Die Frist ist um. Am 9. Dezember. Bis dahin kann man sich als neuer Operndirektor = Intendant der Wiener Staatsoper bewerben. So hat es der neue Kulturminister Thomas Drozda verfügt, der damit noch in diesem Jahr, ohne jede Findungskommission, eine weitere bedeutende Personalie erledigt haben will. Der umstrittenen Agnes Husslein als ein wenig gegen Complianceregeln verstoßender, aber höchst erfolgreicher Direktorin des Belvedere-Museums hat er, der am Burgtheaterfinanzskandal als zeitweiliger Finanzdirektor wohl auch nicht ganz unschuldig ist, bereits den Stuhl vor die Tür gestellt. Eine österreichische No-Name-Dame vom Linzer Lentos-Museum rückt nach. Wer aber übernimmt den seit der selig verröchelten k.uk-Donaumonarchie am giftigsten von Intrigen umzüngelten Kunststuhl, wo schon Mahler, Strauss und selbst Karajan zu Fall kamen? Es ist verdächtig leise im Wiener Blätterwald. Die lokalen Medien, deren liebster Sport sonst das Operndirektorenschlachten ist, halten sich erstaunlich zurück. Nicht einmal alle Namen, die so durch die Gerüchteküche schwirren, werden öffentlich geflüstert. Dem wollen wir hiermit aus sicherer Entfernung abhelfen.
„Der Meyer wird’s nicht, es sagt ihm nur keiner“, wissen die Insider. Dominique Meyer, dem französischen Amtsinhaber, will der Minister angeblich in keinem Fall eine dritte Periode zugestehen. 2020 soll es für ihn heißen: „Schluss is, aus is! Höchstens ein franzjosephinisches „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut“ soll er noch äußern dürfen. Und Meyer, der sich selbstredend beworben hat, will es wohl auch nicht wahrhaben. Als Pariser Eliteschulenzögling mag er wohl nicht in den allwissenden Sekretariaten herumchambrieren. Sogar mit dem in Dresden längst nicht mehr so sehr gelittenen Christian Thielemann als möglichem Musikdirektor im Schlepptau soll er es nun versuchen. „Aber den Thielemann wollen wir auch ohne den Meyer nicht haben“, raunen wieder andere Wissende. Die eben über die Staatsopernbühne gegangene, wieder mal szenisch schwache „Falstaff“-Premiere, die ausssieht wie von Otto Schenk ohne von Otto Schenk zu sein, wird seine Chance nicht eben steigern.
Angeblich wäre unter dem früheren Kulturminister Ostermeier die jetzige Bregenzer und frühere Grazer Intendantin Elisabeth Sobotka die erste Staatsoperndirektorin geworden; sie hat unter Ioan Holender das Wiener Betriebsbüro geleitet. Nun hat sie nicht mal mehr mit Frauenquote eine Chance. Eine breite Bewerberfront hat hingegen einen flämischen Hintergrund, kein Wunder, kommen sie doch alle noch irgendwie aus dem Stall von Gerard Mortier.
Da wäre der gegenwärtige Brüsseler La Monnaie-Intendant Peter der Caluwe zu nennen, den manche zu blass für den schillernden Posten finden. Dann ist da der eben in Dresden nach seinem verfrühten Rauschmiss im Kampf gegen den Platzhirschen Thielemann als Gerichtssieger triumphierende Serge Dorny, der die Opera national in Lyon höchst erfolgreich leitet und auch als Orchesterintendant Londoner Erfahrungen mitbringen würde. In Antwerpen residiert hingegen der ehrgeizige Schweizer Aviel Cahn, der immer wieder mit einem abenteuerlustigen Spielplan überrascht und der die Wiener Abonnenten sicher aus ihrem Dauerdämmer schütteln würde. Und mit Mortier in Salzburg, Bochum und Paris hat schon Alexander Neef gearbeitet, der seit 2008 alert der wenig wichtigen Canadian Opera Company in Toronto vorsteht.
Und dann gibt es, als Mischung aus Schachterlteufel, Überraschungsjoker und Scherzkeks, den bei Amtsantritt 69-jährigen Münchner Opernintendanten Nikolaus Bachler, den Drozda natürlich aus seiner Burgtheaterintendantenzeit bestens kennt. Der wehrt zwar jede Ambition ab, wäre aber gern auch auf dem Salzburger Festspielthron gesessen. Dem Vernehmen nach würde er sogar mit dem ihm geschäftlich seit Jahrzehnten nahe stehenden Agenten Michael Lewin antreten. Was doppelt pikant wäre: denn Lewin ist verurteilt wegen fahrlässigen Bankrotts und darf in Österreich nicht einmal eigenständig eine Agentur betreiben. Aber anderseits ist in Österreich Vieles möglich, siehe etwa das Schicksal des seinen Kopf aus jeder Schlinge ziehenden Ex-Bundestheater-Holding Granden Georg Springer, der sich inzwischen für den Wiener Operncaterer Gerstner in Nahost bei den Ölscheichs verwendet.
Mit im Bachler-Boot wäre wohlmöglich auch der Dirigent Philippe Jordan. Der kennt das örtliche Terrain als Chef der Wiener Symphoniker. Sein Vertrag als Pariser Opernmusikchef endet 2021 – und zufällig ist seit kurzem Michael Lewin sein Agent. Herrliche Volten deuten sich da an. Auch Roland Geyer, der nicht eben verhaltensauffällige Chef des städtischen Boutiqueopernhauses Theater an der Wien, wird pflichtmäßig als möglicher Staatsopern-Kandidat genannt. Auch der Name von Ex-Opernmusikdirektor Franz Welser-Möst fällt, wohlmöglich gar noch im Verein mit dem schlechtesten aller Salzburger Festspielmacher, Sven-Eric Bechtolf, der gleichwohl gerade mit den Österreichischen Ehrenkreuz für sein wenig segensreiches Wirken bedacht wurde. Doch Welser-Möst dürfte eher auf Dresden, die Berlin Staatsoper post Barenboim oder München spekulieren; dorthin dürfte sich wohl auch Andreas Homoki aus Zürich hinorientieren wollen, wenn Bachlers Vertrag spätestens 2021 endet.
Träume, Schäume. Und deshalb wundert es auch nicht, dass sogar der Name des fachlich eher wenig beschlagenen Sony-Klassikplattenmanagers Bogdan Roscic immer wieder aufscheint. Schließlich ist der doch auch Österreicher! So wie Ex-Konzerthauschef Christoph Lieben-Seutter, der als Gründungsintendant seit einer gefühlten Ewigkeit die Hamburger Elbphilharmonie eröffnet. Aber wer weiß, beim letzten Intendantenküren durfte sich ja sogar ein Tenor lange die schönsten Hoffnungen machen….und da wäre doch noch Kammersänger Michael Schade!
Der Beitrag Wiener Direktorengerüchteküche erschien zuerst auf Brugs Klassiker.