Diesmal musste er auf Befehl kommen. Nein, Cameron Carpenter hat wirklich nichts Pornografisches getan. Der amerikanische Organist hat hingegen ganz brav eine alte, etwas verstimmte Kirchenorgel gespielt – und nicht sein sinfonisch aufgemotztes elektronisches Touring-Monster. Das freilich nicht, so wie der Künstler es will, sondern in Länge und Dynamik auf Ansage via Monitor und kleinem Mann im Ohr. Cameron war nämlich mit seinen handgreiflichen Improvisationen über Bach und andere Klanggötter die kulturelle, durchaus begeistert aufgenommenen Behübschung zu Michael Michalskys 17. StyleNite – dem einigermaßen glamourösem Finale der immer noch weit hinten in der B-Liga spielenden Berliner Fashion Week.
Der generöse Gebrauchsdesigner mit dem Hauch zum Streetwear wie zu viel Plateausohle und Sneakers (gern auch gleichzeitig) hatte sich den schrillen Organisten, den er schon vorher mal kennengelernt hatte, als akustische Begleitfolie zu seiner Modenschau im Französische Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt ausgesucht. Übrigens gleichzeitig die 10-Jahres-Feier seines griffig multifunktionalen, vom Parfüm bis zum Sofa viele Interessen bedienenden Labels. Und so durfte der flinke Tastenmann aus Pennsylvania nach einem pompösen Präludium an der blaubeleuchteten Orgel 20 Minuten lang die Models in viel Glitzer, Korsagen und Stickereien (auch für Männer) auf ihrem verwinkelten Parcours durch das Gotteshaus begleiten. Auch Ex-Bürgermeister Klau Wowereit hörte und schaute beifällig zu.
Bei der anschließenden Party auf der anfangs noch herrlich leeren Dachterrasse des House of Weekend am Alexanderplatz fiel Cameron Carpenter dann kaum mehr auf: Er hatte von Michalsky einen Edel-Trainingsanzug in Seladongrün samt Silbersneakers gestellt bekommt. Nur am (gezähmten) Irokesenschnitt wurde er erkannt: „You were so dramatic“, gab es Lob von den gern nach ähnlichen Gefühlen heischenden Modeleuten zu hören
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