Man mag vom vom heute Abend mal wieder verliehen Echo Klassik was auch immer halten, aber einen Preis für die beste Solointerpretation vokal, der an die Sopranistin Christiane Karg geht (für ihre CD „Scene!), ist immer ein guter Preis. „Ich habe meine Solo-CDs alle selbst verantwortet, produziert, geschnitten und das Cover bestimmt. Und das war auch gut so.“ Natürlich klingt das ein wenig kokett. Aber wenn man das sängerische Niveau von Christiane Karg erreicht hat, dann darf das auch so sein.
„Scene!“ lautete das Motto ihres vierten, jetzt preisgekrönten Solo-Albums mit klassischen und frühromantischen Konzertarien von Haydn bis Mendelssohn. In England entstand die Studioproduktion, und englischer Herkunft ist auch das begleitende Ensemble Arcangelo, geleitet von Jonathan Cohen. Großer Ärger, großer, Schmerz, große Freude – große Szene. Aber bei Christiane Karg bedeutet das zum Glück weder großes Vibrato, noch große, heulend-hässliche Töne. Schließlich ist die deutsche Sopranistin eine wundervoll Lyrische, klar in der Linie, ergreifend im strahlenden, aber trotzdem fraulich-warmen, gar nicht anonymen Timbre. „Vom Echo habe ich erfahren, als ich gerade den Schnitt für mein fünftes Soloalbum erledigt hatte und es hat mich beglückt, doch auf dem richtigen Weg zu sein“, fügt sie noch hinzu.
Doch bis das (mit noch geheimem Programm) erscheint, können sich die Fans mit einer weiteren Scheibe trösten. „Mitologia“ präsentiert Christiane Karg freilich nur zur Hälfte, den Rest (inklusive zweier Duette) bestreitet die wunderbar zu ihr passende, erdige Mezzosopranistin Romina Basso. Und diesmal war sie wirklich nur Sängerin, handelt es sich doch um die letzte, schon 2012 aufgenommene Einspielung des großen Händel-Experten Alan Curtis mit seinem Ensemble Il Complesso Barocco.
„Da musste ich nicht lange überlegen“, erinnert sich Christiane Karg, „mit diesem großartigen Experten wollte ich unbedingt arbeiten. So wie es auch mit Harnoncourt so eben noch geklappt hat. Und so habe ich mich in das von Curtis erdachte Programm eingefügt, inklusive aller Verzierungen. Ich hätte sie wohl anders gemacht, aber sie waren richtig und passten. Eine sehr schöne, kollegiale Erfahrung. An die ich auch gern zurückdenke, weil die Villa in der Nähe von Verona, wo Curtis immer aufnahm, so besonders, so abgeschieden und familiär war. Man konnte sich ganz auf die Musik konzentrieren. Es ist freilich schon so lange her, ich hatte schon gar nicht mehr geglaubt, dass die CD doch noch veröffentlicht wird.“
Alan Curtis, der im Juli 2015 in Florenz verstorben ist, vereint auf „Mitologia“ Arien, Duette und Instrumentalsätze aus Werken Georg Friedrich Händels, die allesamt auf der griechischen und römischen Mythologie basieren. Man findet also Musik von tragischen Charakteren, Heldinnen und Helden wie Orfeo, Dejanira, Semele, Daphne, Atalanta, Ariadne oder Partenope. Darin zeigt Alan Curtis noch einmal auf der Höhe seines stilistischen Könnens. Die beiden Solistinnen glänzen, jedes vokale Ornament wird hier präzise Ausdruckswirkung, Tonverzierungen verwandeln sich vollkommen in emotionale Schnörkel.
So sehr sich Christiane Karg über diese CD-Erfahrungen sowie über die eigene Produktionen freu, so sehr ist sie auch eine wache Kritikerin des Betriebs. „Ich habe etwas erreicht, ich kann mir das leisten. Ich weiß ganz genau, was ich heute nicht mehr machen möchte“, erklärt sie sehr direkt. Und schimpft über große Firmen, wo man nur ein Rädchen im Produktionsgetriebe ist, man die eigene Stimme oft nach der Abmischung nicht mehr erkennt, „wo schlecht geschnitten wird, dass bisweilen sogar die Endkonsonanten fehlen. Deswegen möchte ich das alles selbst kontrollieren. Meine aktive Zeit als Sängerin ist begrenzt. Jetzt, wo ich es mir leisten kann, sage ich nein und bin ich störrisch, wenn es nicht optimal läuft. Bei Opernproben weiß man dass oft schon nach zwei, drei Tagen, ob es ein Erfolg wird. Und ich ärgere mich immer mehr über schlecht vorbereitete Kollegen, denn auch junge Sänger lassen es inzwischen oft an Sorgfalt vermissen, aber natürlich auch über Dirigenten, Regisseure und Intendanten, denen oft einfach die Professionalität fehlt.“
Neulich erst probte sie ganz allein als „Rosenkavalier“-Sophie zwei Wochen lang, bis sich die geschätzten Kollegen erstmals blicken ließen. „Ich mag das nicht mehr, man wird oft so schlecht behandelt im internationalen Reisebetrieb. Und ich finde sieben Wochen Proben zu viel. Fünf langen. Sonst hängt man durch. Ich muss nicht den Kollegen fühlen lernen und den Raum auf mich wirken lassen und solche Scherze, ich will gleich zur Sache kommen, dafür habe ich mich schließlich optimal vorbereitet.“
Andererseits ermahnt sie junge Sänger, durchaus auch negative Erfahrungen zu machen: „Die Jungen wollen heute immer gleich nach ganz oben. Ich habe zwei Jahre im Ensemble in Hamburg und fünf Jahre, aber mit vielen Freiheiten, in Frankfurt verbracht. Das war enorm wichtig. Man muss Fehler machen und muss sie auch machen dürfen. Nur so entwickelt man Stärke. Viele suchen heute den Weg des geringsten Widerstands. Und wundern sich, wenn sie nach fünf Jahren wieder in der Versenkung verschwunden sind.“
Christiane Karg zweifelt immer mehr am Opernbetrieb auch wenn sie selbst ein Teil davon ist. „Das ist aber auch normal. Ich habe alles erlebt. Und weiß, was ich wiederholen möchte – und was nicht. Ich kümmere mich lieber um mein kleines Lied- und Kammermusikfestival KunstKlang in Feuchtwangen, wo ich herkomme. Lied- und Kammermusik, das ist Basis und der Anfang jeder Musik. Das möchte ich mit lieben Kollegen genießen und teilen, auch die Disziplinen verschränken, hin zur Lyrik und zum Schauspiel, das bereichert uns Sänger.“
Und weiter sagt sie: „Ich sehe meinen Beruf als Lebensaufgabe, der sich auch verändert. Ich will weitergeben, gerade bei Kindern, das macht mir Freude.“ Was aber wird nun das Thema der gerade fertig gestellten CD sein? Ein kleiner Hinweis „Es ist orchestral, hat aber auch mit Lied zu tun. Nein, es ist nicht Strauss! Damit warte ich noch ein wenig….“
Christiane Karg: Scene! (Berlin Classics); Mitologia (deutsche harmonia mundi/Sony)
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