Man kann es nicht anders sagen: Es ist eine Sauerei. Eine bodenlose. Es ist borniert, dumm und gedankenlos. Ausgerechnet einer der wenigen funktionierenden EU-Kulturinstitutionen das Licht auszudrehen. Ausgerechnet in einer Zeit, in der besonders das Wort „Gemeinschaft“ auf dem Prüfstand steht, der europäische Gedanke wenigstens ein paar Beispiele benötigen würde, die in einer zerstrittenen Zweckunion weiterhin als Leuchttürme dieser Idee funkeln. Wie etwa das 1976 gegründete European Union Youth Orchestra (EUYO). Ein Klangköper, der von Anfang an eigentlich nur positive Schlagzeilen machte, der von den besten und größten Dirigenten der Branche wie auch von vielen Klassikstars umstandslos unterstützt und auf vielen, vielen Tourneen gefördert wurde.
Man muss gar nicht über den völkerverbindenden Gedanken der sprachlosen Musik salbadern, dieses mit Mitglieder aus 28 EU-Staaten gebildete Orchester war praktisch, effektiv, innovativ und angesichts von überschüssigen Milchmeeren und Butterbergen, milliardenteuren Verkehrsbeihilfen etwa in Spanien oder Griechenland unverschämt billig. Seit seiner Gründung hat das EUYO mehr als 3000 jungen Musikern zwischen 14 und 24 Jahren die Möglichkeit zum weiterführenden Orchesterspiel auf höchstem Niveau geboten. Daniel Barenboim, Leonard Bernstein, Colin Davis, Herbert von Karajan, Mstislav Rostropovich haben es unter vielen anderen auf vier Kontinenten, in 43 Ländern, 177 Städten und 224 Sälen dirigiert.
Die Erfahrung aus dem EUYO wird seit 40 Jahren als gutes Training für eine zukünftige Karriere in der professionellen Musikwelt angesehen. Mehr als 90 Prozent seiner bis zu 140 Mitglieder werden später professionelle Musiker, viele von ihnen haben Stellen in Europas führenden Orchestern bekommen. Bis zum Jahr 2013 agierte diese vorbildliche Fortbildungsmaßnahme mit Unterstützung der EU als kultureller Botschafter für die Europäische Union. Eine Änderung bei den EU-Förderungs-Richtlinien beendete freilich die institutionelle Unterstützung. Finanzmittel kamen ab 2014 nur mehr für Projekte, die als Teil des neuen „Creative Europe“-Programms anerkannt wurden.
Vor vor wenigen Wochen wurde dem Ensemble mitgeteilt, dass es zukünftig kein Geld aus diesen Töpfen bekommt, man fördert ab 2016 andere Initiativen. So schnell und brutal geht das. Man mag nun dem nicht immer sehr effektiven englischen Management Versäumnisse beim Akquirieren von alternativen Sponsoren vorwerfen. Aber das jetzt einfach Schluss sein soll, das würde nicht nur dem Geist des Gründungsvaters Claudio Abbado, des Ehrendirigenten Bernard Haitink, des ehemaligen Chefs Vladimir Ashkenazy und den Bemühungen des gegenwärtigen Chefs Vasily Petrenko Hohn sprechen.
Im Sommer 2016 stehen noch Auftritte des Orchesters beim Grafenegg European Music Campus oder beim Europäischen Forum Alpbach an, auch die Festivaltour 2016 ist gerade noch gesichert. Doch wenn nicht schnell etwas geschieht, wird das Orchester zum 1. September aufgelöst. Es wäre eine Tragödie, wenn die europäische Gemeinschaft die Arbeit des Orchesters nicht mehr als Kernstück und -wert des europäischen Projekts begreift.
Mit einer Kampagne versucht das EUYO auf seine Lage aufmerksam zu machen
http://www.euyo.eu/about/saveeuyo/
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