Es gibt eine Hamburgische Dramaturgie – und seit Mitte der Achtzigerjahre auch eine Bregenzer Dramaturgie. Für erstere zeichnet Gotthold Ephraim Lessing verantwortlich, der ist aber schon lange tot. Für letztere steht Alfred Wopmann, der feiert heute seinen 80. Geburtstag. Er hat die gerne als Touristenbelustigung belächelten Bregenzer Festspiele mit der größten Seebühne der Welt erwachsen werden lassen. Er hat sie nachhaltig geprägt und ihnen zu internationalem Renommee verholfen. Und vor allem: Er hat der Oper eine auf unzähligen Titelseiten prangende Bildsprache gegeben. Die vom Bodensee aus in die Welt hinausstrahle. Seine Nachfolger David Pountney und Elisabeth Sobotka zehren noch heute davon beim jährlichen Spiel auf dem See, aber auch bei den Titelüberlegungen für die Oper im Festspielhaus plus dem ausführlichen Nebenprogramm.
Alfred Wopmann wurde 1936 in Wels geboren und studierte Geige an der Musikhochschule sowie Psychologie, Philosophie und Anthropologie an der Universität. Für seine Dissertation erhielt er 1963 den Körnerpreis. Seine berufliche Karriere startete er beim Tonkünstlerorchester und bei den Wiener Symphonikern, er spielte unter Karajan und Mitropoulos. Doch dann zog es ihn aus dem Graben auf die Bühne. Er assistierte – nicht bei den Schlechtesten, Otto Schenk, Götz Friedrich, Luchino Visconti und Jean Pierre Ponnelle. Von 1972 bis 1982 war er Assistent und Regisseur u.a. an der Wiener Staatsoper, bei den Salzburger Festspielen, an der Mailänder Scala, dem Teatro La Fenice in Venedig oder am Opernhaus Zürich. Und er leitete das Opernstudio der Wiener Staatsoper.
Musiker, Regisseur, Pädagogen. Offenbar genau die richtige Mischung. 1983 begann seine Zeit bei den Bregenzer Festspielen, die in 20 aufregenden Jahren eine Ära wurde. Hier entwickelte er die Bregenzer Dramaturgie – die im Wesentlichen bis heute beibehaltene Mischung aus publikumswirksamen Opern auf der Seebühne und Raritäten im Festspielhaus. Von der „Zauberflöte“ (1985) der ersten Jerôme-Savary-Jahre über den bereits von David Pountney inszenierten „Fliegenden Holländer“ bis zum Sensationserfolg „Nabucco“, stets waren den Inszenierungen Publikumserfolg wie hingerissene Kritiken beschieden. 1999 machten die Bilder des Sensenmanns im See für Verdis „Maskenball“ global Furore, später war es der Momus-Cafétisch aus „La Bohème“ der sogar diese intime Oper in Richard Jones’ Inszenierung open-air-tauglich machte. Mit einer Bildsprache, die konkret wie poetisch war, intelligent und plakativ, symbolhaft, monumental und trotzdem den Blick auch auf Details lenken konnte. Und ein Weltstar wurde bei dieser Produktion 2001 auch noch ausgebrütet: Rolando Villazón. Denn immer hatte Wopmann auch Wert auf die musikalische Seite gelegt, und schon damals wurde die Elektroakustik beständig verbessert.
2003 schließlich fiel für Wopmann der Vorhang bei den Bregenzer Festspielen. Mit der von 200.000 Besuchern geliebten „West Side Story“ nahm er seinen Abschied. Seine Vision eines breitenwirksamen Festspiels, das auch den Gourmet zu begeistern versteht, ist bis heute einmalig, vielfach imitiert, aber nie übertroffen worden. An einem schönen Bregenzer Sommerabend, vor dem Sonnenuntergang über Lindau, da wird Oper zum kollektiven, so noch nie gesehenen, eindrücklichen, in seiner Bild- und Klangkraft lange nachwirkenden Ereignis.
Seitdem genießt Alfred Wopmann seinen Unruhestand als Berater sowie in Vorständen und Aufsichtsräten. Aktuell steht er unter anderem dem Aufsichtsrat der Theaterholding Graz vor und ist Mitglied im Kuratorium der Wiener Symphoniker. Als Lehrer wirkte er etwa am Mozarteum Salzburg und an der Universität Zürich. In Wiener Premieren sitzt er mit kritischer Aufmerksamkeit, aber natürlich auch jedes Jahr in Bregenz. Er will ja sehen, wie seine Festspielsaat weiter blüht und gedeiht. Ehrensache.
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