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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Nicht überraschend, aber gut: Yannick Nézet-Séguin wird 2020 neuer Met-Musikchef

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03METCONDUCTOR-master768Ein Papagei, der nach Mirabellen pickt auf dem grauen T-Shirt, ein Goldkettchen, das über dem V-Ausschnitt glitzert, Dreitage-Bart und kurz geschorenes, weil schütteres Haupthaar. Nein, der 41-Jährige, der da auf dem offiziellen-Met-Begrüßungsfoto im Family Circle zufrieden lächelnd in die Kamera blickt, ähnelt nicht sehr dem üblichem Opernbesucher im New Yorker Lincoln Center. Aber genau das war ja wohl die Absicht. Freilich, auch wenn Intendant Peter Gelb den nach 40 Jahren wegen seiner schlechten Gesundheit zum Music Director Emeritus gemachten James Levine jetzt sehr schnell durch den weltweit vielgefragten Yannick Nézet-Séguin ersetzt hat: Das wird nicht reichen.

Die Metropolitan Opera ist ein angeschlagener Musiktheatertanker. Zu groß, zu teuer, schwierig durch heutige ästhetische Fahrwasser zu manövrieren. Gut, dass da jetzt immerhin ein brillanter Hoffnungsträger an Bord geht, der das Haus endlich auch für jüngere Publikumsschichten attraktiv machen wird. Freilich erst ab 2020 mit allen Verpflichtungen als erst dritter Musikdirektor des Hauses, vorher wird er aber „designiert“, das heißt er kümmert sich auch schon um Spielplanstrategien und wird ab 2017/18 jeweils zwei Produktionen dirigieren. Das steigert sich dann ab 2020 auf fünf.

Den nebenbei wird der Kanadier mit bretonischen Vorfahren weiterhin beim Philadelphia Orchestra bleiben, das es finanziell auch nicht eben leicht hat. Den Vertrag hat Nézet-Séguin ebenfalls heute bis mindestens 2025/26 verlängert. Praktischerweise liegt die Hauptstadt von Pennsylvania nur 90 Minuten von Manhattan entfernt, für amerikanische Verhältnisse also quasi ein Vorort. Trotzdem wird er wohl, wie die „New York Times“ ulkte, künftig viel Zeit auf der Interstate 95 oder in einem Amtrak-Wagon verbringen.

Seine europäischen Verpflichtungen – er ist immer noch ein wenig an das Rotterdam Philharmonic Orchestra gebunden, dirigiert regelmäßig die Philharmoniker in Wien und Berlin (beispielsweise in diesem Juni am 23. und 23. sowie am 26. in der Waldbühne und auf einer kleinen Tournee) – wird er wohl reduzieren müssen. Dabei war jedem klar, der in erstmals 2008 in Salzburg erlebte: da ist einer für die Oper geboren. Er war im sonst durchaus äußerlichen Reizen zugeneigten Salzburg im Gounod-Schmachtfetzen „Roméo et Juliette“ die eigentliche Sommersensation. Und das noch vor dem Tenorsorgenkind Rolando Villazón und dem mühsam auf Erregungstemperatur hochgeköchelten Instantsopranstar Nino Machaidze.

Dem 162 Zentimeter kleinen Großen gelang das kaum für möglich Gehaltene: in diesem plüschig-plundrig ganz auf die vokalen Rampenraketen hin inszenierten Shakespeare-Musiktheater und in der mauscheligen Akustik der Felsenreitschule mit dem eigentlich zweitrangigen Mozarteum Orchester die Aufmerksamkeit des verwöhnten Festspielpublikums auf einen nicht eben gut beleumundete Partitur zu lenken. Die dramatischen Funken sprangen hier vornehmlich vor der Bühne, da glänzten die Streicherkantilenen und knatterte schmiegsam-schmetternd das Blech. Elegant-espritvolle, niemals sonderlich tiefsinnige französische Oper vom Feinsten. Da hatte einer seine Chance erkannt und lustvoll ergriffen.

So wie jetzt auch wieder: lustvoll und freudig. Seit 2009/10 dirigiert Yannick Nézet-Séguin so an der Metropolitan Opera. Es bleibt erwartungsvoll zu hoffen, dass er das wirklich legendäre Erbe von James Levine mit einem modernen Twist ins 21. Jahrhundert führen wird. Das Können wie den Glamour dafür hat er in jedem Fall. Auch wenn das Turtle-Tattoo inzwischen bedeckt bleibt und sämtliche Piercings entfernt sind. Es langt ja schon, die Met-Abonnenten durch frischen Musikwind zu erschrecken.

Der Beitrag Nicht überraschend, aber gut: Yannick Nézet-Séguin wird 2020 neuer Met-Musikchef erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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