Die Queen wird heute happy und gloriose Neunzig, ihre illustre Vorgängerin Elizabeth I. hat eben einen kurze, aber theatralische Regierungszeit in New York hinter sich gebracht. Denn so muss Oper an der Met sein: Vollfettstufe, larger than life, stargespickt, durchaus ein wenig altbacken. Met-Met-Opera eben. Wir merken immer mehr: Nur so lässt sich die 4000er-Kiste am Lincoln Center befriedigend füllen. Und nicht mit all den halbgar modernistischen Versuchen, die zwar von der ästhetisch rückwärtsgewandten, stets nach Radikalem schreienden, das aber dann doch nicht mögenden New Yorker Kritik wie auch von der Mehrzahl des schwindenden Publikum abgelehnt werden.
Dann lieber beherzt altmodisch, so wie es jetzt dem nicht nur hier als neuer Zeffirelli gehandelten David McVicar mit „Roberto Devereux“ gelungen ist. Freilich erst im dritten Anlauf. Seine beiden ersten Versuche mit Donizettis Tudor-Trilogie war nicht Traditions-Fleisch noch Minimalismus-Fisch. Sondern nur öde. Das kann man jetzt vom zweiten Auftritt der Elizabeth I. nicht behaupten. Der riss das nahezu volle Haus nicht nur zu vergleichsweisen langen Beifallstürmen hin, reichlich Applaus wurde auch schon während der Vorstellung gespendet; wie sich das für eine richtig gelungene italienische Oper eben gehört.
McVicars selbst laubgesägtes, funzelig beleuchtetes Einheitsset in Schwarz und Gold ist eine funktionable, nichts weiter bedeutende, aber geschickt das Riesenbühnenlock verkleinernde Mischung aus Katafalk und Hofschranzentheater. Der Chor stellt letztere funktionslos beobachtend als zum tönenden Tortendeckchen degradiertes Singornament da. Immerhin darf da jede Dame eine Queen mit Diadem sein. Dazwischen werden die handelnden Figuren samt ein paar Möbeln zu Maurizio Beninis beherzt formendem Dirigat als gefälliges Arrangement herumgeschoben.
Doch dieses Protagonistenqaurtett hat es in sich. Denn diesmal hat man das Geld nicht nur für die Titelfigur ausgegeben, sondern es zum Wohl der bis auf die Tenorarie melodisch wenig eindrücklichen, aber psychologisch abgründigen und glaubhaften Donizetti-Oper ausgegeben. Was sich gelohnt hat. Hier ist endlich mal wieder eine wirkliche All-Star-Cast zu bewundern, die zudem den dringend nötigen Met-Stallgeruch besitzt. Ganz besonders natürlich Sondra Radvanovsky, die am Ende dieser Premierenserie sogar mit Konfetti überschüttet wurde. Seit 1996 singt die Sopranistin hier, von der Gräfin Ceprano im „Rigoletto“ hat sie sich in 25 Rollen und mehr als 150 Vorstellungen zur Assoluta entwickelt, die – ziemlich einzigartig – in dieser Saison nicht nur nach Anna Bolena und Maria Stuarda mit der Elisabetta in New York gleich drei Donizetti-Königinnen verkörpert hat (ein endlich auch mal programmatisch geschickter Schachzug von Peter Gelb, die Premieren mit Anna Netrebko und Joyce DiDonato auch in der Revival-Trias interessant zu machen), sie war anderswo auch Aida, Tosca und Manon Lescaut. Das soll ihr mal wer nachmachen.
Die Radvanovsky ist keine genuine Belcanto-Sängerin, aber sie hat die Technik, die Höhe und die Koloraturgeläufigkeit; nicht mehr aber ist die Stimme genuin schön, aber zielgerichtet ausdruckstark. Darauf setzt sie, wenn sie ab dem ersten Auftritt in Roben wie Panzer mit Schmetterlingsflügelkragen die Bühne beherrscht, als parkinsonzittriges bleiches Königinnen-Gespenst und Gothic-Phantom of the Belcanto-Opera: mehr Norma Desmond auf einem britisch royalen Sunset Boulevard als virgin queen, Tudor-Butterfly und schwarze Fioriturenwitwe. Schon früh im Finale fällt die Perücke, dann geistert diese Elisabetta als weiße Dame im Donizetti-Spukschloss ganz allein durch die effektvolle Schlussszene, wo sie vorher doch noch immerhin ihre fein ondulierten Toyboys geherzt und gekniffen hatte.
Zu denen gehörten früher sicher auch mal der weichstimmige Pole Mariusz Kwiecien (seit 17 Jahren an der Met zu hören) als ambivalent agierender Herzog von Nottingham, der seiner Rolle baritonalen Tiefenschimmer gibt, und der monochrome, ebenfalls nicht mit romantischem Stimmglanz gesegnete, aber männlich seine Partie ausmessende Matthew Polenzani (37 Rollen in über 300 Met-Vorstellungen seit 1997) als in Ungnade gefallener Devereux. Die weibliche Gegenfarbe, erst extrem samtigsanft, dann auffahrend trotzig, verkörpert Lettlands luxuriöser Mezzoklangkörper Elīna Garanča, die als Gattin von Norfolk und neue Geliebte Roberts ihre eigentlich schematische Rolle vokal wie darstellerisch extrem aufwertet. Was diesen besonderen Abend ungemein putzt.
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