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Bamberger Symphoniker: Mit 70 einen Neuen

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Bamberger_Symphoniker_Wandplakat_Alle_2016_08_26n.pdf

Foto: Andreas Herzau

Sie sind ein großes deutsches Traditionsorchester, obwohl sie erst 70 Jahre alt sind. Der Geburtstag wurde kürzlich große sogar mit Bundespräsident Joachim Gauck zu Hause, in der Philharmonie an der Regnitz gefeiert. Denn eigentlich ist dieser wunderbare Klangkörper älter. Er ging 1946 aus in Oberfranken gestrandeten Mitglieder der Deutschen Philharmonie Prag hervor. Die ihren böhmischen Klang bewahren wollten. Am 20. März 1946 gaben die damals noch „Bamberger Tonkünstlerorchester“ genannten Bamberger Symphoniker ihr erstes Konzert. Die Folge: Die Entwicklung zum Weltklasse-Ensemble. Die Symphoniker gelten schnell als musikalische Botschafter Deutschlands – Auftritte waren oft verbunden mit Auslandsbesuchen von Bundespräsidenten. Man war und ist in Franken beheimatet und in der Welt zu Hause.

4795805Wichtige Aufbauarbeit leistete Joseph Keilberth, der 1950 offiziell Chef wurde. Er profilierte das Orchester weit über die Grenzen Frankens hinaus und leitete es bis zu seinem Tod 1968. Nachfolger Keilberths am Pult des Chefdirigenten waren James Loughran und später Horst Stein. Im Jahr 2000 übernahm Jonathan Nott den Posten. Sie alle, aber auch Clemens Krauss, Kurt Sanderling, Giuseppe Sinopoli, Günter Wand, Herbert Blomstedt sind zu hören auf einer prächtig zusammen gestellten 17-CD-Box bei der Deutschen Grammophon, die dem besonderen Sound des „Bamberg Symphony“ (wie man international heißt) während „Der ersten 70 Jahre“ huldigt. 2003 wurden die Bamberger Symphoniker übrigens durch die Staatsregierung in den Rang eines Staatsorchesters erhoben und dürfen sich seitdem Bayerische Staatsphilharmonie nennen.

00004112Zum 70. Jubiläum haben die Bamberger Symphoniker zudem ein sehr eigenwilliges, ja intimes Buch veröffentlicht, das die Dichterin Nora Gomringer und der Fotokünstler Andreas Herzau gestaltet haben (Hatje/Cantz). Erhalten haben sie tiefe Einblicke in den Alltag eines Klassikensembles. So ist zum Beispiel zu sehen, mit welcher Konzentration sich Chefdirigent Jonathan Nott auf einen Auftritt vorbereitet. Probensituationen wurden genauso eingefangen wie die vielen Kisten, die auf den Tourneen nötig sind, um das Equipment zu verstauen. Manchmal gehen mit Gomringer freilich auch ein wenig die Poesiepferde durch: „Dieses Orchester klingt so schön süß und karamellfarben, nach Sahnebonbon aus Kinderzeit und ist im Lustzentrum des Gehirns doch durchaus salzige Lakritze. Die Bamberger Symphoniker sind malewitschig und schwarzquadratisch, herrlich säuerlicher Zitronenfalter, Aperol Spritz und frischer, kühler Silvaner.“

Sei es drum. Auch im Jubiläumsjahr ist der Terminkalender prall gefüllt. Auch der Dirigentenwettbewerb „The Mahler Competition“, den als erster Gustavo Dudamel gewann, fand im Jubiläumsjahr wieder statt: 14 junge Dirigenten bewarben sich. Gewonnne hat der 30-jährige Kah Chun Wong aus Singapur, der an der Hanns-Eisler Hochschule in Berlin studiert und bei Kurt Masur gelernt hat.

Da bleibt eigentlich gar nicht viel Zeit, auf die Vergangenheit zu blicken. „Wir schauen nach vorne“, sagt deshalb Intendant Marcus Rudolf Axt. So stehe ein „spannender Chefdirigentenwechsel“ bevor: Jonathan Nott hat nach 16 Jahren erfolgreicher Arbeit die Symphoniker Richtung Schweiz verlassen, sein Nachfolger wird Jakub Hrůša. Auf dem Programm des Eröffnungskonzerts am 30. September stehen sehr bewusst Werke aus seiner böhmischen Heimat: die Sinfonie D-Dur des Beethoven-Zeitgenossen Jan Václav Voříšek und Gustav Mahlers 1. Sinfonie. Den Auftakt jedoch macht Edgard Varèses witzig-freches „Tuning Up“, in dem der Komponist ein sich einstimmendes Orchester persifliert…

Der 1981 geborene Hrůša, allerseits gelobter Schüler von Jiří Bělohlávek, der sich nicht nur in seiner tschechischen Heimat alle nur möglichen Meriten erspielt hat, sondern längst schon international gefragt ist, setzt so auf wunderbare Weise die nie ganz abgerissene Traditionlinie diese sehr besonderen Orchester fort, das in Bamberg wie der Welt gleichermaßen beheimatet ist. Und eine erste gemeinsame CD erscheint ebenfalls am 30. September termingerecht und programatisch bei Tudor: Smetanas „Mein Vaterland“, „Die Moldau“ inklusive,

cover933Auf den ersten Blick mag eine 70.000 Einwohner-Stadt wie Bamberg zu klein für ein derart hochgelobtes und ambitioniertes Orchester erscheinen. Doch für Intendant Marcus Rudolf Axt ist genau die Mischung aus kleiner, feiner UNESCO-Welterbestadt und großer weiter Welt das Erfolgsrezept der Symphoniker. Die Musiker laufen zur Arbeit durch 1.000 Jahre Welterbe. Störungen der Großstadt gibt es hier nicht.

Bamberg Symphony: The First 70 Years (Deutsche Grammophon); Smetana: Mein Vaterland (Tudor)

 

 

Der Beitrag Bamberger Symphoniker: Mit 70 einen Neuen erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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