Eigentlich könnte man fast schadenfroh lachen, wenn es nicht so ernst wäre. Denn die in dieser Hinsicht schon leidensgeprüften Herren Michael Müller (Noch-Regierender Bürgermeister von Berlin) und Tim Renner (Noch-Kulturstaatssekretär) müssen gerade mal wieder ein Exempel in direkter Demokratie aushalten. Nach dem extern wie intern ziemliche Wellen schlagenden Aufruhr gegen den theaterfernen Chris Dercon als neuem Volksbühnenintendanten, meutern und motzen jetzt nach noch nicht einmal einer Woche auch bereits die Tänzer des Staatsballetts. Grund ihres geschlossenen Grolls: die überhastete, vornehmlich noch schnellschnell vor der Wahl politisch motivierte und durchgedrückte Ernennung der ballettfernen Sasha Waltz als neuer Co-Intendantin des Berliner Staatsballetts.
Bemerkenswert ist daran zweierlei. Ersten sind es ausgerechnet die Tänzer, die hier Widerstand leisten. Für gewöhnlich stehen sie ganz unten in der Theaterhierarchie, sind schlecht organisiert, fast zu 100 Prozent inzwischen nicht mehr Deutsche, mit kurzzeitigen Verträgen, immer auf dem kreativen Sprung, mit vierzig meist längst aussortiert – während sich so mancher felsenfest angestellter Chorist dann noch 25 Jahre lang mit immer größerem Vibrato der Rente entgegensingt. Unter solchen Umständen ist es schwer, Lobbyarbeit zu leisten.
Und zweitens artikulieren sie hier vehement ihren Protest gegen eine neue Doppel-Leitung. In Zeiten sozialer Medien ist das immer öfters der Fall. Das Fußvolk folgt nicht mehr. Nicht gefragt, nicht gehört und als letzte von der vor allem sie betreffenden Personalie informiert (während Sasha Waltz und ihr Co-Intendant Johannes Öhman bereits Zeit fanden für das erste PR-Shooting mit Starfotograf André Rival) proben jetzt die vorgeblichen Tanzplebejer gar nicht leise den Aufstand. Wie das geht, das hat die Kompanie schließlich letztes Jahr bei den erfolgreichen Streiks für einen besseren Tarifvertrag gelernt. Die haben ganz sicher auch die Mitglieder zusammengeschmiedet.
Am Sonntag Abend, bei der ersten offiziellen Vorstellung der Saison in der Komischen Oper, wurde jetzt dort vor der Tür eine „Rettet das Staatsballett“-Banderole hochgehalten, außerdem gibt es auf www.change.org eine Internet-Petition diesen Inhalts. Und diese Aktionen sind zudem prominent platziert auf der offiziellen Staatsballett-Webseite sowie dem Facebook-Account der Kompanie zu finden. Das heißt natürlich, hier stellt sich auch die gegenwärtige Leitung ganz offen gegen die zukünftige!! Von augenblicklich 82 engagierten Tänzern haben sich 51 im Ballettsaal mit der Anti-Waltz-Parole ablichten lassen. Das sind immerhin 62 Prozent der Belegschaft!
Nun ist diese Petition, die beispielsweise bereits Frankfurts Generalmusikdirektor, der ehemalige Barenboim-Assistent Sebastian Weigle unterzeichnet und kommentiert hat, nicht eben glücklich formuliert. Da spricht viel Panik aus den Zeilen, und auch wenig Realitätssinn. Denn selbst wenn die Tänzer mitbestimmen dürften bei der Wahl, dann können sie, anders als ihrer unkündbaren Musikerkollegen, sogar von ihrem Wunschkandidaten entsorgt werden.
Und natürlich ist es eigentlich gut, dass die Entscheidung mit drei Jahren Vorlauf getroffen wurde, das garantiert im Idealfall Planungssicherheit. Auch für jene Tänzer, die sich danach keine Zukunft in Berlin mehr ausrechnen. Aber es ist eben, auch wenn das offiziell so nicht gesagt wird, eine Entscheidung gegen den gegenwärtigen, ungeliebten Chef Nacho Duato. Was die nächsten drei Spielzeiten nicht leichter macht.
Denn es ist ein eklatantes Votum gegen jede Art von Kontinuität. Und nur diese würde das Staatsballett weiterbringen. Erst half keiner Valdimir Malakhov (den jetzt einige in der allgemeinen Anti-Haltung gleich wieder zurückwünschen), sich dramaturgisch zu stärken – nachdem er seine stilistischen Aufgaben erfüllt und die neue Kompagnie optimiert hatte. Dann wurde mit dem abgehalfterten Nacho Duato jemand verpflichtet, der sofort die Repertoireschwerpunkte verschob. Und jetzt soll es mit Sasha Waltz Richtung Zeitgenössisch gehen, auch wenn da noch ihr schwedischer Mitregent als Ballett-Feigenblatt geführt wird.
So wird diese Kompanie niemals bedeutend werden. Und daran sind einfach und allein die beratungsresistenten Politiker schuld. Schnell bekommen sie diesmal die Quittung. Keine guten Aussichten, für die sowieso schon von der Öffentlichkeit kontrovers aufgenommen Wahl und für die Zukunft der größten deutschen Ballettkompanie. Die braucht vieles, aber nicht unbedingt alte, in Berlin oft gelaufene Waltz-Stücke im Repertoire.
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