Diese Stimme mag auf der Bühne manchmal flach und klein klingen, die CD liebt sie. Und kluge, unkonventionelle Ideen für deren Präsentation hat die Besitzerin Anna Prohaska auch. Umso unverständlicher, dass die Deutschen Grammophon sich von dieser sicher nicht teuren, effektiven und das Plattenfirmen-Profil besser als so mancher Bach spielende Roma-Geiger und „Carmen“ paraphrasierendes Akkordeon-Fräulein stärkenden Künstlerin getrennt hat. Aber was soll’s? Eine Prinzessin ist Anna Prohaska sowieso – die Sopranprinzessin der Berliner Staatsoper. Und gern verkleidet sie sich auch. Inzwischen im echten Jungsängerinnenleben zwar nicht mehr als Gruftie, man wird eben auch langsam erwachsen, aber umso lieber auf der Bühne oder für eine Plattencover.
Diesmal als Königin, gleich siebenfach fotografiert für ihre neueste CD. Die bereits nicht mehr bei der Deutschen Grammophon erscheint, wo die 33-jährige schon höchst erfolgreich als Nixen-Lolita, leichtgeschürzte Hexe und hochgeschlossene Liedsoldatin in Erscheinung getreten ist. Diesmal aber gibt sie für das ausstrebende Label Alpha Classics ihr Debüt als Regentin. Ohne Krone, aber mit viel raffiniertem Hals-, Arm-, Finger- und Haarschmuck umwunden und besteckt. Eyecatcher der gleich in die Charts eingestiegenen Scheibe ist freilich ein sich über den gesamten rechten Arm ringelndes Schlangentattoo, mit feinem Schuppengeflecht und nadelspitzen Zähnen. Denn auf „Serpent & Fire“ widmet sie sich zwei antiken royalen Heroinnen der Barockoper: Dido und Cleopatra und damit Alexandria und Karthago.
Die liebende, leidende, enttäuschte Herrscherin über das Punische Reich und die schillernde, schmachtende, verführende Throninhaberin Ägyptens. Beide werden sie von mächtigen Männern sitzen gelassen, beide geben sie sich den Tod – durch das Feuer und einen Schlangenbiss. Hier nun erstehen sie wieder in der musikalischen Gewandung der Opera Seria durch Henry Purcell, Johann Adolf Hasse und Francesco Cavalli (Dido), bzw. Antonio Sartorio, Daniela da Castrovillari und Georg Friedrich Händel. Besonders stolz ist Anna Prohaska auf zwei Arien aus einer Dido-Oper von Christoph Graupner, die sie bereits konzertant gesungen hat und deren einer Anfang auch gut das CD-Motto hätte abgeben können: „Holdestes Lispeln der spielenden Fluthen“.
Da wird gebarmt, gefleht, frohlockt, verwünscht und getrauert, diesen beiden antiken Damen ist nichts Menschliches vokalfremd. Und die Prohaska gefällt sich in jeder Note, kostet die royalen, dabei allzu menschlichen Stimmungswechsel der verschiedenen Toncharaktere voll aus, hat sogar die antikische Größe für den herben, ganz im Schmerz zurückgenommenen Todesgesang der Purcell-Dido. Mit Giovanni Antonini und seinen klanglich blühenden Giardino-Armonico-Kollektiv harmonisiert Anna Prohaska perfekt. Diese CD macht Freude auch im Leid.
Ganz Sirene, Medium ätherisch schwebenden Fernwehs ist die Sängerin auch auf einer, dem Frühwerk Hans Werner Henzes gewidmeten CD. Mit einem Celloquartett plus Harfe säuselt sie sich höchst raffiniert, schwerlos, aber taktvoll mit sinnlich-sirrendem, dabei trotzdem weiblich klaren Sopran durch die Kantate nach dem Rimbaud-Gedicht „Being Beauteous“ von 1963. „Meine Komposition behandelt die Dichtung so, als sei jeder einzelne Gedanke darin eine kleine Arie in sich“, erklärt Henze. Und genauso akribisch, dabei mit spontan anmutender Frische interpretiert Anna Prohaska das auch.
Serpent &Fire (Alpha Classics); Henze: Being Beauteous (Wergo)
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