Wer heute eine CD herausbringt, muss auch etwas zu sagen, er muss eine Geschichte zu erzählen haben. Das ganz besonders, wenn er zudem ein exotische Instrument ausübt und populär machen möchte – so wie das jüngst etwa Xavier de Maistre mit der Harfe gelungen ist. Er immer wieder spannende Themen gefunden, ist in Archive gestiegen oder hat als Bearbeiter gewirkt. So auch auf seiner neuen CD, die um eine historische Persönlichkeit herum angelegt ist. Seit einiger Zeit schon arbeitet der ehemalige Wiener Philharmoniker und Bilderbuchsüdfranzose dagegen an, die Harfe als Mädcheninstrument anzusehen. Was ihm durchaus gelungen ist. Doch auf seiner jüngsten Scheibe, da spielt er mit dem Klischee. Augenzwinkernd auf dem pompös als heutiges Rokoko inszenierten Cover. Und sehr ernsthaft beim Inhalt. „La Harpe reine“, das meint nicht nur das Instrument (hier, der besseren Spielbarkeit wegen, eines aus dem frühen 19. Jahrhundert), sondern ganz konkret eine Regentin – Marie Antoinette. Als 1770 die junge osterreichische Erzherzogin Maria Anna als Kronprinzessin am franzosischen Hof ankam, hatte sie eine Harfe im Gepack. Und so wie sie ihren alten Wiener Musiklehrer Gluck in Paris groß in Opernmode brachte, so erweckte sie auch die Spiel- und Komponierleidenschaft für dieses Instrument neu. Davon zeugen die beiden galanten Originalkonzerte von Jean Baptiste Krumpholtz (1747-90) und Johann David Hermann (1760-1846). 200 Geschäfte gab es zum Höhepunkt der Harfomanie in Paris, heute sind es noch drei. Das Instrument war so etwas wie der IPad des 18. Jahrhunderts. Abgebildet sind auf zeitgenössischen Gemälden zwar meist Damen mit Harfen, aber gespielt haben sie meist Männer. Sechs Konzerte sind von dem Tschechen Krumpholtz überliefert, der der berühmteste Harfensolist der Zeit war. Xavier de Maistre hat sich für das fünfte entschieden, weil es besonders schön orchestriert ist und der zweite Satz ein berühmtes Lied variiert. Er hat sich für dieses Programm, bei dem er erstmals mit der preziös-prächtigen Begleittruppe Les Arts florissantes unter dem puderquastenzarten William Christie auftritt nicht nur ein passend galantes Samtoutfit mit weißer Paspel schneidern lassen, er spielt auch erstmals auf einem historischen Instrument auf einer alten Harfe von Chaillot um 1800. Die ist kleiner, Seitenabstand und Spannung sind da anders, es klingt transparenter und delikater – was zum Stück wie zum Orchester passt. Christie selbst hat einen Soloauftritt mit der espritvollen Haydn-Sinfonie Nr. 85, die zwar 1785 für Paris entstanden ist, aber nicht von diesem „La Reine“ benannt wurde. Johann David Hermann war der Harfenlehrer der Königin, aber sein hier vorgestelltes Werk wäre für diese zu schwer gewesen. Und natürlich konnte de Maistre seine flinken Bearbeiterfinger nicht von Glucks „Reigen seliger Geister“ aus dem „Orfeo“ lassen: der wird als Zugaben-Petit Four serviert. Und die nächste CD ist auch schon Planung: Spanisches mit der Kastagnetten-Virtuosa Lucero Tena.
Krumpholtz/Hermann/Haydn/Gluck: La Harpe reine. Xavier de Maistre, les Arts Florissants, William Christie (harmonia mundi)
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