Quantcast
Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 826

TV: Als Rudolf Nurejew in den Westen sprang

$
0
0

061701-000-A_1774244Natürlich. Es war ein Krimi, der damals nicht nur die Tanzwelt bewegte. Der spektakuläre System-Überlauf von Rudolf Nurejew am 16. Juni 1961 auf dem Pariser Flughafen Le Bourget war der Beginn einer der ganz großen Ballettlegenden des 20. Jahrhunderts. Der ungezügelte Nachwuchs-Ballerino, desen Starpotenzial schon ersichtlich war, der aber nur nach vielen Querelen mit den Leningrader Lehrern und Behörden auf eine Westtournee des Kirow Balletts mitgenommen worden war, suchte unter den Augen der machtlosen KGB-Leute bei den französischen Polizisten in der Anflughalle um Asyl an. Kurz zuvor war ihm mitgeteilt worden, er habe sich für eine angebliche Gala unverzüglich nach Moskau zurückzubegeben. Die Kirow-Truppe reiste nach London weiter, Nurejew aber wurde im Westen ein Popstar.

Die Geschichte mit all ihren mysteriösen Begleitumständen auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, aber auch mit ihrer Gier nach Leben, Lust, Freiheit und dem rebellischen Aufbruch der Jugend der Swinging Sixties ist oftmals erzählt und auch in diversen Nurejew-TV-Dokumentationen hinreichend spannend nachgstellt worden.

061701-000-A_1774247

Anstatt auf den immer wenigeren Fernsehplätzen für Tanz wichtige Aufzeichnungen aktueller Choregrafien oder Porträts der heutigen Tanzstars zu zeigen, bringt Arte aber jetzt eine Art Dokudrama über die alte Story, das nichts Neues erzählt, aber in seiner lähmenden Soap-Einfachheit wirkt wie einst die nachgespielten Historienszenen der Guido-Knopp-Geschichtsfiktionen. Die BBC hat „Der Sprung in die Freiheit“ letztes Jahr in Auftrag gegeben. Und während die Interviews mit den Mitwirkenden und Beobachtern von damals rührend wirken, weil die längst alle im Greisenalter sind (der 1993 an den Folgen von Aids gestorbene Nurejew selbst wäre jetzt 78), sind die nachgestellten Szenen albern und fad. Gedreht wurde komplett in St. Petersburg, die alte Abflughalle des Pulkowo-Airports muss sogar für Le Bourget herhalten. Besonders albern und ohne jeden Pariser Chic ist die Szene, bei der Rudik in der Nachtrevue „Crazy Horse“ erstmals sich entblößende Tänzerinnen sah: Man erblickt vier Beine und ein wenig fallenden Tüll, dahinter die schreckensgeweiteten Augen des aktuellen Bolschoi-Stars Artem Ovcharenko.

Rudi_Paris-IWCMedia

Dem fällt, obwohl er ihm im Gesicht sogar ähnelt, die undankbare Rolle zu, Aura und Attitüde des Jahrhunderttänzers Nurejew zu beglaubigen. Was natürlich nicht gelingt. Viel zu brav, zu domestiziert wird hier agiert. Weit lebendiger sind die Interviews mit den Zeitzeugen, etwa mit dem französischen Choreografen Pierre Lacotte, der sich in den Tagen im Juni 1961 mit Nurejew anfreundete und ihm lebenslang verbunden blieb.

„Der Sprung in die Freiheit“ läuft bei Arte am 31. August um 21.50 Uhr und steht dann für eine Woche in der Mediathek

Der Beitrag TV: Als Rudolf Nurejew in den Westen sprang erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 826