Ja, gibt sie noch, die gelungen Wiedervereinigungsdinge. Zum Beispiel die Kammerakademie Potsdam (KAP). Als man in der brandenburgischen Landeshauptstadt das philharmonische Orchester schloss, weil die Musiksparte des Hans-Otto-Theaters angesichts der Konkurrenz von drei nahen Berliner Opernhäuser abgeschafft wurde, da hatte man zumindest eine gute Idee: 2001 entstand durch den Zusammenschluss des Ensemble Oriol Berlin mit dem Persius Ensemble aus Potsdam die Kammerakademie Potsdam – als Hausorchester des ein Jahr vorher neu eröffneten Nicolaisaales. Dem steht die patente Andrea Palent vor die auch beim fröhlichen Festkonzert zum 15-Jährigen des inzwischen bekannten und beliebten Orchesters den schönsten Satz sagte. Man hatte nämlich, wie in Los Angeles, im Innenhof Sterne mit den Namen der Orchestermitglieder verlegen lassen: „So feiern wir jetzt 15 Jahre KAP in guter Hoffnung mit einem Walk of Fame“, – was sich aber, Palent ist Sächsin, wie ein „Wok of Fame“ anhörte. „Potsdam in Hollywood“ eben.
Anschließend wurde drei Musikstunden lang gefestredet, gefeiert und gratuliert. Die Videoclip-Grußbotschaften während der Umbaupausen machten deutlich, wie beliebt die KAP bei den vielen guten Musikern Berlins als CD-Begleit- und längst auch internationales Tourneeorchester ist. Aber auch live stellten mal die Streicher, mal die Bläser ihre Flexibilität und ihren Klangfinesse mit guten Solistenfreunden unter Beweis: barockig perlend mit Avi Avital in einer Bach-Mandolinenbearbeitung, aufgeraut nervös mit Maximilian Hornung in Jacques Iberts Cellokonzert. Alle legten sich dann temperamentvoll für Antje Weithaas und Pablo de Sarasates „Carmen“-Fantasie ins Zeug, auch wenn die geschätzte Violonistin in ihrem roten Seidenkleid eher wie Frau Doktor Ilse Hoppenstedt beim Geigen-Flamenco wirkte.
Erst fünf distinguierte, jeder auf seine Weise spezielle Chefdirigenten hat die KAP bisher gehabt: Auf Peter Rundel folgte der dirigierende Fagottist Sergio Azzolini, der das historisch informierte Spielen einführe, heute ein wichtiges Asset der KAP, das Andrea Marcon perfektionierte. Dan kam Michael Sanderling und in der siebten Saison steht jetzt seit 2010 Antonello Manacorda am Pult. Er hat bereits bis 2019 verlängert. Und schon nach der spritzig-fluffigen „Così fan tutte“-Ouvertüre hörte man, wieso: Unter ihm wurde die KAP noch mutiger, virtuose, forscher, aber eben auch technisch besser, versatiler. So hat sich eine einst als Dankeschön von Sony aufgenommene Schubert-CD inzwischen zu einem international gefeierten Sinfoniezyklus erweitert.
Dem sich jetzt die erste CD des neuen Mendelssohn-Sinfonienrunds angeschlossen hat. Und während im Konzert die gerade auch für die Aufnahme präparierte Schottische gegeben wurde, sind eben die 1. und die Italienische Sinfonie auf Silberscheibe erschienen. Und wie für die Schottische gilt: Das kleine Ensemble macht das Hören unmittelbarer, die Tempi sind schnell, aber von einer ausgeklügelten Dramaturgie. So entsteht eine rhetorisch angespitzte Klangrede, die abwechslungsreich, aber nie outriert wirkt, lebendig, nicht verhetzt. Da wird pointiert die Dynamik gewechselt, rhythmisch ist man stets zusammen, die Naturhörner sind eine Wonne. Obwohl man mit Mendelssohn auf dem Markt nicht allein ist – mit Manacorda als Maestro kann man sich mehr als nur hören lassen!
Deshalb hatten sich Fans wie Spieler nach dem Konzert Rosé-Sekt und Biskuitschokoladenkremtorte redlich verdient.
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