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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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CD: Perahias Bach – nun bei der Deutschen Grammophon

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2Das Außergewöhnliche an dem Pianisten Murray Perahia ist, das er so wenig außergewöhnlich ist. Zumindest nach heutigen Vermarktungsmaßstäben, die längst auch für die gar nicht mehr so hehre Klassik gelten. Der 69 Jahre alte geborene New Yorker, der heute in einem der dörflicheren Stadtteile Londons lebt, kann keine spektakuläre Herkunft vorweisen – obwohl er aus seiner sephardischen Abstammung nie einen Hehl gemacht hat -, er hat kein aufregendes Dekolletee und auch keine gefährlichen Haustiere. Und er spielt meist nur Bach, Beethoven, Chopin, Mendelssohn und Schumann. Außergewöhnlich und aufregend ist freilich Murray Perahias jüngste CD-Veröffentlichung, Bachs sogenannten Französische Suiten. Die erscheint nämlich nicht mehr bei Sony Classical, als CBS-Nachfolgerin Perahias langjährige Plattenpartnern, sondern bei der Deutschen Grammophon.

Wieder hat sie Perahia zwar in seinem gegenwärtigen Lieblingsstudio aufgenommen, dem längst legendenhaft verklärten, feinste Fifties-Diskretion ausstrahlenden Sendesaal des ehemaligen DDR-Rundfunks in der Berliner Nalepastraße. Ein Foto früher Aufnahmesitzungen zierte übrigens auch die edle Kiste, mit der Sony Classical 2012 „The first Fourty Years“ feierte, die vier Jahrzehnte währende exklusive Zusammenarbeit mit dem ehemaligen CBS-Künstler. Wahrscheinlich dürfte Murray Perahia damals derjenige mit dem längsten Vertrag in der Firma gewesen sein. 67 CDs und 5 DVDs kamen so zusammen, darunter auch die berühmte Referenz-Gesamtaufnahme aller Mozart-Klavierkonzerte mit dem English Chamber Orchestra sowie seine preisgekrönten Aufnahmen mit Musik von Johann Sebastian Bach, Brahms und Chopin, ebenfalls weltweite Bestseller.

88985344452Doch das war es dann offenbar auch. 2013 also saß Perahia für die Französischen Suiten mit seinem bewährten Tonmeister Andreas Neubronner wieder in der Nalepastraße, aber wiederum drei Jahre später erscheint das Doppel-Album jetzt bei der Konkurrenz! Macht das Sinn? Jedenfalls hat die Sony frech gleich noch mal die dort gebündelten Bach-Aufnahmen als Billigbox dagegengesetzt. Bei der Grammophon sind gegenwärtig viele Verträge ausgelaufen, ein wenig perspektivlos setzt man auch hier auf immer mehr Crossover und kurzfristige Projekte. Und holt sich jetzt mal wieder die alten Männer, die Legenden wo anders. Natürlich hofft man, mit dieser Verpflichtung an die Coups zu erinnern, als man in den Achtzigern für viel Geld Vladimir Horrowitz und Rudolf Serkin von CBS weglockte. Wobei, aus der Rückschau betrachtet, der wesentliche Teil ihres klingenden Erbes trotz der Schlagzeilen dennoch bei der alten Firma bliebt.

Und bei Perahia wird es nicht viel anders sein. Denn die sich wiederholenden Zwangspausen sind es leider auch, die ihn in den letzten Jahren wirklich in die Schlagzeilen gebracht haben. Ein weltberühmter Pianist, der plötzlich verstummte, weil 1991 eine Hälfte seiner beiden Arbeitswerkzeuge nicht mehr richtig funktionierte. Ein banaler Schnitt mit einer scharfen Papierkante im rechten Daumen hatte sich entzündet. Die Hand versagte den Dienst. Es musste operiert, unter Schmerzen geübt, bzw. unter noch mehr Schmerzen ausgesetzt werden. Perahia beschäftigte sich in dieser Zeit mit Partituren, besonders eben mit Bach – und spielte die dann auch, als es endlich wieder ging. Heute begreift er jeden hinderungsfreien Moment als Geschenk, denn die Einschränkungen kehren immer wieder zurück. Bei jeder CD-Einspielung, bei jedem Konzert tickt es innerlich also irgendwo.

Die Französischen Suiten sind eine pädagogische Morgengabe für seine zweite Frau Anna Magdalena, komponiert zwischen1722 und 1724 in Köthen, elegant, kompakt, durchstilisiert, von mittelschwerem Anspruch. Die springen einen beim Hören sofort an, lassen die Beine mitwippen, zaubern ein Lächeln aufs Gesicht. Perahia spielt das ohne jede Doktrin, aber mit wundervoll leichgewichtiger, scheinbar improvisierter Manier von jeher auf einem Flügel. Denn er glaubt, Bach hätte mit Freude zugegriffen, wenn er ein solches Instrument zur Verfügung gehabt hätte, statt der elendigen Tastenprovisorien seiner Epoche. Weil Perahia sofort losswingt, lässt er diese Musik sprechen: „Das war Tanzmusik, Musik die jeder verstand, die Bach nur kunstvoll variierte. Als Übung für den häuslichen Gebrauch, für seine Familie und Freunde. Das war noch nicht einmal Tafel- und Festmusik wie viele seiner Konzerte aus der Köthener Zeit. Niemand schwieg da andächtig still. Und von einem Podium herab spielte man sie schon gar nicht.“

Murray Perahia hat ein hinreißendes Gefühl für Rhythmus, für kleinste Verzögerungen und Unregelmäßigkeiten, die den Notenfluss erst unterscheidbar machen, ihm Lebendigkeit und Spontaneität geben. „Gerade bei dieser Art Bach-Musik haben mich meine Chopin-Erfahrungen inspiriert, denn auch bei dem ist so gut wie jede Note in eine Tanzform gebracht, als Mazurka, Polonaise oder Walzer.“ Perahia überspitzt nichts, er ist kein Extremer und kein Exzentriker, er ist aber eben auch kein korrekter Langeweiler. Seine Interpretationen sind ausgeklügelt, wirken aber nie routinehaft, man meint die Freude am Spiel stets zu hören.

Aufbruchsstimmung herrscht also nun im Hause Murray Perahia wie bei der Deutschen Grammophon. „Der berühmte amerikanische Pianist wird Schlüsselwerke aus seinem Repertoire aufnehmen und Interpretationen verewigen, die über seine lange Karriere gereift sind“, ist man sich bei der Firma sicher. Und er selbst sieht das ähnlich: „Eine Aufnahme bietet die Chance, zu einer Komposition zurückzukehren – einen neuen emotionalen und gedanklichen Zugang zu ihr zu entdecken – und die Meisterwerke der Klavierliteratur in jedem Stadium der eigenen Entwicklung zu ergründen. Mich erneut der Musik von Bach, Beethoven, Mozart, Chopin und Brahms zu widmen, hat als Inspirationsquelle eine besondere Bedeutung für mich.“

Und trotzdem, gerade bei Bach hätte Perahia noch einige Lücken zu füllen: Es fehlen noch die Inventionen, Toccaten und immerhin die beiden Bücher des Wohltemperierten Klaviers….

 

 

 

 

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