mischt, von den fünf Novitäten eine hier uraufführt, wird eines deutlich: Das ist inzwischen mit seinen ästhetisch sehr divergenten Ansätzen das wichtigste Festival für Neues Musiktheater weltweit. Die längst bedeutungslos zusammengeschnurrte Münchner Biennale für Neues Musiktheater ist dagegen eine sich in Happenings verläppernde Insider-Veranstaltung, die eigentlich schon tot ist, es nur offensichtlich nicht merkt. In Amsterdam bekommt ein breites, normales, aber interessiertes Opernpublikum hingegen eine Starfantasie über „Caruso a Cuba“ von Micha Hamel geboten, eine Fiktion über den sich in seine „Aida“-Partnerin verliebenden legendären Tenor auf der revolutionsgeschüttelten Karibikinsel, von Johannes Erath auf einer Schellackschallplatte als Spielfläche inszeniert. Von der Ruhrtriennale kommt die performative Installation „Homo instrumentalis“ mit Musik von Aperghis, Kyriakides und Nono und aus Irland die filmisch-theatralische Novität „Second Violinist“, die einmal mehr, mit einem Libretto von Enda Walsh, komponiert von Donnacha Dennehy Werk und Wirken Carlo Gesulados umkreist.

Ein altes Beckett-Stück, ein alter Tenor, ein alter Komponist, ältere Moderne, auch nicht unbedingt, das was die Menschen von heute umtreibt, die vor allem auch an den Jugendlichen vorbehaltenen Off Days des Festival angesprochen werden sollen. Und auch die zweite großmächtige Novität des Festival wirkt eher ein wenig gestrig. Trotzdem überzeugt die Konsequenz und der Aufwand, der Oper eine Zukunft zu geben.

Fotos: Corey Weaver

John Adams und sein bewährter, ebenfalls in Amsterdam gern gesehener Librettist und Regisseur Peter Sellars haben ein Stück über den kalifornischen Goldrausch fabriziert: „Girls of the Golden West“. Weil Adams seine Heimatgeschichte liebt und dort in der Gegend ein Landhäuschen hat. Und weil Sellars Puccinis „La Finaculla del West“ mag. Außerdem fragen sie sich, welchen besseren Weg könnte man in Amerika inmitten des gegenwärtigen moralischen Verfalls feiern? Was gibt es wichtigeres als ein Aufruf für das Streben nach Unabhängigkeit, Menschenwürde und die Chance auf tatsächliche Freiheit? Bei der Uraufführung in San Francisco im Herbst 2017 kam das freilich nicht so sonderlich an.

Die Geschichte der gar nicht goldenen, sehr schnell desillusionierten Girls ist das Ergebnis einer Textmixtur, die von Briefen einer vor Ort ausharrenden Dame Shirley, alias Louise Clapp, über zeitgenössisch Dokumentarisches bis zu Mark Twains „Roughing It“ reicht. Im Jahr 1849 gehörte Kalifornien übrigens noch zu Mexiko, die Cowboys und Schürfer sind diesmal hier die Emigranten. Es war eine Zeit, in der mutige Frauen Freiheit wollten und nicht selten untergepflügt wurden. Es war eine Zeit, in der Gier, Gewalt und Heuchelei herrschte. Und offen aufflackernder Rassismus.

Grant Gershon leitet wie schon in San Francisco diesmal das 67-köpfige Rotterdams Philharmonisch Orchest mit Energie, Souveränität und Inbrunst. Holzblöcke und Glocken, volles und reiches Blech wechseln in einer breiten Palette von Rhythmen und Synkopen. Adams pflegt weiter seine etwas ausgelaugten Minimalismus-Konzepte, im ausufernd faden ersten Akt zünden die kaum. Im zweiten, wenn die Individualitäten dieser insgesamt wenig sympathischen, sich kaum erklärenden Figuren klarer werden, geht man mehr mit. Der große Männerchor skandiert, brütet dumpf Hymnen, wirkt sehr pauschal geführt, aber eindrücklich auftrumpfend.

Die beiden Akte mit jeweils fünf Szenen beschreiben die Geschichte des Goldrauschs anhand dreier Frauenschicksale in der Mine, der Spielhalle, der Bar, den Wäldern und Bergen sowie dem Schlafzimmer. Sellars und sein Bühnenbildner David Gropman verfremden das zwischen Baumstämmen und vor einem schlammfarbenen Vorhang brechtisch-episch, ebenso der Librettist. Viele wird in der dritten Person kundgetan. Während metallisch die Hämmer im Orchester tönen, deutet ein goldener Bühnenrahmen das Bergwerk an, der von Bühnenarbeitern sichtbar hereingeschobene Salon hat zeituntypische Neonwerbesprüche. Ein Kutschfahrt ereignet sich vor eine Drehkulisse mit alten Landschaftsstichen. Selbst ein ausgestopfter Maulesel wird mal durchs Bild geschoben

Die Chinesin Ah Sing (sopranhell und gewandt: Hye Jung Lee) wurde von ihrer Mutter für sieben Dollar als Nutte verkauft und ist inzwischen 700 Dollar wert. Wir erleben das erste Rendezvous der Mexikanerin Josefa (schnippisch und stark: J’Nai Bridges) mit dem Barkeeper Ramon (der virile Bariton Eliot Madore) und Dame Shirleys (die pastos weichstimmige, aber auch strenge Julia Bullock) eingefahrene Beziehung zu ihrem stummen Ehemann, einem Arzt. Lieber ist sie mit gutaussehenden Liebhaber Ned Peters (Davóne Tines), einem entlaufenen Sklaven, unterwegs und schwingt sich immer wieder, als käme sie direkt aus Thornton Wilders „Our Town“ zur Chronistin auf.

Doch es braucht lange, bis dieser schwerfällige Dreistünder Fahrt aufnimmt, man sich für diese Schicksale zu interessieren beginnt. Was man im Filmwestern seltener sieht, hier aber dazugehört: die Aufführung von Shakespeares „Macbeth“ als schrille Star & Stripes-Party des 4. Juli auf einem abgesägten Mamutbaumstamm. Allerdings kommt hierbei in flüsternder Erzählung auch die dunkle Seite der „honorable Americans“ ans Licht. Hetzjagden auf Mexikaner, Chilenen, Peruaner, Chinesen. Die Indianer bleiben freilich ausgespart….

Am Ende geht die Vergewaltigung Josefas durch den plötzlich extrem negativ gezeichneten Minenarbeiter Joe Cannon (feurig: Paul Appleby) samt deren tödliche Verteidigung mit dem Messer plötzlich sehr schnell, ebenso die von seinem Freund Clarance (Ryan McKinny) angeführte Jagd auf sie, samt Lynchjustiz durch (angedeutetes) Hängen. Musikalisch kommt das überraschungslos tonal daher, nur selten müssen sich die ausnahmslos starken, präsenten Sänger aus ihrer Komfortzone locken lassen.

Was ist der Mensch wert im Goldrausch, wie stark ist der Einzelne, wenn er nicht nur der Natur, sondern auch seinen Mitmenschen ausgeliefert ist? Jetzt schwingen Sellars und Adams dann doch allzu sehr die Moralkeule. Natürlich ist das heutige Amerika gemeint, in dem sich wenig geändert hat. Aber diese im Vergleich zu seinem übrigen Werk doch musikalisch und dramaturgisch schwache Adams-Oper wird bei dem sowieso schon Gutmeinenden kaum aufrütteln können.

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Keep Cooool, Kirill – und lasst bitte die Petrenko-Kirche im Philharmoniker-Dorf

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„Man sehnt es geradezu herbei.“ „Hingabe und Herzblut“. „Überwältigende Freude“. „Eiserne Konsequenz“. „Hexenkessel“. „Innerer Überdruck“. „Atemberaubend“. „Naturereignis“. „Dieser Abend ist ein einziges kollektives ,Ja, ich will’.“ „Lärmendes Glückwollen.“ „Teufelsaustreibung.“ „Man kugelt sich vor Aussichtsfreude“. „Eine Stadt hat ihr Orchester wieder.“

Geht’s noch? Das hier hysterisch bejapste Weltereignis: Ein Berliner Chefdirigent in Spe hat sein philharmonisches Orchester letztmalig vor Amtsantritt dirigiert. Bei einem seiner extrem rar gesäten, künstlich verknappten Auftritte. Er hatte Schönbergs Violinkonzert und Tschaikowskys 5. Sinfonie auf dem Programm. Nicht mehr nicht weniger, clever gemixt, gut, ja sehr gut gespielt. Das gelingt anderen mit diesem Repertoire auch. Freilich beim Zwölftöner der exzentrischen Solistin Patricia Kopatchinskaja volle Freiheit lassend, apart in dieser Mischung aus eigener Kontrolle und Laissez-faire der intelligenten, gern auch über Ziel vibratosatt hinausschießenden Solistin. Lebendige Musik eben, erfrischend und neugierig interpretiert.

Der Tschaikowsky kam aber doch arg am Gängelband daher, strickt geführt bis in die feinsten, lustvoll ausgekosteten Temporückungen. Man wähnte sich ein wenig wie bei einer besonders raffinierten S/M-Bondage-Tortur. Wieviel Zuziehen geht bei vollstem Überdruck? Ein dunkler, dräuender, schicksalsschwerer, eben doch pathetischer, nicht nur dramatischer  Russe war das. Zwar auch mit hellen Momenten, aber mir zu fett, zu überdehnt kontrastiv, und damit doch wieder in die längst verlorengeglaubte Kitschnähe des schwulen Weichlings gerückt. Brillant gespielt, aber auch arg selbstgefällig gerade im knallig dahinjagenden Finale als brutale, aber glanzvolle Virtuosendemonstration zelebriert.  Und damit – altmodisch.

Fotos: Berliner Philharmoniker

Wie gesagt, ein Konzertprogramm, nichts weiter. Keine Herausforderung, einfach nur normale Arbeit am Komponisten. Eine Etappe. Kein Hochamt. Doch eine ihrer verlorenen Bedeutung hinterherjagende Musikkritik kriegt sich darüber nicht mehr ein, macht aus Kirill Petrenko am Pult der Berliner Philharmoniker, ja um den geht es, den Heiland schlechthin! Und verteufelt allen Ernstes bereits jetzt Simon Rattle, dem sie vorher noch ähnlich albern zugejubelt hat, macht ihn klein, und den aktuellen Nachschöpfer zum angehimmelten Gott. Offenbar wird das immer noch so gebraucht. Ein Ersatz-Christus muss sein.

„Vorbei die kleinteiligen Programme, die es unter Sir Simon Rattle so oft gab, vorbei die ausgeklügelten Konzertkonstruktionen mit Neuer Musik, die man zum Munde des Berliner Publikums führte wie den Breilöffel zum Kleinkind…jetzt geht es zurück auf den Kontinent, zurück zum sogenannten Kernrepertoire.“ Das richtet sich selbst.

Und was ist die Alternative? Adorantentum bis zur Selbstaufgabe? Harfengeklimper auf der Scala der Superlative? Ein wenig mehr Nüchternheit, bitte. Wenigstens dafür ist doch Berlin bekannt. Wie soll das enden, wenn es nach einer Zeit der kontinuierlichen Arbeit zwischen Petrenko und dem Berliner Philharmonikern wirklich gut wird? Schmeißen wir uns dann vor lauter irr gewordener Verzücktheit vom Dachfrist am Karajanplatz? Der Dirigentengott behüte.

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Nicht besser: Jörg Widmanns und Peter Sloterdijks wenig bearbeitete „Babylon“-Neufassung an der Berliner Staatsoper

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Das Libretto, der Operntext, ist ja auch wortwörtlich nur ein despektierliches „Büchlein“. Zwar wurde in mehr als 400 Jahren Operngeschichte viel gestritten, ob nun das Wort oder die Musik auf der Szene den Vorrang habe, aber meist hat man sich für „prima la musica, dopo le parole“ entschieden. So auch Mozart: „Die Poesie muß schlechterdings der Musick gehorsame Tochter“ sein. Ein Philosoph aber als Librettist? Da fällt einem nur Massimo Caccari ein, immerhin auch 15 Jahre lang Bürgermeister Venedigs, der für Luigi Nonos „Prometeo“ den kryptischen Text kompilierte. Das nannte sich im Untertitel „Tragödie des Hörens“. Ähnlich ambitioniert trat 2012 der Salonphilosoph Peter Sloterdijk als Musiktheatertextdichter an: „Oper in sieben Bildern“ nannte sich schlicht, was dann doch das ganz große Weltdenkgebäude verheißt: „Babylon“. Ort der Welturaufführung war die Bayerische Staatsoper, wo man noch nie für das Kleine, gar Schlichte zu haben war.Darum kam zum hochberühmten Erstlingsdichter ein zumindest in Neue-Musik-Kreisen ebenso bekannten Tonsetzer dazu: der Münchner Jörg Widmann (45), wunderbarer Klarinettist und Professor, eloquenter wie versatiler Composer in Residence zum Anfassen bei jedem nur denkbar bedeutenden Festival, nach Henze und Rihm und neben Matthias Pintscher inzwischen der für den Betrieb wichtigste Deutsche. In München war „Babylon“ ein famoser Flopp. Doch die beiden brachten jetzt eine revidierte Neufassung ihres schwergängigen Dreistünders an der Berliner Lindenoper als neuerliche „Uraufführung“ hinaus. Besser ist es freilich nicht geworden.

Fotos: Arno Declair

Immerhin, der versatile Widmann hat in den letzten sieben Jahren aus dem Notengebirge eine sehr eingängige, oft nach Filmmusik klingende Suite destilliert. Daniel Barenboim, der die Premiere infolge einer Staroperation zurückgeben musste und nur aus der rechten Seitenloge beobachtete, hat die kürzlich mit der Staatskapelle dirigiert. Und im Konzert erwies sich die mit Gewalt eklektizistische Musik des sonst so hochmögenden Widmann als noch dünnblütiger denn in der Oper. Zweifelhafter Höhepunkt hier wie dort ist der ranschmeißerisch ein wenig dissonant verfremdete Bayerische Defiliermarsch, den er für ein weiteres Bayerisches Staatsorchester noch einmal als Zugabenstückerl zum Babylonisch-Bamberger Marsch umlabelte. Der kam auch jetzt wieder beim erstaunlich langmütigen Publikum gut an, obwohl allen angesichts der nach wie vor beschränkt akustischen Staatsopernverhältnisse eigentlich längst das Trommelfell in Fetzen hängen müssen, einen solchen Höllenlärm veranstaltete Christopher Ward als Münchner Uraufführungsassistent und versierter Ersatzdirigent.

Wieder stößt schnell bei dem insgesamt ungenießbaren Opernding Sloterdijks Prätention auf. Der schmeißt sich voll aufs Wort, das ihm nie fehlt; sind doch die katholische Kirche und die Oper die letzten Schutzräume für Pathos pur, weil die Musik alles aufbläht. Kein Naturalismus und kein Realismus, so lautet die weltdenkerische Wegrichtung, kein vertonter „Tatort“ und kein Religionsessay. Die Turmstadt Babylon, die schon in der Musikgeschichte von Rossinis „Semiramide“ bis Verdis „Nabucco“ und Boney M nicht eben gut wegkommt, von der Bibel als „Große Hure“ gebrandmarkt wird, soll nun als die erste verwirrend globale Megacity, Erfinderin der Schrift, der Woche, des Rades, liberaler Gesetze und der freien Liebe gefeiert werden.

Auch der sonst so begeisterungsfähige, sympathisch geerdete Widmann weiß sich nur noch in großen Bildern zu helfen, spricht von weggeschaufelter Grabungsarbeit des Komponisten, der mythischen Metropole als Urbild der multikulturellen Gesellschaft, von gleichmacherischem Pluralismus, polystilistischem Wirrwarr des Hohen und des Trivialen in drastischen, unversöhnlich harten Schnitten, schwärmt von Überlagerung und Gleichzeitigkeit zwischen Karneval und Bibelexegese. Für die immer noch fast 700-seitige Partitur mit bis zu 94 Stimmen muss eigens das Dirigentenpult nach oben vergrößert werden. Das ist durch ein paar unbedeutende Kürzungen und Textanpassungen nicht anders, geschweige denn optimiert geworden.

„Babylon“ setzt auch in Berlin, statt den routinierten Spektakelmachern der katalanischen Theatertruppe La Fura dels Baus sitzt jetzt Andreas Kriegenburg am Regiepult, von Anbeginn auf reichlich seltsame, ironiefreie Überwältigung. Es beginnt mit der Apokalypse, um sich dann stetig zu steigern. Erst singt nur ein schmutziger, dem Gilgameschepos entlehnter Skorpion-Countertenor (Andrew Watts) mit Stachelschwanz seine melancholischen Melismen. Dann blasen wohl aus Jericho importierte Mannen auf frühgeschichtlichen Vuvuzelas, bevor der pittoresk lumpenhaft gekleidete Chor mit Strawinsky-Wucht auf Altbabylonisch seine Stadthymne anstimmt und sich ein Videoprojektor mit katastrofischen Bildfantasien warmlaufen. Das aller ereignet sich in einem engen, flachen, bühnenfüllenden Raumlabyrinth als Mischung aus Setzkasten und Führerbunker, mit Kunstschätzen von Michelangelos David bis Césars goldenem Daumen vollgestellt. Im Keller finden sich auch die in Berlin leidlich bekannten Kachel-Fragmente des babylonischen Ischtar-Tors, so wie sie Bühnenbildner Harald Thor auf die Szene getürmt hat.

Der Libretto-, ja überhaupt Dramennovize Sloterdijk verortet seine Handlung während der Zeit der babylonischen Gefangenschaft der Juden, lässt einen Exilanten namens Tammu (tenorblass: Charles Workman) sich zum Liebesdreieck zusammenschließen mit nichts Geringerem als der weißleuchtenden Seele (ebenso klarer Sopran: Mojca Erdmann) und der paillettenrot schillernden Liebespriesterin Inanna (trittsichere Koloratur-Lolita: Suanne Elmark). Drum herum tauchen in schönster Siebener-Symbolik in den sieben Bildern auf: sieben Planeten, die auch als Regenbogen fungieren, sieben Affen, sieben Vulven und sieben Phalloi (alle enttäuschend in grauen Einheitsoveralls), der über die Ufer wallende Fluss Euphrat (mit nur einer, aber schönen Mezzostimme im Zweistromland ihrer Kleiderstoffmannen: Marina Prudenskaya), ein vor sich hin brummelnder Priesterkönig (Barenboims einstiger Wotan John Tomlinson mit immer noch ordentlichen Stimmresten, der  Tod selbst (dornengekröntes Fantasy-Monster: Otto Katzameier) und der als jüdischer Spielverderber fungierende Ezechiel (der Schauspieler Felix von Manteuffel).

Der Tamino-ähnliche Tammu erlebt als neuer Noah die Sintflut, muss durch eine Feuer- und Wasserprobe, wird zum Menschenopfer, als Toter im umgekehrten Orpheus-Mythos von Inanna errettet und mit ihr gemeinsam zum Mond geschossen. Während nach Einsturz von Turm und Stadt im ewigen Event-Kreislauf nur noch der Skorpion sich klont. Scheinheiliger Bimmelbammel, hier passt wirklich nichts zusammen! Da eifert Sloterdijk vergeblich lallend dem begnadeten Lautmaler Wagner (Wigalaweia, Hojotoho) nach, baut trockene Schulfunksätze, schwurbelt schamfrei, ergeht sich in Fantasy-Fatalität wie Esoterik-Klimbim und lässt altherrenkeck die klassische Sau raus („von Wollust dunkel das Menschenfrauenauge“, so singt’s im Genitalseptett). Das gipfelt während eines Polonaisen-Umzugs in dem existenzphilosophischen Rätselsatz: „Wer hat die Kokosnuss geklaut?“

Merke: Mit Musik darf man alles. Doch die fühlt sich hörbar unwohl. Denn der Librettist kennt keine Seelenräume, kaum nach Tönen rufende Leerstellen, nur wenige Momente, wo die Figuren einzig singen müssten. Jörg Widmann bietet Dodekafonie, Pop, Jazz und ein öliges Musicalliebesmotiv auf, die Orgel donnert, die Tonfluten schwallen, der Defiliermarsch trifft auf die „Lustigen Holzhackerbuam“. Das ist hochkomplex, bleibt aber disparat. Buchstabensuppe an Klangsalat, orgiastisch bombastisch. Selten wirklich aufhorchen lassend. Montiert aus Versatzstücken und aneinandergereihten Fertigteilen, die nicht berühren und kaum etwas zu erzählen haben.

Dazu kommt die banale, fast schamhaft nichts erzählende , zeigende und erklärende Inszenierung des nur noch routinierten Andreas Kriegenburg in seinem statischen Bühnenaufbau. Der spult und arbeitet hier einfach nur ab. Und wieder fragt man sich nach drei Stunden im Dur-seligen Sterntaler-Finale dieses singenden, klingenden Märchenwald-Menschenparks entgeistert: Hat das vielleicht alles Scientology finanziert?

So bliebt es dabei: Viel mehr als zwei Handvoll gehaltvoller Literaten als Librettisten lässt die Operngeschichte nicht übrig. Hugo von Hofmannsthal, Stefan Zweig, Paul Claudel, Bert Brecht, W. H. Auden, Ingeborg Bachmann, Lillian Hellman, Edward Bond, Hans Magnus Enzensberger (die letzten vier alle für den eben verstorbenen Hans Werner Henze), Marcel Bayer, Elfriede Jelinek, Martin Crimp, Roland Schimmelpfennig. Peter Sloterdijt gehört aber sicher nicht dazu. Und „Babylon“ bleibt eine monumentalöde, einfach nicht aufhören wollende Totgeburt. An deren wässrigen Ufern man nur weiter weinen kann.

Der Beitrag Nicht besser: Jörg Widmanns und Peter Sloterdijks wenig bearbeitete „Babylon“-Neufassung an der Berliner Staatsoper erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

Kleine Sprünge 2019/20: Mit Sasha Waltz ist das neue Staatsballett-Berlin-Duo komplett

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Kleine Sprünge. So kann man einkreiseln, was Johannes Öhman und Sasha Waltz, die ab Sommer zum Leitungsduo stößt, mit dem Staatsballett Berlin in der nächsten Spielzeit vorhaben. Es ist ein ordentliches, aber nicht wirklich aufregendes Programm, das unter dem nunmehr vierten Logo in fünf Jahren steht. Was zeigt, wie groß die Verwerfungen hinter den Kulissen hier waren. Vier Premieren und die Wiederaufnahme der jungen Choreografen-Abende – unter dem Motto „kreativ“ dreimal in der Tischlerei der Deutschen Oper – gibt es also in der nächsten Saison. Immerhin wird wieder uraufgeführt und nicht nur übernommen. Bedenklich stimmt aber, dass zwei von vier der großen Premieren mit Tonband auskommen. Wofür haben die drei Opernhäuser, in denen das Staatsballett auftritt, eigene, nicht wirklich überbeschäftigte Orchester? Interessanterweise ist es, trotz Waltz, die nur eine Uraufführung beisteuert, eine ganz konventionelle, an jeder anderen klassisch-modernen Kompanie so auch denkbare Spielzeit. Die auch Öhman alleine hätte stemmen können. Man frag sich schon, warum Berlin mit 93 Tänzern und 95 Vorstellungen, vier großen Premieren und gerade einmal fünf Repertoire-Programmen diese Doppelspitze braucht? Zumal die langjährige, beim Kommen und Gehen der Ballettdirektoren eine unrühmliche Rolle gespielt habende Stellvertreterin Christiane Theobald weiterhin an ihrem Amt klebt. Immerhin ist endlich Verwaltungschef Georg Vierthaler weg; der hat ja schon mit der Leitung der als gestaltete Institution inzwischen komplett unbedeutenden Opernstiftung zu tun.

Es scheint zur Visitenkarte eines Berliner Ballettdirektors zu gehören, stets ein neues „Dornröschen“ zu präsentieren, normalerweise einer der langlebigsten Heuler im Repertoire. Die waren hier in der Vergangenheit aber alle so grottig oder ästhetisch entgleist, das auch Sasha Waltz jetzt ein Neues präsentiert – das mindestens fünfte in zwanzig Jahren. Aber was heißt schon neu: Es wird an der Deutschen Oper das auch schon über 30 Jahre alte „Donrröschen“ von Marcia Haydée aus Stuttgart sein, aber nicht mit der prächtigen Jürgen-Rose-Ausstattung. Der vor Ort schon vielbeschäftige Jordi Roig darf an die Blumen Designerhand anlegen. Am Pult wird Alondra della Para stehen, die eben die an der Lindenoper Mozarts „Zauberflöte“ verröchelt hat. Ursprünglich hatten Waltz und Öhman Haydées „Giselle“ angekündigt, wohl aber gemerkt, dass dann ohne Not die klassische Ray-Bara-Fassung entsorgt werden müsste.

Foto: dpa

Wie auch schon letztes Jahr klar gemacht, zeigt der in Berlin lebende, bestens am HAU präsente Holländer Jefta van Dinther in der Komischen Oper sein aus Schweden importiertes „Plateu Effect“ – für freilich nur neun Tänzer. In der Staatsoper gibt es einen dreiteiligen zeitgenössische Ballettabend mit Uraufführungen des hoffentlich humorvollen Alexander Ekman und der diese Spielzeit mit „Half Life“ erfolgreichen Sharon Eyal sowie dem Stück „Sunny“ von Emanuel Gat. Wie ebenfalls schon bekannt, wird Sasha Waltz an der Lindenoper mit „SYM-PHONIE MMXX für Tanz, Licht und Orchester“ als Auftragspartitur für Georg Friedrich Haas ihr (nach eine kleinen Solo für Vladimir Malakhov von 2006) zweite Kreation für das Staatsballett präsentieren. Mit 20-25 Tänzern, die nicht nur klassisch können sollen. Und natürlich will sie darin wieder am „Bild unserer Gesellschaft“ arbeiten. Drunter macht die Waltz es nicht. So stehen dann drei moderat zeitgenössische Abende fünf Klassikern gegenüber. Und die premierenfrische „Sylphide“ ist dann – zumindest für eine Spielzeit – schon wieder entfleucht. In der immer noch dünnen, wenig ausdrucksstarken Solistenriege ist lediglich ein Neuzugang zu vermelden: die Japanerin Aya Okumura wechselt aus Amsterdam vom Dutch National Ballet nach Berlin.

Es kann vorerst Entspannung geblasen werden. Sasha Waltz macht nicht die befürchtete Buhfrau. Aber was macht sie dann eigentlich? Zumal sie nur jedes zweite Jahr etwas kreiren möchte. Das jeden Tag obligatorische Klassiktraining wird sie kaum geben, fürs Coaching fehlt ihr ebenfalls die Kompetenz.

Ballettrevolutionen sehen für gewöhnlich anders aus. Berlins Tütü-Liebhaber können sich also weiterhin entspannt zurücklehnen. „Wir wollen die Ballettgeschichte neu ausleuchten und die Zukunft des Tanzes aktiv mitgestalten – und so der Weltstadt Berlin gerecht werden, die sich nie scheut, sich kritisch mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen und zugleich lebendig und dynamisch in die Zukunft zu blicken“, lassen beide als gut geöltes Marketingsprech verlauten. Lieb gesagt. Das Morgen des Tanzes scheint aber dann doch weiterhin anderswo gedacht zu werden.

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Das Ding aus dem Eis: „Frankenstein“ und sein Monster melden sich an der Brüsseler Monnaie-Oper zurück

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Leben wir wirklich in so freakisch-frankensteinischen Zeiten? Die Kreatur ist jedenfalls wieder da, alive and kicking: 2016 wurde sie ein Ballett von Liam Scarlett am Royal Opera House Covent Garden, zu einer Auftragspartitur von Lowell Liebermann. In Hamburg, erzählte ihn 2018, zum 200-jährigen Jubiläum des Grusel-Klassikers des damals 19-jährigen Mary Shelley, der Komponist Jan Dvorak als Weiterentwicklung und Adaption seiner Baseler Schauspielproduktion als „Gothic Opera“ zwischen Naturklängen, Schauer-Effekten und schwarzer Neoromantik nach. Die Regisseurin Haifaa Al Mansour hat einen feministischen Film über „Mary Shelley“ gedreht. Und jetzt gab es gerade innerhalb von wenigen Wochen gleich zwei „Frankenstein“-Oper. Wieder in Basel hatte Michael Wertmüllers und Dea Lohers „Diodati. Unendlich“ Premiere, das zunächst die Schreibumstände in der Villa Diodati am Genfer See in jenem, infolge eines Vulkanausbruchs in Indonesien, nasskalten Sommer 1816 beschreibt – so wie es auch schon Ken Russell in seinem Film „Gothic“ getan hat. Percy Bysshe Shelley, der Dichter, und Mary Godwin (spätere Shelley), die Dichterin, saßen dort mit dem exzentrischen Literaten Lord Byron sowie dessen schwangeren Geliebten Claire Clairmont. Man drogte sich zu, fabulierte, Leibarzt John Polidori liebte zudem den Lord. Und während „Der moderne Prometheus“ Frankenstein literarisch erschaffen wurde, werden die wiederbelebten schwarzen Romantiker, mit deutlichen Anleihen bei Friedrich Dürrenmatt, den Physikern vom heutigen, ebenfalls am Genfer See angesiedelten Teilchenbeschleunigerzentrum Cern ausgeliefert. So erweist sich das als eine dreistündige, schrille wie polystilistische Groteske, von Lydia Steier in kreischbunten Farben auf die Bühne gebrettert. Und am Brüsseler Théâtre del la Monnaie kam jetzt eine „Frankenstein“-Oper von dem Amerikaner Mark Gray auf einem Libretto von Julia Canosa i Serra heraus, die dem oft erzählten modernen Mythos in grau-kühler, filmisch unterfütterter La-Fura-dels-Baus-Optik ebenfalls einen neuen Thrill gibt. Und wir stellen fest: die Popularität von Doktor und Monster auf Bühne und Leinwand hat die Story allein ihrer Bekanntheit, aber eben auch ihren ungebrochen imaginativen Anziehungskraft zu verdanken.

In der Opéra de la Monnaie, da knirscht und dröhnt es elektronisch dumpf, das ewige Eis arbeitet hier, bevor sich der Vorhang hebt. Die Kreatur wird von Doktor Walton aus dem Permafrost des Nordpols aufgetaut, wie auf einem Tisch angerichtet und wieder zum Leben erweckt. Als gar nicht mehr kalter, aber unschuldig-blöder Ötzi wird er neuerlich auf die Menschheit losgelassen, die ihn (sein Schöpfer ist schuld) hässlich findet und zurückweist; was ihn, er kann ja nicht denken, zum Mörder macht. „Der moderne Prometheus“ wird diesmal dank der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen dem Regisseur Álex Ollé und dem libanesisch-polnischen Dirigenten Bassem Akiki wiederbelebt. Ollé ist der Mastermind, der das Projekt schon 2011 angestoßen hatte. Jetzt entsteht es ganz aus dem ästhetischen Geist der „Science-Fiction“, die das Buch ja auch schon vorahnte, und die jetzt die Geschichte in die dystopische Zukunft einer neuen Eiszeit versetzt.

Fotos; Bernd Uhlig

Das Ergebnis, inspiriert durch die Arbeit von Thomas Jorion und seiner Serie „Silencio“, wirkt stellenweise wie Livekino. In einem vereisten Amphitheater, unter einem runden Gitter, angeblich einem verlassen kommunistischen Hauptquartier in Bulgarien nachgeformt, spielen sich die Erinnerungen der namenlosen Kreatur meist als Filmbilder auf Gazeschleiern ab, oder in einer raumhohen Tonne mit Innenleben, die rauf- und runterfährt. Das ist poetisch, aber auch gewalttätig. Und der Doktor bleibt, um seine Erfindung zu schützen, passiv – selbst als diese erst seinen Neffen tötet (wofür ein Kindermädchen gehenkt wird) und schließlich auch seine Frau Elisabeth.

Das kalte Licht von Urs Schönebaum und die Videos von Video Frank Aleu erweckt monochromatische Assoziationen an Tarkowski, Neon, Metropolis, Untergrund. Das Monster des formidablen, in narbig nackte Gummihaut gekleideten, an Tenorgrenzen vokalgehenden Topi Lehtipuu rührt viel mehr an als sonst. Denn es wird im zweiten Teil menschlicher, verspürt Empathie, kann sich artikulieren. Es dominiert allerdings total die Show. Die anderen, alles glatzköpfigen Figuren, verblassen dagegen zu episodischen Charakteren und Schemen. Der Chor der Wissenschaftler von morgen in Helmen und glänziger Schutzkleidung steht den Pfarrer und in dunkles Tuch gehüllten Dorfleuten von 1800 gegenüber.

Das La Monnaie Orchestra spielt rein und klar und laut, aber es hat wenig Spannendes zu tun. Die Partitur hat kaum Farben und Spannkraft für Singstimmen, alles hört sich gleich an. Instrumental pendelt es zwischen Filmmusik mit viele fanfarensatten Märschen und einem Minimalismus, der an John Adams geschult scheint, an Steve Reich oder Philip Glass für die Mark Grey lange als Arrangeur und Soundesigner arbeitete. Die Stimmungen wiederholen sich, irgendwann fällt die Dramaturgie zusammen.

Der in Brüssel oft auftretende Bariton Scott Hendricks singt den Doktor Frankenstein mit arg monotonem, trockenem Timbre. Seine Frau Elisabeth ist die lyrisch zarte Eleonore Marguerre, die aber kaum Kontur gewinnen kann, ein harmloses Opfer bleibt. Ebenfalls ein Bariton ist sein Wissenschaftskollege und -konkurrent Robert Walton, den Andrew Schroeder warmstimmig interpretiert, der aber in seinem ambivalenten Verhalten gegenüber der aufgetauten Kreatur und dem von ihr wieder beschworenen Frankenstein auch nicht Recht klar positioniert ist. Hendrickje van Kerckhove gibt dem unrechtmäßig gehängten Kindermädchen Justine Intensität. Stephan Loges, William Dazeley und Christopher Gillett komplettieren die hochkarätige Besetzung.

Erschaffen aus dem Nichts. Hässlich und liebensbedürftig. Einzigartig. Fremd. Zurückgewiesen. Einsam. Verletzt. Wütend. Mordend, um den eignen Schmerz jemanden spüren zu lassen. Eine monströse Kreatur und ihr Schöpfer: Frankenstein, der Wissenschaftler, der, getrieben von Wissensdrang ein menschliches Wesen erschafft, das ihn und sich in den Tod treiben wird. Mary Shelleys Roman ist also bis heute politisches Statement, Zukunftsvision, Schauergeschichte und Roadmovie zugleich. Was diese Opern mal wieder zeigten. Auf höchst unterschiedliche und auch unterschiedlich gelungene Weise.

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Mit und ohne Presse: Was es 2019/20 Neues in München, Stuttgart und Lyon gibt

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Wir müssen reden. Tun wir aber eigentlich kaum noch. Wir – die Presse und die Intendanten der Opernhäuser. Man soll funktionieren, möglichst keinen Sand ins Getriebe der gut geölten, von immer mehr Social-Media-Menschen am Laufen gehaltenen Marketing Maschine der Musiktheater streuen. Deshalb verändert sich gerade auch die Institution der Jahrespressekonferenz massiv. Früher war das noch ein durchaus vergnügliches Give-and-Take, man tauschte sich aus, bisweilen aucht mit dem Florett. Aber dieses Agreement scheint schon länger gekündigt. In Berlin ist gerade die Staatsoper ins Gerede gekommen, weil sie angekündigt hat, am 25. März um Schlag Elfe ihre nächste Saison ins Internet zu stellen. Pressebeteiligung nicht erwünscht. Wer mag, der kann um 17 Uhr bei der Vorstellung für den Förderkreis noch dabei sein. Aber erstens ist 17 Uhr ein No-Go-Termin, deutlich nach dem Redaktionsschluss und kurz vor der nächsten Abendveranstaltung. Und bei Schnittchen und Sponsoren ist wohl nicht der rechte Ort für bisweilen auch kritischen Austausch. Zweitens wird jetzt natürlich vermutet, Daniel Barenboim & Co wollten sich so sehr effektiv kritischen Nachfragen nach den jüngsten, von diversen Musikern erhobenen Vorwürfen zu seinem Führungsstil entziehen. In der Sache hat übrigens inzwischen die Berliner Kulturbehörde eine anonyme Beschwerdestelle eingerichtet. Anders als so manche angewidert abwiegelnde, gar die Zeugen diskeditierenden Medien, nimmt man dort die Sache nämlich ernst. Falls das Fernhalten die Absicht war, dann war sie schlecht, denn die Presse ist in Teilen schon wieder verstimmt. Dabei kann sich die neue Saison Unter den Linden sehen lassen. Allein die Riege der Dirigenten der sieben Premieren (drei davon in Barenboims Namen) – mehr Stars bei den Novitäten bietet gegenwärtig kein anderes Opernhaus. Aber halt, Details erst kurz vor der Sperrfrist!

Doch ausgehöhlt war das Prinzip Jahrespressekonferenz auch vorher schon. Dank Internet und durchstechwilliger Mitarbeiter kursierten Namen und Fakten meist schon früh in diversen digitalen Foren. Um eine angemessene Uhrzeit scherte man sich in einigen Fällen für die „Presse“- , wir wiederholen: „Pressekonferenz“ schon gar nicht und ließ sie dann beginnen, wann man selbst am besten Zeit hatte; Redaktionsschlüsse interessierten zuletzt. Dann wurden immer öfters Förderkreise oder gar Abonnenten dazugebeten, um mehr Publikum zu haben. Und jetzt sah man sich dauernd mit Fragen konfrontiert, warum Donnerstag Grün teuer geworden sei, und wann denn die Netrebko endlich wiederkäme.

Die Arbeitszeit wird immer hektischer, endlose Künstler- und Intendanten-Suaden kosten zudem  ihren Tribut. Erst wird man zugeschwallt, dann ist man mürbe. Fragen mag man nicht, denn die Antworten auf bisweilen kitzelige Dinge sind dann auch für den faulen Kollegen, der die wohlmöglich ausschlachtet. Also gehen viele schon gar nicht mehr hin. Zumal kritisches Nachbohren inzwischen meist als ewiges Gemecker abgetan wird. Auch die schönsten Wutausbrüche vor versammeltem Pressevolk waren schon zu erleben. Also begann die Bayerische Staatsoper damit, ihre Novitätenshow als Sonntagsmatinee vor vollem Zuschauerraum abzuziehen. E-Mail-Versand hinterher. Und das Publikum kann endlich mal dem interviewresistenten Kirill Petrenko beim Reden zuschauen.

Barrie Kosky hat ebenfalls längst einen Schutzwall um die Komische Oper gezogen, Details zur neuen Spielzeit werden nach Vorankündigung gemailt, danach kann es nach Voranmeldung noch kleine Runden für Face-to-Face-Gespräche geben. Die Berliner Staatsoper hat jetzt also nachgezogen. „Ein Experiment“, haucht es beschwichtigend aus der Pressestelle. Anders macht es seit einigen Jahren die Staatsoper Stuttgart. Die bittet immer um diese Zeit vor einer sonntäglichen Premiere zu Kaffee und Kuchen im Foyer und umreißt einige Höhepunkte der neuen Saison für die geneigten Rezensenten. Und die Opéra de Lyon, die nimmt sich jedesmal das Podium ihres jährlichen Festivals, um auch die traditionelle Pressekonferenz vor möglichst vielen Pressevertretern abhalten zu können. Intendant Serge Dorny referiert, Fragen gibt es keine. Das Büffet wartet.

Wir liefern jetzt aber brav noch eben diese wochenendlichen Novitäten aus München, Stuttgart und Lyon: Sieben Premieren hat die Bayerische Staatsoper unter dem wohlfeil austauschbaren Motto „Kill your Darlings“ im Körbchen. „Dieser Appell beschreibt das Dilemma zwischen emotionalen Entscheidungen und rationalem Handeln – ein Gedanke, der nicht nur in der Kunst selbst, sondern auch in der Entstehung unseres Jahresplans eine große Rolle spielt“, heißt es dazu umwölkt. Kirill Petrenko wird die kommende Saison mit einer Neuinszenierung von Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“ eröffnen, dort Jahrzehnte nicht gespielt. Die Inszenierung ist eine Übernahme von Simon Stone aus Basel, Marlis Petersen und Jonas Kaufmann (ob der sich mit der hohen Tessitura des Paul einen Gefallen tut?) singen.

Hans Abrahamsens „The Snow Queen“, komponiert zwischen 2014 und 2018, wird im Dezember von Cornelius Meister und Andreas Kriegenburg als Uraufführung erarbeitet. Barbara Hannigan singt. Oksana Lyniv dirigiert die Premiere von Béla Bartóks „Herzog Blaubarts Burg“ in einer Inszenierung von Katie Mitchell. Dem Einakter ist Bartóks Konzert für Orchester vorangestellt. Von der gleichen Agentur sind da Nina Stemme und John Lundgren  zu hören. Johannes Erath kehrt mit einer Neuinterpretation von Giuseppe Verdis selten gespielter Schiller-Vertonung „I masnadieri“ als Sopranvehikel für Diana Damrau zurück. Michele Marioetti führt den Stab. Mit „7 Deaths of Maria Callas“ kommt ein ziemlich schräg klingendes Opernprojekt der serbischen Performance-Künstlerin Marina Abramović zur Uraufführung, in dem auch Willem Dafoe mitspielt, bevor Ivor Bolton und Hans Neuenfels die Münchner Opernfestspiele 2020 mit Jean-Philippe Rameaus „Castor et Pollux“ eröffnen.

Dann folgt Krill Petrenko am Pult mit Verdis „Falstaff“ für Wolfgang Koch in einer bayerischen Komödienstadl-Variante, für die die gehypte Theaterregisseurin Mateja Koležnik auch die Weißwürscht auspacken soll. Vom Haus schwärmt der GMD, es sei eine „liebgewordene Heimat geworden, mein musikalisches Vaterland, das Paradies auf Erden“. Die jungen Sängerinnen und Sänger des Opernstudios führen Anfang April „Mignon“ von Ambroise Thomas auf. Kaufmann-Gattin Christiane Lutz darf neuerlich ans Regiepult. Das Bayerische Staatsballett bringt im Oktober mit der gut abgehangenen „Coppélia“ zum ersten Mal ein Werk von Roland Petit auf die Bühne. Tut niemand weh. Und die Ballettfestwoche im Mai 2020 eröffnet mit einem dreiteiligen Abend,  der eine Uraufführung von David Dawson, Alexej Radmanskys „Bilder einer Ausstellung“ und ein Werk von N.N. bündelt…

„Wer wollen wir gewesen sein?“ Viktor Schoner, der in München brav gelernt hat, präsentiert für Stuttgart ebenfalls ein diffuses Motto „zwischen Utopie und Nostalgie“, um seine Premierenpläne zu gliedern. Generalmusikdirektor Cornelius Meister dirigiert zwei Neuproduktionen: die Eröffnungspremiere mitbVerdis fünfaktig-französischem „Don Carlos“ in der Inszenierung von Lotte de Beer sowie zum Spielzeitende einen Doppelabend mit „Cavalleria rusticana“ und Salvatore Sciarrinos Gesualdo-Oper „Luci mie traditrici“ in der Regie von Barbara Frey. Mozarts „Le nozze di Figaro“ kommt Anfang Dezember in einer Neuinszenierung von Christiane Pohle heraus, Roland Kluttig dirigiert.

Zur Eröffnung des zweiten Frühjahrsfestivals im Februar 2020 hebt sich der Stuttgarter Vorhang für die Neuproduktion „Boris“: Das künstlerische Team verzahnt Mussorgskis Volksdrama mit der Uraufführung von Sergej Newskis „Secondhand-Zeit“, ein Auftragswerk der Staatsoper. Es dirigiert Titus Engel, Paul-Georg Dittrich inszeniert. Im März kommt mit Schuberts „Winterreise“ der Klassiker der „Komponierten Interpretation“ von Hans Zender für Matthias Klink heraus. Der niederländische Installationskünstler Aernout Mik zeichnet für Konzept, Video, Raum und Regie verantwortlich. Antonio Vivaldis ausschließlich mit Frauenstimmen besetztes Oratorium „Juditha triumphans“ dirigiert im März Stefano Montanari. Silvia Costa aus dem Romeo-Castellucci-Stall verantwortet Regie und Raum.

Und in Lyon gibt es unter dem designierten Münchner Intendanten Serge Dorny neben Über- und Wiederaufnahmen auch Leckeres für seine vorletzte Saison 2019/20: Tobias Kratzer stemmt mit Musikchef Daniele Rustioni Rossinis „Guillaume Tell“. John Adams’ Kammeroper über das Los Angeles-Erdbeben „I Was Looking at the Ceiling and Then I Saw the Sky von 1995 kommt wieder einmal auf die Bühne, Macha Makeïeff zeichnet dafür verantwortlich. Das Frühlingsfestival bündelt unter dem Motto „La Nuit sera Rouge et Noir“ Verdis „Rigoletto“ (Michele Spotti/Axel Ranisch) als Koproduktion mit München und als französische Erstaufführung Schrekers „Irrelohe“, wieder mit David Bösch und Bernhard Kontarsky. Das Festival rundet sich mit Carl Orffs „Der Mond“ für das Opernstudio. „Shirine“ nennt sich die zweite Uraufführung von Thierry Escaich auf einen als persisches Feenmärchen konzipierten Text von Atiq Rahimi. Martyn Brabbins dirigiert in der Regie von Richard Brunel. Und auch in Lyon feiert Figaro Hochzeit. Neuerlich dirigiert Stefano Montanari, und der Filmregisseur Olivier Assayas widmet sich erstmals einer Oper.

Und egal, wie und wo dies nun kommuniziert wurde: Am Ende zählt dann doch nur das zum Glück nach wie vor von leidenschaftlicher professioneller Kritik begleitete Ergebnis!

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Schicksalshaft: Die Opéra de Lyon begeistert bei ihrem Frühlingsfestival mit Tschaikowskys „Zauberin“ und landet mit David Martons „Dido and Aeneas“-Überschreibung im archäologischen Sand

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Nein, „Die Macht des Schicksals“ ist diese Woche für London, für Anna und Jonas reserviert. Aber die Opéra de Lyon geizte für die traditionell in den ersten Frühlingstagen (Sonne! Magnolien!) zum flotten Dreier gebündelte Festival-Trilogie des Stagionehauses auch ohne Verdi nicht eben mit unwahrscheinlichen, die Figuren stark in Anspruch nehmenden Lebenswindungen und –winkelzügen. Dazu hatte sich Intendant Serge Dorny diesmal drei sehr unterschiedliche Werke ausgesucht: Der gegenwärtig als Castorf der Ukraine gehypte Andriy Zholdak begeisterte mit Peter Tschaikowskys viel zu selten zu sehender „Zauberin“, der hier bestens eingeführte David Marton enttäuschte mit einer überschriebenen und auf die doppelte Spielzeit verlängerten Version von Purcells Ode zum langen Divenabschied „Dido and Aeneas“. Und zum Monteverdi-Finale wird die seit 1998 um die Welt gereiste „Il Ritorno d’Ulisse“-Inszenierung von William Kentrige und der südafrikanischen Handspring Puppet Company erwartet. Der Höhepunkt des Festivals „Leben und Schicksale“ ereignete sich also gleich zum Anfang, was auch seinen Grund in den hohe musikalischen Qualitäten von Tschaikowsky drittletzter Oper haben dürfte. Sirene, Circe. So mag man bildungsbürgerlich eine Frau nennen, die die Männer mit übersinnlichen Kräften anzieht, sie kirre macht und zu Opfern ihrer Lüste und Leidenschaften werden lässt. Aber eine Zauberin, das ist eine Hexe, eine, die mit magischen Mächten verbündet ist. Peter Tschaikowskys scheinbar herkunftslose „Zauberin“ Nastasja, genannt Kuma, ist eigentlich eher ein bezauberndes Fräulein. Sie führt eine Lokalität am Fluss, die man sich durchaus als eine Art von erotische Freuden verheißende Insel der Circe vorstellen kann: Hier können Männer sich hingeben, ihre bürgerliche Existenz vergessen. In ein Schwein wird hier niemand verwandelt. Kuma wird jedoch zum Spielball einer dysfunktionalen Herrscherfamilie, weil der von seiner Frau entfremdete Fürst Nikita sich für sie begeistert, ja, ihr verfällt. Sie hingegen liebt den Prinzen Juri, der sie zunächst auf Befehl seiner Mutter ermorden soll, aber dann ebenfalls ihren Reizen erliegt. Am Ende wird Kuma von der hysterisch überreagierenden Fürstin vergiftet, der Fürst aber tötet seinen Sohn und wird wahnsinnig.

Genau die richtige Vorlage für den bisher kaum mit Opern im Westen in Erscheinung getretenen Theatermann Andriy Zholdak, und der greift schon mit den ersten, dräuenden, freilich von Lyons Chefdirigenten Daniele Rustioni melodisch glühend gerundeten Akkorden in die Theatervollen. Schnell wird klar: Seine Hauptfigur in einem eher im Lyon von heute denn im Nischni Novgorod des 15. Jahrhunderts angesiedelten Setting ist der zwielichtige Fürstenberater Mamirow (Piotr Micinski singt und, mehr noch, spielt ihn aasig aalglatt und bassabgründig). Der ist hier ein Priester, nach vollzogenem Gottesdient lässt er sich nach Hause chauffieren, setzt seine Virtual Reality Brille auf und beamt sich via Google-Kuppelseite in die räudige Datsche von Kuma. Dort spinnt er dann sein Netz der Intrige, wir wissen bis zum Schluss nicht, ob es nur ein Spiel oder grausame Wirklichkeit ist. Die Hütte, Kumas Beischlafsaal mit Sicherheitstür und das spiegelbildlich konzipierte Fürstengemach sowie ein gotischer Kirchenraum mit einem geschnitzten Christus am Glühlampenwandkreuz ergeben sein äußerst versatiles, zwischen gleitenden Gardinen immer neu verschieb- und steckbares Bühnenbild. Simon Machabeli hat die darin frei flottierenden, aber auch gefangenen Figuren in schönsten Shabby Schick gekleidet.

Foto: Stofleth

Jeder beobachtet hier jeden, selbst im Christuskopf ist ein Kameraspion installiert. Keiner ist unschuldig, jeder hat sein Laster, auch der Zauberer Koudama (Sergey Kadalov), ebenfalls ein Kirchenmann, der sich mit seinem Gespielen im Beichtstuhl vergnügt. Jeder scheint hier dem anderen verfallen, von ihm abhängig, kommt aus dem Familien- und emotionalen Banden nicht los. Und zerstört sich schließlich. Mamirov versucht dieses Schach des Schicksals von seinem Spielbrett aus zu steuern, manipuliert, verfängt sich in Winkelzügen und scheitert schließlich auch. Zholdak überspannt wie sein Vorbild Castorf nicht selten den Regieeinfallbogen, aber er fasziniert mit seinen bisweilen surreal jedem linearen Erzählen spottenden Einfällen und seiner vielschichtigen Personenregie, die den Handelnden immer neue Facetten entlockt. Alle leiden und lieben sie hier, verletzen aber gleichfalls: Kuma, wunderbar leuchtend von Elena Guseva in den dunklen Sopranhimmel geschickt, versucht sich zunächst rauszuhalten, ihren Job zu tun, von dem man nicht so genau weiß, ob sie ihn gern vollführt. Und dann verliebt sich selbst sie, die offenbar ein besonders raffiniertes Bordell führt, wo schon anfangs jeder ihrer kräftig vokalisierenden Freier nach seiner speziellen Facon in Rollenspielen zwischen Bondage und Ballerinas glücklich wird.

Ihr Märchenprinz ist der als goldstaubwerfender Maharadscha aus dem Kleiderschrank tretende, mit schöner Tenorlinie aufwartende Migran Agadzhanyan, der sich aber dann doch als geistiges Kind erweist, an Mamas Rockzipfel hängt, viel zu spät aktiv wird. Er ist einer dieser melancholisch schwachen, letztlich verlorenen Tschaikowsky-Helden, in denen der übersensible, schwule Komponist seine eigene Lebenstragik spiegelte. Das große Liebesduett zwischen Kuma und Juri wird so zu einem russischem „Tristan“-Zweisamkeitsvergessen. Und doch hat der gar keine Chance gegen seine dominanten Eltern: den finsteren Fürsten Nikita (dunkel grollend kommt Evez Abdulla sogar aus dem Sportstudio) und die hysterisch eifersüchtige Fürstin Eupraxia, welche Ksenia Vyaznikova, selbst einen Diamantenslip als letzte Waffe der Frauen einsetzend, mit fleischigem Mezzo zwischen später Zarah Leander und russischer Carmen auf die Bühne fetzt. So eindrücklich wie diese vier schweren Hauptrollen sind auch all die kleinen, hier wichtigen Nebenrollen besetzt.

Die moritatenhafte Handlung hat Tschaikowsky mit einer kraftvoll strömenden, lyrisch kantablen Musik versehen. Da gibt es überwältigende Chortableaus, 15 Rollen, die sich einmal zu einem zwölfstimmigen Satz verdichten, mitreißende Hymnen und Lieder, ein loderndes Liebesduett und ein dramasattes, blechkrachendes Gewitterfinale. Das alles dirigiert Daniele Rustioni mit erzählerischer Kraft und schön im Fluss.

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Umso krachender dann der Aufprall am nächsten Tag, wo der gewieft dekonstruierende David Marton diesmal zu seiner „Dido and Aeneas“ Fortschreibe nicht besonders viel eingefallen ist. Trotzdem muss man die doppelte Purcell-Zeit ausharren, denn dazwischen schiebt sich immer wieder der endlos seine E-Gitarre minimalistisch-modernistisch plingeln lassende, musikalisches Material knüllen, kauen und knautschende Kalle Kalima. Bis die Musik dann wieder ins barocke Idiom zurückruckelt, welches Pierre Bleuse mit dem traditionellen Opernorchester ordentlich sachverwaltet. Der Anfang gar scheint sich wie Wagners „Rheingold“ sanft aus dem Urgrund der Bässe zu erheben. Was schon das Originellste an klanglicher Umdeutung bleibt.

Wir befinden uns in einem Zelt für archäologische Erkundungen. Wo gegen die Zeit gebuddelt und gepinselt wird. Denn es sind die Götter Juno (Marie Goyette) und Jupiter (Thorbjörn Björnsson) die im Chiton und auf Englisch parlierend als mittelprächtige Schauspieler in den Trümmern von Karthago nach Opernresten suchen. Sie finden die Zukunft, Kabelsalat, ein Handy, eine Computermaus, die erst im Wasserbecken mit anderem Elektroschrott dekontaminiert und dann im Regal archiviert wird. Um später wohl zu den übrigen Dingen, Perückenköpfe, falsche Fingernägel, Chipstüten gelegt zu werden, die in den echten Opernfoyers unterm Glassturz als „Museum von heute“ prangen und die er Chor gern auf der Szene vorführt.   

Fotos: Blandine Soulage

Im Heute agieren auch Dido im lila Seitenkleid (vokal etwas unterbelichtet: Alix La Saux), ihre beflissene Freundin Belinda (die nicht ganz alterslose Claron McFadden) und der unterbelichtete, aber gewissenlose Softie Aeneas (Guillaume Andrieux). Auf zwei Seitenbühnen haben sie ihr Büro und ein falsches Liebesidyll aufgebaut, was modisch, aber unergiebig mit Livekamera auf die Rückwand gezoomt wird. Nein „Didon et Ènée, remeberered“ erweitert nicht die Erinnerung an ein hier von Purcell für seine Waisenhaus-Produktion nur allerknappest bedachten Liebespaar um Entscheidendes. Es langweilt und schläfert ein, je länger da im Sand gewühlt und zwischen alten Opernknochen viel Staub ohne Ursache aufgewirbelt wird. Man gedenkt höchstens den paar Minuten als die grotesk-grantige Erika Stucky jodelnd, das Akkordeon quetschend und die Schneeschaufel schrappeln lassend als knallig grinsende Magierin und Sister Act voluminös die Bühne entert. Aber diese Zauberin vermag, anders als am Lyoneser Abend zuvor, nicht allein zu begeistern. Am Schluss wird alles wieder mit Kuste bedeckt, selbst den Göttern ist ihr tun sinnlos und fas geworden. Klappe zu, Purcell tot. Remember me? Didos Finalklage bleibt folgenloses Fan

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Geplätteter Tschaikowsky: Am Theater an der Wien emanzipiert sich Johanna von Orléans als Super Woman ausgerechnet mit Margaret Thatcher

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Ist es echt so einfach, meine Damen? Da händigt man also am Theater an der Wien Peter Tschaikowskys selbst getextete „Jungfrau von Orléans“, selten gespielter, etwas verhetzt wirkender Versuch einer russischen Grand Opéra von 1881, einem Frauen-Duo aus. Und dann das: Straffe, wenig differenzierte Töne aus dem Orchestergraben unter der Noch-Grazer GMDeuse Oksana Lyniv und dazu ein wirre, dabei platte Regie der übermotivierten, aber wenig zielgerecht denkenden Lotte de Beer. Die fabriziert aus dem jungen schwärmerischen Bauernmädchen, das half, Frankreich von den Engländern zu befreien, dann von der gleichen Kirche erst als Hexe verbrannt und Jahrhunderte später heiliggesprochen wurde, als es schon längst die Nationalikone der Grande Nation geworden war, eine bleiche Plattitüde. Natürlich ist das einfach: Wir sehen und hören die Adoleszenzgeschichte eines wütenden Teenagers, dessen Hirn ein wenig von Popgrößen und Fantasywelten vernebelt ist, aber keine Auseinandersetzung darüber, was dieses, auf der Schillerschen Märchentragödie wurzelnde Mädchen zu seinem Glauben getrieben hat, wie es politisch benutzt wurde, und wie es trotzdem zu dieser politnationalen Größe aufsteigen konnte. Ein politischer Popstar, dann Spielball seiner Zeit. Wäre ja vielleicht auch zu opernkomplex.

Fotos: Werner Kmetisch

Als vor einiger Zeit Anna Netrebko als Verdi-Variante der Johanna in goldener Rüstung in die Mailänder Scala-Bütt stieg, da war auch sie ein Verwirrte in einem Hospital, die Heilige und Teufel, Könige und Ritter nur als Wahnvorstellungen erlebte. Und auch in Wien sind es jetzt halt Hirngespinste einer Heranwachsenden in einer nicht realen Parallelwelt, wohlmöglich weil sie eifersüchtig ist, in der schicken Wohnloftküche ihren alleinstehenden Vater mit einer Gleichaltrigen, die ihr zudem ähnlich sieht, herumschnackseln zu sehen. Zwar verzehrt diese Johanna scheinbar ungerührt neben dem Sündenfall im grauen Haushoodie ihr Müsli, aber zurück im Hochbettzimmer mit dem Madonna-Poster an der Wand träumt sie sich in eine Gegenwelt: dorthin, wo sie mit dem Schwert und im Kettenhemd kämpft, und wo ihr als Emanzipationshilfe keine seligen Frauen chorisch beiseit stehen, sondern Beispiele weiblicher Selbstbestimmtheit wie Elizabeth I., Frida Kahlo, Rosa Luxemburg, Marlene Diedrich, Madonna, die Pussy Riots  und – ausgerechnet Margaret Thatcher.

Damit ist nach 15 Minuten, wenn der erste Ritter zum Jungmädchenkammerlfenster einsteigt und Johanna mit Tarnfarbenrucksack in eine imaginäre Super-Woman-Existenz entfleucht, eigentlich schon alles auserzählt. Die Historie taucht in Gestalt des formidabel, aber auch kompakt singenden Schoenberg Chors Erwin Ortners in rot- und rosafarbenem Mittelalterdress auf. Auf der meist leeren Bühne von Clement & Sanôu drehen sich Jugendzimmerversatzstücke und ein Bäumchen. Zum Kampfe geht es in die Lüfte als Fliegeballett wie im Asia-Martial-Arts-Movie. Zum Königshof des schwächlichen Karl VII. fällt Lotte de Beer nicht viel mehr ein, als ein debil dauergreinender Charaktertenorkönig (Dmitry Golovnin) mit Brille samt dekorativ posierender und vokalisierender Maitresse Agnès Sorel im durchsichtigen Spitzendress (Simona Mihai). Die erfreuen sich an einem albern-anzüglichen Kinderballett (der ursprüngliche Tanz der Zwerge). Des Königs kirchlicher Beistand ist natürlich ein ebenfalls korrupt schmieriger Witzfigur-Erzbischof (Martin Winkler schreit ihn auch so).

Nach der Pause erlebt Jeanne erste Liebe mit dem kumpelhaft netten, harmlos, aber druckvoll intonierenden Tenor Kristján Jóhannesson als Ritter Lionel. Der vollzieht sogleich die Defloration, wiederum im Backfischbett. Dort wird ein blutiges Lacken geschwenkt, dem weitere, aus der Bettstatt gezogene folgen, die nun die Krönungskathedrale in Reims so geschmack- wie prunklos symbolisieren sollen. Samt Lichterdom sieht das, nicht weit weg vom Hermann-Nitsch-Land, eher aus wie eine allerletze, verunglückte Schüttaktion, ganz ohne Orgienmysterientheater. Feminismus zum Abgewöhnen. Hier begegnet die den sich verkrampfenden (schwangeren?) Bauch drückende La Pucelle, die Lerche Genannte (auch hier nicht thematisiert) neuerlich ihrem am Wegesrand „Le Monde“ lesenden, bigott kreuztragendem Vater, der mit den deplorablen Stimmresten des Willard White sie noch dumpf-trockener verflucht als es in der Partitur steht. Raymond Very als Johannas Verlobter klingt nicht viel schöner.

Von König, Kirche und den Umständen in Gestalt des bösen Ritters Dunois (der ordentliche, hier seinen weichen Bariton anstrengen müssende Daniel Schmutzhard) zum Verbrennungstod verurteilt, steht wiederum das Double an einem rotlichtfunzelnden Baum, wird gesteinigt und schließlich von der echten Johanna für ein besseres Mythen-Nachleben befreit. War das alles die Rache der wütenden Tochter an des Vater Amour fou? Am Ende steht sie jedenfalls mit leeren Händen an der Rampe. Ein bisschen billig das.

Ein bisschen billig ist natürlich auch Peter Tschaikowskys ungleichgewichtige, wie stets bei ihm aber melodiensatte, ja –pralle Partitur. Oksana Lyniv, die im Graben nicht nur gern die Hosen anhat, sondern auch kräftig zupacken kann, dirigiert bei ihrem Wiener Operndebüt die rasch regierenden Symphoniker mit einer Art eiserner Kampfhand. Das hat Temperament und Schwung, gerät aber in dem trocken Haus schnell zu laut und knallig. Das Dauerfeuer ermüdet ein wenig, trotzdem gelingen ihr aparte Farbkombinationen und auch auf einige lyrische Momente lässt sie sich ein.

Ermüdend freilich klingt auch die einmal mehr im Theater an der Wien über Gebühr eingesetzte Lena Belkina. Die helle, lyrische, wenig individuelle Mezzosopranistin singt die verbreitete Fassung der ursprünglich für hohe Stimme komponierten Oper, die Waltraud Meier und (als letzte, bequem liegende Rolle) Mirella Freni gern reaktiviert haben. Und sie schreit viel, ein ältliches Vibrato spreizt sich. Die Ukrainerin Belkina mag vom Timbre besser in dieses slawische Ambiente passen als in ihren ungenügenden ausgefüllten Barock- und Rossini-Rollen; toll, gar überzeugend ist es wieder nicht. Auch steht sie ständig als um Anerkennung heischendes Kind wie neben der Rolle. Da ist zu viel Behauptung, als dass es künstlerisch eingelöst würde.

Trotzdem schön, mal wieder der Tschaikowsky-Version der Johanna-Geschichte zu begegnen. Das Theater an der Wien hat sie zudem sinnvoll eingebettet in konzertante Aufführungen von „Mazeppa“ und „Jolanthe“ sowie des von Vladimir Fedosseyev aufführungsbereit gemachten „Undine“-Fragments. Zudem wurde in Hildesheim kürzlich die reizvolle Weihnachtsmärchenoper „Die Pantöffelchen“ gespielt. Und in Lyon gab es tags zuvor „Die Zauberin“, die ebenfalls schon effektvoll das Theater an der Wien in einer Christof-Loy-Inszenierung präsentiert hat. So ist Tschaikowsky, der immerhin 10 vollendete Opern hinterlassen hat, inzwischen nicht nur mit seinen beiden berühmten Puschkin-Vertonungen „Eugen Onegin“ und Pique Dame“ im Repertoire präsent. Wobei die Wiener Gerüchteküche von einer neuen „Pique Dame“ an der Staatsoper munkelt, in der endlich Anna Netrebko ihr lange überfälliges Rollendebüt geben soll.

Der Beitrag Geplätteter Tschaikowsky: Am Theater an der Wien emanzipiert sich Johanna von Orléans als Super Woman ausgerechnet mit Margaret Thatcher erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

Hier wird surreal, aber spannend gemordet: Die überraschend gute Ginastera-Oper „Beatrix Cenci“ begeistert in Straßburg

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Man wundert sich: Warum muss man – auch gegenwärtig – so uninspirierte, gleichwohl aufwändige Opernuraufführungen die Menge ertragen, während doch so viele Gutes, auch aus jüngerer Zeit in den Regalen schlummert? Zum Beispiel die zweiaktige aber wie ein guter Kinothriller in 90 Minuten vorbeirauschende „Beatrix Cenci“ von Alberto Ginastera. Ein nicht unbekannter Komponist, ein süffiges, plastisches Sujet, das seinen Platz längst auch in er Kunstgeschichte gefunden hat. Uraufgeführt wurde die dritte Oper des Südamerikaners – ja so liberal war einmal Amerika – 1971 im Rahmen der Eröffnungsfeierlichkeiten des Kennedy Centers in Washington. Dabei geht es hier ziemlich ungeschminkt um Sex & Crime, Inzest und Mord und Hinrichtung; wenn auch im römischen Hochadel Anno 1599. Und das alles ist durchaus auch vor dem Hintergrund der autoritären, viele Untaten vertuschenden Militär-Junta in Ginasteras Heimat zu sehen, die der argentinische Tonsetzer hier überdeutlich kritisierte. Der aber freilich auch süffisant bemerkte:  „Sex, Gewalt und Halluzination sind die drei wichtigsten Säulen, auf denen sich eine große Oper errichten lässt.“

Fotos: Klara Beck

Die agile, unter der deutschen Intendantin Eva Kleinitz noch mehr an Profil gewinnende Opéra National du Rhin in Straßburg hat jetzt diesen unbekannten, dunklen Diamanten wieder mal zum Funkeln gebracht (der übrigens weit besser ist als das gleichnamige, zuletzt im Sommer 2018 in Bregenz vorgestellte Berthold-Goldschmidt-Werk; es ist erst die zweite Premiere auf dem Kontinent seit der Genfer Erstaufführung im Jahr 2001. Das ist traurig, und spricht nicht für die Wiederentdeckungsneugierde der offenbar nur auf meist folgenlose Urauffführungen fokussierten Dramaturgien landauf, landab.

Im Elsass ist das spannende Stück in das jeweils zu dieser Opernsaison zusätzlich vom Musiktheater ausgerichtete Festival Arsmondo integriert, das dieses Jahr Argentinien zum Thema hat. Und sogar der Louvre trennte sich auf Zeit von seinem wunderfeinen, leider anonym gemalten Bildnis einer mädchenhaft zarten Turbanträgerin, in dem die schuldig-unschuldig Beatrice Cenci vermutet wird, die, vom machtgeilen Vater vergewaltigt, diesen mordete und durch ein Kirchengericht hingerichtet wurde. Auch weil der Papst allzu lange die miesen Machenschaften seines Finanziers gedeckt hatte. Im Rahmen einer kleinen Studioausstellung im Musée des Beaux Arts wird auch im rokokolyrischen Palais Rohan daran erinnert.

Natürlich lebt diese dabei gänzlich folklorefreie Oper, der Antonin Artauds Dramatisierung einer italienischen Gerichts-Chronik des 16. Jahrhunderts, sowie die diversen Ausformungen von Stendal und Shelley zu Grunde liegt, maßgeblich vom Reiz des Exotischen. Wie in Bergs „Lulu“ kreist das musikalische Geschehen um einen Schrei. Um ihn herum hat Ginastera zwölftönig und mit starker Perkussionsbetonung komponiert, hat Renaissance-Tänze ebenso gewoben wie Gregorianisches, hat horizontal ebenso wie vertikal Unterschiedliches collagiert und dabei derart mit dem Orchester gespielt, als sei dieses eine Orgel, deren unterschiedliche Register und Mixturen es auszutesten und auszureizen gelte.

Ginastera kennt die Moderne rauf und runter. „Oper der Grausamkeit“ hat man die „Beatrix Cenci“ in Anspielung auf seine Vorlage einmal genannt. Doch die Musik ist nicht grausam, sie liefert nicht nur expressionistische Essenzen, sondern kultiviert gerne auch das Dekor: setzt rhythmische Schnörkel hier, klangfarbliche Ornamente dort. Licht und Farbe hört man auch beim Straßburger Musikchef Marco Letonja, der das Orchestre philharmonique kraftvoll führt; aber auch musikalisch für Zwischentöne sorgt, während es auf der Bühne symbolisch, ja auch symbolistisch und surreal zugeht. Trotzdem ist, wenn auch abstrakter, einer politische Stoßrichtung zu erkennen, so wie sie auch vor zwei Jahren die jüngste, das Regime von damals sehr anklagende Produktion des Teatro Colon in Buenos Aires zeigt, die auf Youtube abzuspielen ist.

Mariano Pensotti, ein stark angesagter Theatermacher ebenfalls aus Argentinien, der auch einiges an deutschem Szenevolk und Festspielmachern nach Straßburg lockte, inszeniert die 14 Szenen kühl, klar, intensiv bohrend und abstrakt. Gemäß dem ersten Satz des Chors: „Wir sind der Chor. Sei aufmerksam, denn das, was du sehen wirst…“ geht es bei aller Parteinahme für die unentrinnbar ihrem Schicksal in Gestalt des fiesen Vaters ausgelieferte Familie immer distanziert episch zu. Trotzdem hat der Regisseur die Parole ausgegeben, es gehe hier um den Körper der Frau als Schlachtfeld. Pensotti und seine sehr stylische Ausstatterin Mariana Tirantte verlegen die Handlung in die Zeit der Entstehung der Oper. Ein wenig erinnert das optisch auch an Luis Buñuels Film „Der Würgeengel“, der kürzlich unter Thomas Adès für Salzburg zur Konversationsoper mutierte.

Da gibt es eine an den Schauplatz Rom erinnernde Steinquadermauer. Das Schicksal der Beatrice bringt aber sogar die leblosen Brocken zum Weinen. Und dann ist da ein auf der Bühne stetig kreiselnder Zimmerirrgarten, der dauernd um neue, elegante Interieurs ergänzt wird, ein goldener, hier meist grün gehaltener) Käfig, aus dem keiner entkommt. Ein Luxusgefängnis. Doppelt verletzlich ist Beatrice (aufopferungsvoll sopranintensiv: Leticia de Altamirano) zudem, weil sie in hautfarbenem Anzug, mit fast fetischhaft anmutenden Lederkorsetten und Stahlstützschienen humpelnd wie eine Balthus—oder Man Ray-Figur den lüsternen Männerblicken ausgesetzt ist. Nach dem Mord scheint sie selbst zerstückelt; eine weibliche Kolossalstatue (ähnlich wie die des Kaisers Konstantin) schwebt, in ihre Einzelteile zerlegt, wie eine Dalì-Installation im Raum. Am Ende wird das brutale Tribunal des anonymen Chors in blaugrüner Arbeitskleidung am Fließband Miniaturen davon verpacken: Der Nachruhm der Mörderin als Märtyrerin wird ebenfalls kommerzialisiert.

Die Nähe von männlicher Macht, Gewalt – auch sexueller – ist allgegenwärtig, die Kunst, die an den Wänden hängt, herumsteht und selbst als Modedesign getragen wird, spiegelt sie wieder, erhört sie, Bildhauerei und Malerei, auch ein Film, der beim Maskenball des verkommenen Grafen abläuft der so den gewaltsamen Tod seiner Sohne „feiert“. Gezim Myshketa singt diesen Francesco Cenci mit vital changierenden Bariton. Zur Geschlossenheit dieser packend-bestürzenden Opernpremiere trägt auch die übrige Besetzung bei: Ezgi Kutlu ist mit gefasstem, tiefensattem Mezzo Beatrices Stiefmutter Lucrecia, Josy Santos ist heillos verloren in der Hosenrolle des nicht helfen könnenden Bruders Bernardo sehr präsent. Beatrice aber, gequält, vom Mann und Vater modelliert und misshandelt, sie bleibt Projektionsfläche, Objekt und Opfer. Wie lange noch?

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Vom Wirtschaftswunder zum „Wir“: Stephan Kimmig aktualisiert clever Henzes „Prinz von Homburg“ an der Staatsoper Stuttgart

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Was soll das sein? Ein heruntergekommene, aber immerhin noch einigermaßen weiß gekachelte Waschkaue? Ein Theaterraum? Ein Ballettsaal? Ein Fitnessstudio? Oder gar ein Schlachthof? Denn blutig wird es auch. Aber Katja Haß’ multifunktionaler, auf den ersten Anschein schäbiger, dann immer wieder, auch durch die plastische Licht von Reinhard Traub  wandelbarer Einheitsschauplatz, den er für diesen „Prinz von Homburg“  an der Staatsoper Stuttgart entworfen hat, ist das alles und noch viel mehr. So wie auch das immer noch packende Kammerspiel, welches Hans Werner Henze darauf als Oper destilliert hat. Ein Jüngling kämpft darin – gegen sich selbst und gegen das System. Das heißt Preußen, aber auch Deutschland, es geht um Kadavergehorsam. Der Prinz von Homburg soll hingerichtet werden, weil er entgegen des Befehls seines fürstlichen Onkels gehandelt, trotzdem die Schlacht bei Fehrbellin gegen die Schweden gewonnen hat. Der dichtende Fantast Heinrich von Kleist erschuf sich so 1811 ein positives, starkes Preußen. Der pazifistische Fantast Hans Werner Henze, den Schrecken des Zweiten Weltkrieges entronnen und im Verein mit seiner Librettistin Ingeborg Bachmann, komponierte daraus 1960 trotz allen Säbelrasselns eine höchst fragwürdige, ja anrührende, auf das individuelle Schicksal dieses fast naiven Prinzen konzentriertes Musiktheater einer Selbstfindung. In Stuttgart wurde diese so theatralische, soghafte Musik – bei leider in der dritten Vorstellung nicht sonderlich gefülltem Zuschauerraum – vom GMD Cornelius Meister und dem Staatsorchester als scharfzüngiges preußisches Märchen rhetorisch und klanglich überzeugend zum Tönen gebracht. Und wie schon 2009 in der letzten prominenten Produktion von Marc Albrecht, Christian Gerhaher und Christof Loy im Theater an der Wien, so inszeniert Stephan Kimmig minimalistisch eine Charakterstudie, die aus dem angedeuteten Rokoko direkt in den bundesrepublikanischen Konformismus der spießigen Sechziger führt – aber alles Militaristische gekonnt ausspart. Und, anders als Loy, noch weiter geht, moderner wird, zu den 68er Protesten führt, diese aber im Schlagwort-Gewand heutiger Politparolen. „In Staub mit allen Feinden Brandenburg“ wird jetzt mit „Diversity“ und „Wir“ beantwortet. Ist deshalb aber eine Gesellschaft weitergekommen oder diskutiert sie immer noch?

Fotos: Wolf Silveri

Schon das erste Bild ist stark „halb wachend, halb schlafend“ lässt Kleist den siegreichen Prinzen nach der Schlacht „Sich träumend, seiner eignen Nachwelt gleich, Den prächtgen Kranz des Ruhmes einzuwinden“. Kimmig aber zeigt den Prinzen in roten Trainingshosen auf einer Leiter, um ihn, fein arrangiert und mit Taschenlampen in anleuchtend eine graumäusig eingekleidete BRD-Gesellschaft im Polyesterlook. Einer trägt Erich-Mielke-Hütchen, die Hofschranzen sind  mit Schärpen behängt, selbst die Kurfürstin prunkt mit Krawatte. Nur Prinzessin Natalie, des Prinzen Braut, trägt Existenzialistenschwarz zu ebensolchem Bob und Kirschmund – eine märkische Juliette Gréco, aufbegehrend, doch domestiziert. Auch wenn ihre Handschuhe die eines Boxers sind. Vera-Lotte Böcker singt sie mit rebellisch loderndem Sopran.

Kimmig spielt gekonnt mit dem Stilen und Zeiten, der Hof- und Soldatendrill ist hier an die Ballettstange verlegt, wo selbst der leicht senile Kurfürst, den Stefan Margita als starsinnigen Politgreis wunderfein tenorcharakterstudiert hat, sein Morgentraining absolviert. Fitness ersetzt Militär, Selbstoptimierung Unterwerfung. Da werden, filmblendenartig von einer eisenfarbenen Courtine getrennt, zwar Fahnen geschwungen und man macht sich mit eimerweise Blut schmutzig, aber insgesamt bleibt Kimmig ein nüchterner Raisonnier. Jeder ist hier irgendwie ein Schleimer, Speichellecker, Profiteur, Kriegsgewinnler, die rückradlose Neid- und Nickgesellschaft funktioniert. Selbst die Tante Kurfürstin (wie in Wien die hinreißend verknöcherte Helene Schneiderman) hat schon resigniert, sie ist perfekt personifiziert, repräsentiert. Doch hat sie, wie auch die auf kaum Handlungsspielraum. Kimmig zeigt sie in ihrer Szene mit dem Prinzen, der um Gnade bitte, beim Pflegen der Waffen der Frauen: Sie cremt sich aus der Nivea-Dose die immer noch makellosen Beine ein.

Der fokussiert tenorklingende Kurfürst und der sanfte Tenor Moritz Kallenberg als untröstlicher Freund Graf Hohenzollern stehen an der Spitze einer fein ausdifferenzierten Offizierstypenbrigade, trotzdem gehört dieser packende, in seiner Gewissensnot so spannende Abend einzig und allein dem Prinzen. Das war so seit das Stück von Wolfgang Sawallisch und Nikolaus Lehnhoff 1991 in München neuerlich wachgeküsst wurde, mit François Le Roux, Thomas Hampson, Matthias Goerne, Dietrich Henschel und Christian Gerhahrer so. Und ähnlich ereignet e sich jetzt mit Robin Adams, der diesen Träumer als sehr heutigen Nerd mit jeder Faser im Spielen und Singen mit lyrisch kompaktem Bariton plausibel macht. Mit einem wütenden Furor und einer zerbrechlichen Zärtlichkeit, Schutz heischend und Angst einflößend, an sich selbst zweifelnd, am Rand des Abgrunds, der Wahnsinn heißt. Als Tagtraumtänzer und Nachtwandler. Der vokal wie scharfkantig geschnitzt wirkt und sich doch weich abrunden lässt.

Ein sehr deutscher (Anti-)Held, der. Der sich final in einem schwarzen Glaskäfig, ganz weit vorn, der Staatsraison unterordnet und deshalb von ihr begnadigt wird. Der Form ist Genüge geleistet. Vorher aber tobt und wütet der Homburg, bittet und fleht, hört in sich und ruft es hinaus, verzweifelt und begehrt auf. Da zerbirst einer beinahe an dem, was sich hier unter der Staatsräson ducken soll, und resigniert am Ende. Da freilich, vorher lief er schon ohne Hose oder Hemd immer mehr außer sich durch die Szene, träg er freilich sein weißes „Freiheit“-Shirt zur Plastikfesselfixierung und wird doch errettet: Ein Traum, was sonst? Am Ende stehen sie alle da, an der Rampe, die gesellschaftspolitische Utopie, und halten vereint ihre Banderolen in Form kreischbunter Fußballfanschals hoch: „Welt“ steht da und „Mitgefühl“, „Vision“, „Neugierde“, „Fraternité“. Und die aufspringenden Saaltüren, Freunde, weißen ins Offene. Wir wollen es mal, zweifelnd schon, glauben.

Die nach „O, Unsterblichkeit, bist du ganz mein! Und „Glanz der tausendfachen Sonne“ schmeckende, nach „stille Aetherräume“ und „Nachtviole lieblich“ duftende Musik aber kostet Cornelius Meister schön aus. Da schaffen ferne Trompeten und leise Trommeln verweht militaristische Atmosphäre, da klimpert sachlich das Klavier in den Diskursen um Gehorsam und Befehlsverweigerung, Schuld und Sühne. Da geht es aber auch laut und knallig zu. Immer regiert aber der von Hans Werner Henze so formidabel beherrschte deutsche Ne-Belcanto der Nachkriegs-Moderne, scharf charakterisierend, eben nicht nur parlandesk, sondern sich mit große Emphase gefühlsstark aufschwingend.

Diese wichtige Aufführung wurde live gestreamt, wie Weiteres künftig in Stuttgart, abe mehr noch: der unermüdliche François Duplat hat sie für sein BelAir Classics-Label auch aufgezeichnet, es wird eine DVD-Veröffentlichung geben, die zweite, nach der Münchner Musteraufführung, die zeigt, wie wandelbar diese wertvolle Oper zwischen empfindsamer Individualität und Dodekaphonie-Nüchternheit ist. Und der Schott-Verlag hat dafür sogar, Henze zu Ehren, auf die Tantiemen verzichtet. Lobens- und nachahmenswert.

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Lustige Weiber, Menschenmord, Herzkammer, Antikrist, Huhn und ein Tanzhaus-Mädchen: Die Berliner Opernpläne 19/20

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Il primo omicidio

„Die Frage danach, was Menschen zu ihrem Handeln treibt und was die Welt im Innersten zusammenhält, zieht sich als roter Faden durch mehr als 400 Jahre Operngeschichte und treibt Komponisten heute ebenso an wie zu Zeiten Verdis und Wagners.“ Ganz neue Erkenntnisse, die die Dramaturgie der Deutschen Oper da anlässlich ihrer Jahrespressekonferenz angestrengt stellt. Um dann immerhin mit sechs Inszenierungen (und sogar  – bis auf eine – alle neu!) auf der Großen Bühne aufzuwarten. An der Bismarckstraße hat man sich bereits letzte Woche inhaltlich geoutet, immerhin ganz normal, in Form einer Pressekonferenz. An der Lindenoper, wo heute um elf Uhr der E-Mail-Versand startet, bunkert man lieber, wie es an der Komischen Oper schon länger der Fall ist, die am 9. April den Vorhang über den Novitäten hochzieht. Wir fassen, inklusive alle Premieren Unter den Linden, schon mal zusammen, was zu erwarten ist.

Die Staatsoper startet, und das ist sehr löblich, mit einer Neuinszenierung von Otto Nicolais hier vor 170 Jahren uraufgeführten „Die lustigen Weiber von Windsor“. Es ist zudem der 170 Todestag des früh verstorbenen Komponisten. Daniel Barenboim bricht nicht nur einen Dirigentenstab für dieses sympathische Meisterwerk, sondern hoffentlich für die an den großen Häusern arg vernachlässigte Gattung Deutsche Spieloper im Allgemeinen. René Pape ist Falstaff, Michael Volle Herr Fluth. Und David Bösch inszeniert in Berlin erstmals Oper. Es folgt zu den Barocktagen die Übernahme der eher faden Pariser Romeo-Castelluci-Produktion von Alessandro Scarlattis Oratorium „Il primo omicido“. Diesen ersten Menschenmord wird René Jacobs dirigieren. Als Weihnachtsgeschenk steht Daniel Barenboim bei Saint-Saëns’ Sahneschnitte „Samson et Dalila“ am Pult. Elina Garanca, in der Oper nur noch selten zu erleben, präsentiert die Partie nach Wien und New York nun also auch an der Spree, der argentinische Filmregisseur Damián Szifron inszeniert erstmals Oper.

Fotos: Brigitte Christensen

2020 geht es weiter mit einem neuen, jetzt tantiemenfreien „Rosenkavalier“, bei dem der Wiener Kunstgewerbler André Heller Regie führt, der kränkliche Zubin Mehta soll erstmals die fast vierstündige Oper dirigieren. Im März steht Simon Rattle einmal mehr bei Mozarts  „Idomeneo“ am Pult. Und natürlich singt Gattin Magdalena Kozena wieder den Idamante. Auch der Regisseur dürfte ihre Idee sein: der schottische Zeffirelli David McVivar. Zu den Festtagen dirigiert Daniel Barenboim mit der Staatskapelle – Überraschung! – einen Beethoven-Zyklus. Und im Graben führen beide mal wieder ihren zopfigen Mozart-Stil am Beispiel „Così fan tutte“ vor. Elsa Dreisig und Marianne Crebassa singen, Patrice Chéreaus ehemaliger, bisher kaum mit traditioneller Oper aufgefallener Assistent Vincent Huguet ist für die Regie verantwortlich. Den Premierenreigen beschließt eine neue „Chowantschtschina“ in der Regie von Claus Guth mit erstmals Vladimir Jurowski im Staatskapellengraben. Zudem treten im Großen Haus Angela Gheorghiu, Philippe Jaroussky und Renée Fleming mit Soloabenden auf.

Wir wechseln zur Deutschen Oper. Auf Hans Neuenfels’ wirklich mal legendäre Produktion von Verdis „Macht des Schicksals“ folgt dort die Neudeutung eines weiteren Altmeisters des Theaters, Frank Castorf, erstmals auf einer Berliner Opernbühne. Paolo Carignani dirigiert. Chaya Czernowin widmet sich in der vom verlässlichen Claus Guth regielich betreuten Uraufführung „Heart Chamber“ den Anziehungs- und Abstoßungsenergien, die die Beziehung zweier Menschen prägen – und eigentlich auch sonst jede Oper….. Donald Runnicles setzt 2020 seinen komplett von anderswo eingekauften und damit ästhetisch das Haus natürlich nicht prägenden Benjamin-Britten-Zyklus mit dem „Midsummer Night’s Dream fort. Mit Ted Huffman hat man sich immerhin einen spannenden jüngeren Regisseur geangelt, er hat damit bereits diesen Mai in Montpellier Premiere. Es folgt Peter Tschaikowskys gegenwärtig gern gegebene „Pique Dame“ mit dem hier bewährten Grahham Vick am Regiepult. Sondra Radvanovsky und Hanna Schwarz stehen auf der Besetzungsliste. Interessanterweise dirigiert der offenbar staatopernabtrünige Sebastian Weigle, dessen Frankfurter Vertrag 2023 endet. Und 2022 wird vermutlich Runnicles mit dem dann 65-jährigen Dietmar Schwarz die Deutsche Oper verlassen…

Britten-Präsentation

Vom dänischen Außenseiter-Komponist Rued Langgaard wird dessen einzige und sehr schräge Oper „Antikrist“ auf den Prüfstand gestellt. Vielleicht passt ja dafür der leicht verstrahlte Theater-Egomane Ersan Mondtag für dieses Mysterienspiel des Fin-de-Siècle als Regisseur. Stefan Zilias dirigiert. Und dann starten natürlich Stefan Herheim und Donald Runnicles mit dem „Rheingold“ den lange erwarteten und verdienten neuen „Ring“-Zyklus des Hauses. Drei konzertanten Oper gibt es zudem: Wohl weil die Staatsoper Anfang September mit zwei „Ring Zyklen“ beschäftigt ist, darf die sonst von Daniel Barenboim eifersüchtig als die seine reklamierte Anna Netrebko samt Gatten Yusif Eyvazov auf ihrer in Salzburg startenden konzertanten „Adriana Lecouvreur“-Tour außnahmsweise an der Bismarckstraße Station machen. Die beiden Hausentdeckungen Nicole Car und Etienne Dupuis, hier zudem zum Paar geworden, produzieren sich, wie schon in Cars Heimat Australien, in Massenets „Thais“. Und im Rahmen des rudimentär gezeigten Meyerbeer-Zykluses kommt nochmals „Dinorah“ ohne Szene zur Aufführung, diesmal mit Sabine Devieilhe.

Etienne Dupuis, Nicole Car

Von der Komischen Oper ist bereits bekannt: Barrie Kosky ist gleich inflationäre drei Mal vertreten, hoffentlich macht der nicht allzu bald den Götz Friedrich und Harry Kupfer! Mit Anne Sofie von Otter holt er die One-Woman-Twenties-Show „Ich wollt’, ich wär ein Huhn“  nach. Es kommen zudem in seiner Regie „eine monumentale Oper“ unter der musikalischen Leitung von Vladimir Jurowski, der praktischerweise so gleich zweimal zu Hause arbeiten kann, sowie eine Operette, die seit 1933 das erste Mal wieder aufgeführt wird. Eine Verdi-Oper wird gegeben, die Uraufführung einer neuen Kinderoper über Jim Knopf sowie die weihnachtlich konzertante Paul-Abraham-Wiederentdeckung mit süd-ost-asiatischem Flair, „Dschainah, das Mädchen aus dem Tanzhaus“. Und der entbehrliche Andras Homoki wird Weinbergers „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ regielich betreuen. An der Opéra de Dijon hatte zudem eben die Fortsetzung von Koskys bisher eher glücklosem Rameau-Zyklus „Les Boréades“ Premiere. Diese Barock-Winde blasen dann wohl erst ab 2020/21 an der Behrenstraße.

Les Boréades Foto: Gilles Abegg

Immerhin: eine bunte Berliner Opernsaison mit viel Rarem und Neuem – wie schon lange nicht mehr!

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Brahms’ nie komponierte Oper: „König und Marschall“ von Peter Heise eindrücklich in Kopenhagen neuinszeniert

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Dänemark gilt nicht unbedingt – wie ganz Skandinavien – als Land der Oper. Das hat sich zwar im 20. Jahrhundert sehr geändert, aber das historische Repertoire aus Nordeuropa ist überschaubar – zumal Finnland und Norwegen erst seit 100 Jahren wirklich unabhängig sind. Zwei Werke aber gelten in Dänemark als nationale Opern. Zum einen Carl Nielsens liebenswürdige, auch ein wenig melancholische Komödie „Maskerade“ nach Holberg von 1906, die inzwischen gelegentlich auf den internationalen Spielplänen auftaucht. Und die düster-tragische, fanfarensatte, chorprächtige Historie „Drot og Mask“ des 45-jährigen Peter Heise, der, ein Jahr nach der Uraufführung, 1879 starb. Erzählt wird in „König und Marschall“ ein weit zurückliegendes Ereignis der dänischen Geschichte, die ungeklärte Ermordung von König Erik V. in der Scheune von Finderup im Jahr 1286, an der wohlmöglich der Befehlshaber Stig Andersen beteiligt war, welcher hinterher verbannt wurde. Aber: Nix Genaues weiß man bis heute nicht, deshalb ein feines Fressen für das Theater wie die Oper. Und deshalb spinnt Heise hier – feine Parallele nach Schweden – einen ähnlichen Handlungsfaden wie Giuseppe Verdi in seinem „Ballo in maschera“, der in der Urfassung die Ermordung von König Gustav II. bei einem Stockholmer Opernredoute thematisierte. Der war zwar in realiter schwul, trotzdem lodert im Melodramma die verbotene Leidenschaft mit Amelia, der Frau seines Freundes, der so natürlich zu seinem Feind wird. Und auch Opernkönig Erik lässt nichts anbrennen: Erst vergnügt er sich beim Jagen im Wald mit der Köhlertochter Åse, auf die auch sein Adjutant Rane mehr als nur ein Auge geworfen hat. Dann vergewaltig er zwischen Akt eins und zwei Ingeborg, die Frau von Marschall Andersen, die dieser zu ihrem Schutz bei seinem Souverän unterbrachte, während er für Dänemark in den Krieg zog. Soviel Undank kann nicht ungestraft bleiben, zumal Ingeborg auch noch die Schwester von Rane ist, der so doppelt Grund für ein Intrigengespinst gegen seinen Herrscher hat. Zum Finale liegt Erik, der fatalistisch sein Ende für sein schlechtes Benehmen schon ahnte, in seinem Blut. Das Volk ist entsetzt. Und das Kopenhagener Publikum klatschte heftig, auch wenn es in der dritten Vorstellung der prestigereichen Neuproduktion zahlreicher hätte erscheinen können. Aber auch die Dänen wollen eben lieber Tosca oder Tristan sterben sehen. Und obwohl es „Drot og Mask“ nie wirklich auf die globalen Bühnen geschafft hat, das Koniglige Theater, zudem ja inzwischen auch die Oper und das Ballett zählen, hat das stets im Spielplan vorrätige Werk nach langen Jahren endlich mal wieder neuinszeniert. Generalintendant Kasper Holten hat Regie geführt, der Musikchef und Dänemarks profiliertester Dirigent Michael Schønwandt stand am Pult. Und die nationale Sängerelite bevölkerte die Bühne. Mehr dänisches Musikdrama geht nicht!

Fotos: Miklos Szabo

Peter Heise hat teilweise, wie viele Skandinavier, in Deutschland studiert und er kennt seinen Wagner genau. Will ihm aber stilistisch nicht folgen. Obwohl auch er keine Arien mehr komponiert. Die fünf Hauptpersonen in „Drot og Mask“ singen ein dramatisches Parlando, das sich eher selten zu Monologen verdichtet, höchstens ein Tanzlied und Balladeskes gibt es. Das Orchester hat einen wichtigen, kommentierende Part, ebenso der Chor. Hätte Johannes Brahms eine Oper komponiert, so spätromantisch schwer, doch transparent, melancholisch dunkel hätte es klingen können. Und auch das amourös zugespitzte Sujet hätte ihm gefallen. Vor dem geschichtlich determinierten Hintergrund entfaltet sich eine Privatgeschichte, obwohl alle Figuren auch Funktionsträger sind.

Kaspar Holten, wahrlich kein Bilderstürmer entfaltet das weitgehend statisch und unaufgeregt, holt aber das Gestern und Heute präzise und folgerichtig durch seine auf vielen Ebenen zwischen Mittelalter und Moderne funktionierende Ausstattung herein. Das ist kein Moritat über einen alten Mord, sondern eine heutige Parabel über Macht und Anstand. Für Bewegung sorgt Philipp Führhofers geschickt gestaltete Drehbühne. Da winkeln sich Zimmerelemente eines lüsterverzierten Palasts, der mit Originale zitierenden Bilderszenen von Erics Ermordung wie mit dänischen Naturstimmungen geschmückt ist. Aus dem Frühlingswald des Anfangs, hier ein Zitat, wo der König die als Kellnerin gekleidete Åse aufpickt und anschmachtet, wird am Ende eine fast apokalyptisch anmutendes, umwölktes Wintertableau in kaltem Licht. Die wie ein Bilderbogen multifunktionale Bühne kann offen oder geschlossen wirkten. In den Spiegelbegrenzungen an den Seiten doppeln sich zudem die auf ihrer Rückseite bunkerartige Betonmauern offenbarenden Dekoelemente  zum Labyrinth. Das hält Menschen wie Leidenschaften gefangen. Auch Anja Vang Kraghs nur am Anfang noch bunt aufgehellte Kostüme lassen den Handlungszeitraum im Ungefähren, wollen ein ewiges Spiel zwischen Macht, Liebe und Rache zeigen.


Druckvoll aber schön schallen die Chöre, Michael Schønwandt hat alle Kollektive perfekt im Dirigentengriff. Er kennt die Oper, hat er doch schon 1993 die maßgebliche Gesamtaufnahme bei Chandos vorgelegt. Wie ein ruhiger dunkler Fluss laufen da die Streicherbewegungen der Königlichen Kapelle dahin. Man schwelgt gekonnt in Nationalromantik, durchbrochen von aufzuckender Leidenschaft. Auch das Holz klingt hier erdig, nur die Blechbläser sorgen für schwarzen Glanz. Ein fatalistischer Ton herrscht hier vor, keiner kann der Macht seines Opernschicksals entrinnen, ist es auch so mutwillig verursacht wie bei dem als gebrochene Gestalt gezeichneten König Erik. Peter Lodahl singt den mit ausdrucksstarker, nimmermüder, dabei heldisch geforderter  Tenorstimme und ist auch ein facettenreicher Darsteller. Er gibt dem moralisch zweifelhaften Monarchen ein menschliches, beinahe erlösendes Glühen.

Johan Reuter ist als ebenfalls nicht nur Schwarz und Weiß gezeichneter Marschall Andersen ein markanter Stamm in der Basslandschaft, gegen dessen Wut und flackenden Zorn singt keiner an. Seiner Frau Ingeborg gibt Sine Bundgaard mit ihrem kompakten, höhensatten Sopran Wucht und Verletzbarkeit, faszinierend ist sie hin und hergerissen zwischen Rachedurst und Selbstekel. Sofie Elkjær Jensen zeichnet eine lieblichere, aber durchaus vokal zupacken könnende Åse, die am Ende traurig an der Leiche Erics wieder auftaucht. Ein schillernder Spielmacher, Loge nicht unähnlich, ist der Rane des längst zum Charaktertenor mit bisweilen gellenden Spitzen gereiften Gert Henning-Jensen, selbstsicher und eitel, aber auch echt wütend.

Eine mustergültig fesselnde, moderne Aufführung dieser lohnenden Oper, der man gern auch einmal außerhalb Dänemarks begegnen würde. Hoffentlich wird sie wenigstens für die DVD bewahrt

Der Beitrag Brahms’ nie komponierte Oper: „König und Marschall“ von Peter Heise eindrücklich in Kopenhagen neuinszeniert erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

Tokio Springfestival I: Kirschblüte, Riccardo Muti, „Rigoletto“

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Tokio! Mal wieder! Ich habe längst aufgehört, zu zählen, wie oft. Das touristische Programm ist längst abgehakt, hier gilt’s nur noch dem Job und der Kunst. Und erstmals: den Kirschblüten. Sonst war ich meist später im Jahr da, aber diesmal muss und soll es sein. Das immer im März bis Anfang April abgehaltene Tokyo Spring Festival hat sich schließlich nicht nur zum 15. Geburtstag einen rosaroten Anstrich gegeben. Doch noch knurrt das Wetter ein wenig. Es ist kühl am Narita Airport, und auch die Bäume da draußen, 90 Minuten von der Millionenmetropole weg, sind noch festgeschlossen und ohne Grün. Das erste Pink ist, wie stets und verlässlich – Tokyo Disney Land. Doch schon in den Gärten der riesigen, ebenfalls wohlbekannten, von vielen Tourorchestern und Opernkompanien gern gebuchten Takanawa Hotels an der praktischen Shinagawa Station steht alles in vollster Blüte. So zart wie herrlich. Noch fülliger ist es im Ueno Park mit einer der Klassikhaupthallen der Stadt, der Bunka Kaikan sowie zahlreichen Tempeln und Museen. Hierhin bin ich nach kurzem Kofferabwurf sofort weitergefahren. Und auch die üppig ausschlagenden Bäume müssen noch etwas der näheren Betrachtung harren. Ich bin wegen einer der populärsten italienischen Opern den weiten Weg gekommen, noch dazu konzertant und nur in Auszügen, dafür besonders sorgfältig erklärt und geprobt. Denn der Weg ist das Ziel: Riccardo Muti ist samt Söhnen Domenico und Francesco sowie der obligatorischen Groupies einmal wieder nach Asien aufgebrochen, um seine sonst des Sommers in Ravenna abgehaltene Italian Opera Academy nach einer Korea-Visite erstmals in Japan stattfinden zu lassen. Beim Spring Festival ist er ein regelmäßiger Gast, auch hat er sein Orchestra Giovanile Luigi Cherubini bereits mit dem dortigen Festival Orchestra vereint im Namen seiner Roads of Friendship-Initiative in Tokio und Ravenna dirigiert. Jetzt wird sieben Tage lang mehrstündig am „Rigoletto“ gearbeitet, natürlich ist dem der obligatorische Erklärvortrag des Maestro (bei ihm darf man das noch mit vollem Recht sagen), vorausgegangen, bei dem der 77-jährige Schüler des Toscanini-Protegés Antonino Votto seine inzwischen leider fast einzigartigen Praxiserfahrungen weitergibt. Mit Kenntnis, klugen Tipps, Witz, Anekdoten und Generosität. Auf drei Jahre ist das Projekt eingetütet, „Macbeth“ und „Ballo in maschera“ werden folgen. Dieser Muti und sein Wissen, das ist ein ganz anderer, bei allem Arbeitsethos entspannter als der strenge Zuchtmeister als den man ihn vom Konzertpodium oder aus dem Operngraben heraus zu kennen glaubt.


Und in dem schönen, modernen, in Brauntönen gehaltenen Probensaal der Tokio University of Arts am Ueno Park ist die Atmosphäre herzlich entspannt. Ale sind in der Pause. Riccardo Muti, der aus Chicago gekommen ist, wo ihn ein bereits vierwöchiger Orchesterstreik beschäftigte, den er, ungewöhnlich für einen sonst sich dort neutral geben müssenden Chefdirigenten, auch öffentlich befürwortet, sitzt bei Espresso und Schokolade in seiner Garderobe. Er ist bester Laune, plaudert mit seiner einstigen Scala-Gilda, der ungarischen Sopranistin Andrea Rost. Toscanini-Biograf Harvey Sachs ist auch da, zudem eine wohlhabende Chinesin, einst Rote Armeetänzerin unter Mao, heute in San Diego lebend.

Die aus 130 Bewerbern und schließlich 12 Finalisten ausgewählten vier Dirigenten, mit denen er bereits seit drei Tagen gearbeitet hat, scheinen ihnen zufrieden zu stellen. Sie kommen aus Singapur, Korea, Japan und einer ist Deutsch-Amerikaner; zwei davon wurden an der Hanns-Eisler-Hochschule in Berlin ausgebildet. Wir starten mit dem zweiten Bild, dichtes, intensiv-atmosphärisches Vorspiel, Szene mit Sparafucile, Monolog des Rigoletto „Pari siamo“ und Duett Gilda-Herzog. Der Dirgierschüler aus Singapur steht am Pult. Der Saal ist dicht gefüllt, viele sitzen mit Partituren auf den Zuschauerstühlen, machen sich intensiv Anmerkungen, in einer Kabine murmeln zwei Übersetzer.

Muti sitzt hinter dem Dirigenten lässt es zunächst laufen, scheint aber nicht sehr zufrieden. Es spielen Musiker aus Tokios Profiorchestern, Höchstalter 40, bei den Streichern sitzen auch ein paar Studenten, die von den Erfahrungen des Italieners profitieren sollen. Der lamentiert mit komischer Emphase  über die zu starre Taktgebung, die zu wenig verbundenen Legati. Er will mehr Diminuendo, mehr Freiheit: „In den Schulen lernen sie zu viel. Das ist der Feind des Musizierens. Ich will keinen Zirkus, nur die Essenz.“

Schluss, für den Rigoletto-Monolog ist der Mann aus Seoul dran. Er hat einen ruhigen Stil, lässt dem gut klingen italienischen Bariton Francesco Landolfi aber zu viele Freiheiten. „Nicht so laut am Ende“, fährt Riccardo Muti dazwischen. „Das ist so vulgär. Dumme Sänger wollen so Aufmerksamkeit erregen, und das bisweilen noch dümmere Publikum glaubt, nur so bekommt es einen Orgasmus.“ Hier wird Tacheles geredet. Geht es um Verdi-Stilistik, dann ist ist er unerbittlich. „Und ich sage immer wieder, es geht hier auch um Freiheit, aber mit Niveau und Wissen. Verdi ist so einfach. Es kommt immer auf die die Beziehung zwischen Wort und Ton an. Er beherrscht dies meisterhaft, aber jeden Fehler hört man, jede Nachlässigkeit zerstört die Eleganz. Basta!“

Das Duett mit dem Herzog und Gilda kommt dran – und die japanische Taktstockkandidatin. Venera Protasova steht zum Singen auf, Giordano Lucà markiert zunächst, steigt dann aber voll ein. Muti lässt es erst einmal laufen. „Zu laut“, ist dann sein Kommentar. „Das sage ich seit 50 Jahren, aber keiner hört zu. Und weniger taktieren, atmen. Taktstriche sollten eigentlich gar nicht existieren. Mehr sforzato im Blech, aber mit Geschmack, 1851 hatte man ganz andere, leisere Instrumente. Sotto voce und ein feines Piano in den Bläsern bitte.“ Die setzten das flexibel um, jetzt lächelt er wieder. Dann gibt es noch einen Masturbationswitz, ein Textmissverständnis, worüber sie seit Jahrhunderten lachen.

Das war es für heute. Harvey Sachs übernimmt, erzählt ein wenig von Toscanini, liefert aber den Dirigierschülern vor allem diverse Filmausschnitte aus dessen späten Jahren, wo man immer sieht, wie sparsam dessen Gestik war. Wenig ist mehr – sagt auch Muti. Und gut ist. Für heute, der Langstreckenflug fordert seinen Tribut. Und die angestrahlten Kirschbäume leuchten jetzt wie ein Zauberwald.

Der Beitrag Tokio Springfestival I: Kirschblüte, Riccardo Muti, „Rigoletto“ erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

Tokyo Spring Festival II: Rauchen beim Aalessen und wieder mal – die Akustik der Elbphilharmonie

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An der Tokioer Bahn-Station Ueno staut es sich. Massen drängen in den Park, die Millionen Menschen dieser sonst so sanft fließenden Stadt sind mal wieder deutlich spürbar, weil zumindest einige Tausend davon mit ihren Kindern in den Zoo und zu der Allee aus blühenden Kirschbäumen strömen. Man sieht die wie leise rieselnder Schnee fallenden Blättchen beinahe vor lauter Selfiesticks nicht. Ich habe sowieso keine Zeit und nur einen kurzen Blick dafür, mein Hanami-Moment kommt erst noch. Es geht weiter, wieder in die University of Arts, zu „Rigoletto“, Riccardo Muti und seiner Italien Opera Academy im Rahmen des pink ausgeflaggten Spring Festivals, oder harusai, wie es hier heißt. Ein bewegliches Museum hat man auch aufgestellt: Fototafeln der Ballets-Russes-Stars, die sich in einem Wasserbecken vor dem Bunka Kaikan, der städtischen Konzert- und Opernhalle spiegeln, die ja der japanische Corbusier-Schüler Kunio Maekawa 1961 in so wuchtig wie verspielter Beton-Moderne gebaut hat. Gegenüber zeigt das von Corbusier selbst entworfene Museum Westlicher Kunst eine ihm gewidmete Ausstellung – viel Bildung im Vorübergehen. Auch das Metropolitan Museum und die Konzerthalle der ersten Musikschule des Landes in einem alten Holzhaus liegen am Weg.

Innen haben die vier Dirigierschüler, die auch nächstes Jahr zur „Macbeth“-Akademie wieder kommen dürfen, heute nur zuzuschauen. Riccardo Muti übernimmt jetzt Sänger und Orchester selbst. Denn er wird, da diesmal nur eine statt zwei Akademiewochen möglich war, das Abschlusskonzert dirigieren. Deshalb spielt er jetzt die ausgewählten Szenen ruhig und effizient durch. Wieder ist der Saal propvoll, alles hängt an seinen Lippen. Er geht es chronologisch an. Nichts aus der ersten Szene, aber dafür die gesamte zweite, bis auf das Chorfinale. Gern hört er dem satten Blech zu, das sehr flexibel strömen kann, jede Anmerkung sofort und richtig umsetzt. Hier wird lange schon nicht mehr nur mechanisch auf hohem Niveau nachgespielt, die japanischen Instrumentalisten sind in den letzten Jahren viele beweglicher und mutiger geworden. Muti spricht davon, wie sich alle Personen, die mit Monterones Fluch zu tun haben, um denselben Ton vereinen. Er lässt die Posaunen den Klang eindunkeln und aufhellen, arbeitet an Nuancen. „Seht mal“, wendet er sich zu den jungen Dirigenten, „ich dirigiere zwar nach unten, hebe aber am Taktende den Stab an, so werden alle unwillkürlich heller.“ Kleine Tricks vom Könner.

Dann erfreut er sich an den vibratosatten Celli, die das berühmte Sparafucile-Thema einleiten. „Ich bin jedes Mal wieder selbst überrascht vom Reichtum und der Effizienz dieser Partitur, die so oft durch Fahrlässigkeit um ihre Wirkung und ihre Schönheit gebracht wird. Auch Verdi braucht Sorgfalt. Und bisweilen eine Intensität wie Brahms, aber eben ohne jede Knalligkeit. Ich hasse beispielsweise diese Engländer, wenn sie einem immer mit ihrer Italienità ankommen, das sind doch nur schlechte Klischees.“

Er sieht sich als steter Rufer in der Wüste. „Denkt an Richard Tucker, den Ihr gestern im Toscanini-Video gesehen habt. Der musste nicht brüllen und der hatte noch eine Ahnung vom Geist des Belcanto der Kastraten, und ihrem langen Atem. Die waren übrigens alle auch umfassend am Cello, und am Bass ausgebildet. Wirkliche Musiker. Tucker konnte das mit schnellem Atmen ausgleichen, und so schön die Phrasen gestalten. Ich habe noch zweimal mit ihm in Florenz arbeiten dürfen. Damals war er alt und ich jung. Jetzt bin ich alt und er ist tot. Hoffentlich wird all dieses Wissen irgendwie weitergetragen werden.“

Dem Rigoletto Francesco Landolfi rät Muti mehrmals, deutlicher auf die Wortbedeutung zu achten: „Ich bin ein hässliches Produkt der Natur und der Menschen“, singt der, da dürfe man nicht mit einem auftrumpfenden Schlusston diesen Monolog beenden, der eben keine Arie sei. Das Orchester solle aber wie improvisiert die aufschäumende Melodie zu Gilda Auftritt spielen, „das ist nicht abgedroschen“. Es bräuchte die Kraft eines Ferraris, aber ganz zurückgenommen. „Bitte keine Noten buchstabieren und mehr entusiasmo! Ich höre hier immer Verdis Banda, so wie er sie als kleiner Junge gekannt hat. Diese Kapellen gibt es heute noch in Italien, die spielen vielleicht nicht schön, aber mit Leidenschaft. Und denkt an den Auftakt! Auf dem Atem, bitte. Beecham hat immer gesagt, der erste und der letzte Takt zählt, die merkt sich das Publikum. Geigen, habt ihr gehört, die Phrase bitte wie Vivaldi, dann aber mit mehr Spumante!“ Pause! Benissimo.

Riccardo Muti kann richtig breit grinsen, wenn ihm etwas gefällt oder wenn er einen guten Witz gemacht hat. So bleib die Stimmung im Saal trotz aller Intensität aufgelockert und im besten Sinnen konzentriert. Die Sänger halten sich zurück, drehen aber bisweilen auch auf, wollen zeigen, was sie können. Besonders in den großen Nummern des nun anstehenden zweiten Aktes. Muti drosselt oft, „singt das wie ein Schubert-Lied“, sagt er zum Tenor, der schönes Material hat, dessen Technik aber bisweilen ausfranst. „Und drück nicht so! Du willst noch ein paar Jahre durchhalten.“

Es geht zum Mittagessen auf die andere Parkseite. Koicho Suzuki der Chairman des Festivals wie von IIJ – Internet Initiative Japan – hat geladen. Es gibt Aal, das Restaurant wurde ausgesucht, weil er hier in einem Privatspeisezimmer rauchen darf. Was er ausführlich tut. Irgendwie sympathisch, der Mann! Und wie so oft in Japan: ein Wirtschaftsmensch, ein Herr der Zahlen, aber mit großer Liebe zur Musik. Das Tokyo Spring Festival ist seins, er hat es anfangs allein bezahlt, inzwischen gibt es einen großen Förderkreis von über 60 Firmen und mehr als 600 privaten Sponsoren: „Ich habe früher in Europa gelebt, auch eine Zeit in Karlsruhe, und natürlich komme ich, sooft ich kann, zu Festivals und Konzerten zurück. Zum Spring Festival hat mich der Prager Frühling in Tschechien inspiriert. Ich fand es toll, wie dort die ganze Stadt durch die Musik und die Jahreszeit förmlich aufblühte, wie viele partizipiert haben.“

Die neuerliche Kameraspende für die Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker hat Suzuki san mit eingetütet, und auch sonst dreht er – diskret und lächelnd, sehr zurückhaltend, die Rädchen in Hintergrund. In Japan lieben und verehren sie die alten Männer: Deshalb stand am Anfang des Tokyo Spring Festivals natürlich wieder mal Seiji Ozawa, ohne den hierzulande immer (noch) kaum etwas geht; auch wenn er mit seinen 83 Jahren und der schwachen Gesundheit weitgehend symbolisch agiert. Er brachte freilich, damals war er ja auch Chefdirigent der Wiener Staatsoper, deren ehemaligen Intendanten Ioan Holaender beratend mit ins Frühlingsboot. Vor allem für die Wagner-Besetzungen war und ist der ewig Umtriebige zuständig, gerade wird er wieder samt Servus-TV-Team erwartet. Business und Fernsehshow, in Japan und bei den Privaten offenbar kein Widerspruch.

Wagner – natürlich. Auch so eine Suzuki-Liebe. Jedes Jahr gibt es inzwischen eine sehr gut, gern auch mit Altstars gecastete konzertante Aufführung mit dem NHK Orchester, die optisch mit Videos aufgehübscht wird. Holender macht das schon, meist im Verein mit dem hier sehr verehrten Marek Janowski. Für das letzte Jugendwerk, den „Fliegenden Holländer“,  hat 2019 freilich ein hoffnungsvoller Junger an der Opernreling angeheuert – David Afkham. Und auch Katharina Wagner, um die sich Suzuki-San lange bemüht hat, war jetzt endlich auch mal als Professionelle da: zum Jubiläum hat sie drei Wochen lang mit japanischen Sängern den Bayreuther „Holländer“ für Kinder einstudiert. Der wurde mehrmals in einem Bankfoyer aufgeführt, wie überhaupt das Spring Festival gern die traditionellen Säle verlässt. Viele, gerne auch thematisch gebündelte Konzerte finden in den Museen und Hochschulen in und am Ueno Park statt, wo der Bunka Kaikan als Anlaufort fungiert. Auf dem Weg zum Essen sind wir auch an einer Freiluft-Session mit Saxophonen vorbeigekommen, umsonst und draußen; das Festival weist mit den rosa Westen der Musiker in der Hanami-Farbe auf sich hin. „Concerts in Harmony with Cerry Blossoms“, nennt sich das typisch japanisch.

Koicho Suzuki erzählt von der „Blechtrommel“ und wie er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg via Grammophon Schubert-Impromptus („mit Arthur Schnabel“) und Lieder für sich entdeckt hat. Eine Zeitlang wollte er Pianist werden, „aber zum Glück habe ich das gelassen.“ Dafür liebt er auch das Kino besonders. Riccardo Muti ist ebenso wie Zubin Mehta ein regelmäßiger Spring Festival-Gast, mit Bryn Terfel spielt er Golf. Zum 15. Geburtstag gibt es natürlich eine Sängergala unter Philippe Auguin mit Meagan Miller, Elisabeth Kulman, Peter Seiffert, John Lundgren und Ain Anger. Auch die Gurre-Lieder wuchtet man. Nachdem er mit Kirill Petrenko hierzulande einen so großen Erfolg hatte, tritt Igor Levit mit seinem bewährten Variationen-Programm (Bach, Beethoven, Rzewski) auf. Zum Orchestra Day bevölkerten 13 Tokioer Klangkörper den Bunka Kaikan. Man feierte Clara Schumanns 200. Geburtstag, stellt lokale und junge Musiker vor, mach viele Educationarbeit. Und alles – privat finanziert.

Wir müssen zurück, Riccardo Muti, der Unermüdliche, ist schon wieder am „Rigoletto“-Proben. Ein guter Lauf, der dritte Akt geht fast ohne Unterbrechungen zu Ende. Bis morgen, zur Generale! Später lädt er großzügig in kleinem Kreis zum Essen ein, natürlich Italienisch, Sabbatini di Firenze hat einen Ableger im Ginza Viertel. Und ich stelle wieder fest: Er liebt am Abend Mozarella, Pomodoro, Prosciutto, Pasta und Spumante, sehr einfach. Und er nimmt natürlich kein Blatt vor den gespitzten Mund.

Ein altes Thema zwischen uns: die Akustik in der Elbphilharmonie. Riccardo Muti, hier sei es nochmal gesagt, mag sie nicht, findet sie mittelmäßig. Dabei war er doch dort als erster, allseits gelobter Gaststar beim Eröffnungswochenende. Neulich habe ich das publik gemacht. Und schon klingelte deren Chef Christoph Lieben-Seutter bei Muti Sturm. Er möge das widerrufen, wie könne er! Eine sehr heikle Sache, da werden die Hamburger dünnhäutig. Lieben-Seutter will sogar nach Ravenna kommen, sich mit ihm austauschen, ihn umstimmen. Nichts für den sturen, prinzipientreuen Muti. „Ich sage es hier und jetzt nochmal – ein mittelmäßiger Saal! Und mehr noch: Ich trete darin nicht mehr auf, gerade habe ich ihn für geplante Tourneen mit den Wiener Philharmonikern wie mit dem Chicago Symphony Orchestra aus der Reiseliste streichen lassen! Dort vergeude ich nicht meine Zeit.“ Basta – und jetzt Pasta. Penne Aarrabiata, besonders scharf…

Der Beitrag Tokyo Spring Festival II: Rauchen beim Aalessen und wieder mal – die Akustik der Elbphilharmonie erschien zuerst auf Brugs Klassiker.

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