Kein Küssen der Madonna mehr durch den bösen Scarpia in der Kirche und auch kein komplizierter Double-Sprung von der backsteinnüchternen Engelsburg. Seit dem ersten Sehen vor sechs Jahren hat sich die herbe, doch konventionelle Münchner „Tosca“-Inszenierung des verstorbenen Luc Bondy zum Besseren verändert. Und sie wirkt jetzt in ihrer teilweise karikaturhaften Überzeichnung der Nebenfiguren sogar noch präzise als bei der Premiere. Aber deswegen war ja keiner gekommen. Man wollte zum Festspiele-Auftakt im Nationaltheater, der seit einiger Zeit mit einem vokalen Kulinarium eingeleitet wird, die Eröffnungspremiere folgt dann erst, die ultimativ beste „Tosca“-Besetzung unserer Zeit erleben. Und auf dem Papier ist sie das ja auch: Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Bryn Terfel, am Pult Kirill Petrenko. Den Puccini-Reißer haben alle anderswo oder hier, zum Teil auch zusammen erprobt, aber eben jetzt erstmals gemeinsam.
Und dann? „Mi manca un po di teatro“, mag dann am Ende so mancher ein wenig ernüchtert gedacht haben, obwohl der Jubel gewaltig war. Waren früher die Bühnentiere bissiger? Es war so gepflegt. Sicher, Kaufmann, Terfel (der beste von allen, auch wenn er inzwischen etwas auf der Substanz singt), Harteros sind grandios. Und dann noch Petrenko, der endlich mal Repertoire dirigiert, wenn auch festspielmäßig überteuert. In Frankfurt, in seiner ersten „Tosca“, war er stärker. Jetzt entweder sehr schnell oder sehr langsam, gleich in den Anfangstakten, dann aber wieder so überhetzt, dass der Messner (nicht sonderlich gut, Alfred Sramek in Wien, er ruhe in Frieden) bei „questa sera, Palazzo Farnese“ nicht mehr hinterher kam. Schöne Detailarbeit (Oboe!), mit mehr Pfiff und Biss im zweiten Akt (dann aber wieder zu tranig im Finale), stimmungsvoll im dritten Bild. Zu sauber, zu geputzt, zu gewollt. Ein wenig mehr theatralische Pranke des knalligen Augenblicks dürfte es bei diesem Reißer schon sein.
Bryn Terfel als teuflischer Faun, Verführer und Verderber ist ein raumfüllender Scarpia, hat das aber noch eindrücklicher schon bewiesen. Kaufmann ohne Tadel, tolle „Victoria“-Rufe, schönes Diminuendo beim „Recondita armonia“. Aber irgendwie nie ganz aus der Reserve gelockt, obwohl er auch sein (ohne Wiener Zugabe absolviertes) „E lucevan le stelle“ wie in einer Schaufensterauslage der Maximilianstraße im bestmöglichstem Licht platziert. Anja Harteros glänzt und punktet mit einem fein und edel phrasiertem „Vissi d’arte“, bleibt aber immer so mädchenpensionathaft keusch und verhalten. Sie spielt, ist nicht wirklich Tosca, zu vertänzelt der dritte Akt, ohne die Allüre der echten Tragödin. Die seelenvoller Leidenden sind eher ihr Sopran-Ding. Trotzdem: schön, dabei gewesen zu sein.
Und übrigens: Ab Mitte Juli gibt es erstmals an der Bayerischen Staatsoper Kostüm-Souvenirs im Shop. Natürlich von Jonas Kaufmann. Es bestand lebhafte Nachfrage nach seinem grauschwarzen „Meistersinger“-T-Shirt mit der Zielscheibe und den Sternen. Für 26 Euro erfolgt eine zunächst limitierte Auflage. Damit vor allem die weiblichen Fans auch künftig ins tenoral Schwarze treffen können.
Der Beitrag Münchens Edel-„Tosca“: trotz Kaufmann, Harteros, Terfel, Petrenko etwas anämisch erschien zuerst auf Brugs Klassiker.