Man muss ihm ja nicht gleich mit viel Rezensenten-Ranküne und noch mehr Pathos die Krone vom Dirigentenschädel reißen, die er nie getragen hat: Auch wenn jetzt (erwartbar) bei so manchem Medium nach zu viel Lobhudelei das übliche Verriss-Rollback eingeleitet wurde, bleibt der sich verbal gern pubertär aufplusternde Teodor Currentzis trotzdem ein aufregender, erhellender Dirigent. Wie jetzt im extra ein zweites Mal mit seiner Musicaeterna-Sekte in Perm aufgenommenen „Don Giovanni“, der seine Mozart/da Ponte-Trilogie abschließt. Aber nicht mit seiner „Così fan tutte“ mithalten kann, die sängerisch ausgeglichener besetzt ist und mehr auf eine innere Balance zu hören scheint als das testosteronstrotzende spanische Nachstück. Dem er aber mit seiner orchestralen Geschwindfahrt, die so machen vokal wie instrumental hinterherhecheln lässt, eine selten gehörte Dringlichkeit und Schwärze gibt. Unglaublich lebendig sind die Rezitative, mitreißend ist der düstere Drive dieser Höllengeisterbahn. In der man leider den kurz vor der Einspielung erkrankten Andrè Schuen in der Titelrolle vermisst, aber sich an Vito Priantes durchtrieben-vitalen Leporello erfreut, Christian Gansch als Luxus-Zerlina frivol funkelt. Und vor allem Karina Gauvin eine so majestätisch durch ihre Arien segelnde, wie charakterlich kaputte Donna Elvira präsentiert. Da muss sich Currentis keinen Moment hinter den Reverenzen Harnoncourt oder Jacobs verstecken. Und das ist ja schon was. Da kann man dann auch ganz entspannt über das alberne Promotionvideo lachen.
Mozart: Don Giovanni. Tiliakos, Kares, Papatanasiu, Tarver, Gauvin, Loconsolo, Gansch, Musicaeterna, Currenzis (Sony Classical)
Der Beitrag Brugs Beste: Nr. 1 „Don Giovanni“ mit Teodor Currentzis erschien zuerst auf Brugs Klassiker.