Halten Berühmtheiten, was sie versprechen? Im Fall der legendären Met-„Bohème“ von Franco Zeffirelli kann man das positiv beantworten. Viel abzudaten und regiezuruckeln gibt es da sowieso nicht, das kurze, tränentreibend wasserdicht auf den Punkt gebrachte Puccini-Werk funktioniert einfach am Besten in einer nostalgischen Panoramaanmutung: Aids statt Schwindsucht, New Yorker Lofts statt Pariser Quartier Latin bringen uns die vier Möchtegernkünstler und ihre zwei Teilzeit-Liebchen auch nicht näher. Das Sentiment gelingt am Günstigsten im Nostalgie-Look; deshalb pflegen ja selbst der Moderne aufgeschlossene Häuser wie das Münchner Nationaltheater oder die Deutsche Oper Berlin ihre betagten Otti-Schenk- bzw. Götz-Friedrich-Produktionen als polierte Antiquitäten.
Die New Yorker Zeffirelli-„Bohème“ sieht älter aus als ihr Baujahr 1981, aber sie ist ja auch nur ein Klon der nach wie vor gespielten Urfassungen in Mailand und Wien. Die realistisch kleine Mansarde, das zum zweistöckigen, obligatorisch applausbegleiteten Panoramabild geweitete Café Momus und die Zollstation als milchig nebelige Schnee-Vignette sind gut im Schuss und ebenso vital bespielt. Diese Saison ist es schon der dritte Lauf (kein Wunder, die ewige Cashcow stand seit der Uraufführung nur in sieben Spielzeiten nicht auf dem Met-Plan) – ausverkauft ist es trotzdem nicht. Was einmal mehr beweist, dass die Met heute eben einfach 1000 Plätze zu viel hat…
Zu hören ist, unter Dan Ettingers routiniert süffiger Leitung, eine handverlesene Besetzung bestmöglicher jugendlicher Sänger (sogar drei Italiener darunter), denen freilich allen (noch) eines abgeht: the big name. Und nur mit Kennern ist die Hütte eben niemals voll. Maria Agresta muss sich mit ihre anrührenden Lyrizismen nicht sehr hinter Anna Netrebko verstecken, Ailyn Pérez hat Sex und Koloraturklangbrio, sie ist für die durchaus vulgäre Musetta, die sich hier in einer von einem echten Gaul gezogenen Kutsche hereinfahrenlassen darf, allererste Wahl.
Bryan Hymels Rudolfo hat die Eleganz von Beczla wie die Strahlkraft von Calleja – und große Darsteller sind die auch beide nicht. Levente Molnár war lange im Münchner Ensemble und gastiert jetzt als verlässlicher, darstellerisch kräftiger Bariton. Hier ist er ein starker Marcello. Roberto Tagliavini legt seine luxurierend weiche Bassfülle in Collines Mantelarie. Alessio Arduini mit seinem schlanken Glanzlichtbariton als Schaunard ist purer Besetzungsluxus, ebenso der vergnügliche Met-Bassveteran (mehr als 1600 Vorstellungen seit 1967!) Paul Plishka als Benoit und im Caféhausgewusel fast untergehender Alcindoro. Also schade um die leeren Plätze, da hätten noch einige Menschen mehr ihren Puccini-Spaß gehabt und wären voll auf ihre Kartenkosten gekommen.
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