Es nervt. Schon wieder wird von Unwissenden gemeckert oder bewusst versucht, Öl in ein nicht vorhandenes Feuer zu schütten. Dabei ist doch alles gut. Kirill Petrenko startet ab Sommer 2019 als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Das wurde gestern vom Orchester wie von der Bayerischen Staatsoper und der Bayerischen Staatsregierung mitgeteilt. Die ersten Überbringer der frohen Botschaft waren die Münchner, denn dort hat er gegenwärtig sein Hauptaufgabenfeld. 2019 – das ist eine prima Nachricht. Denn man hatte eigentlich angenommen, dass Petrenko erst ab 2020 in München als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper loszueisen wäre. Die Berliner haben sich nämlich sehr bewusst für einen neuen musikalischen Leiter entschieden, von dem man weiß, dass er loyal ist, dass er seine Verträge erfüllt und dass er Skrupel hat.
Und genauso hat sich der künftige Chef jetzt verhalten. Er hört 2018 nicht abrupt in München mit seinem ersten Vertragsende auf, weil er gern möchte, dass sich seine Zeit an der Isar nach dann erst fünf Jahren zu einer Ära rundet. Also wird er wie gewöhnlich bis dahin zwei Premieren pro Saison, Repertoirevorstellungen und Konzerte leiten. Er wird freilich auch schon in den Spielzeiten bist dahin substanzielle Auftritte in Berlin haben. 2017/18 wird Kirill Petrenko mit den Berlinern auch schon auf Tournee gehen, 2019/20 wird er in München als GMD und in Berlin als Chef firmieren, 2020/21 nur noch als Gast in Repertoirevorstellungen.
Also macht Petrenko genau das, wofür er bekannt ist: Er verlängert in München um drei Jahre, die München müssen ihn aber schon mit Berlin teilen. Und dort kommt er langsam aber bestimmt an, was ihm die Gewöhnung an sein neues Orchester enorm erleichtern wird. Er stand dort schließlich erst in drei sehr eklektizistisch ausgewählten Programmen am Pult, die Beziehungen des Orchesters zu seinen Vorgängern Simon Rattle und Claudio Abbado hingegen reichten bei Amtsantritt schon Jahrzehnte zurück. Das kann Petrenko jetzt zwar nicht aufholen, aber in aller Ruhe kompensieren, ohne sich von den gleichen Hysterikern verunsichern zu lassen, die erst eine transparente Wahl der Philharmoniker forderten, dann schwarz sahen, als niemand im erste Urnengang erkoren wurde und schließlich Petrenko als zweite Wahl abkanzelten.
Und hier soll zudem noch einmal an ein paar Fakten erinnert werden: Arthur Nikisch, der zweite Philharmonikerchef stand zweitweise Berliner Philharmonikern und dem Gewandhausorchester Leipzig vor und war Direktor des Leipziger Konservatoriums, auch Wilhelm Furtwängler musste sich das Orchester jahrelang mit Leipzig teilen. Herbert von Karajan leitete acht Jahre lang parallel die Wiener Staatsoper, war die prägende Kraft der Salzburger Oster-, Pfingst- und Sommerfestspiele und war drei Jahre dem Orchestre de Paris eng verbunden. Claudio Abbado war nach seiner Wahl 1989 noch zwei Jahre Musikdirektor der Stadt Wien und der Wiener Staatsoper, widmete sich in Teilzeit dem von ihm gegründeten Festival Wien Modern, sowie dem von ihn imitierten Klangkörpern Gustav Mahler Jugendorchester und Mahler Chamber Orchestra. Erst mit Simon Rattle trat 2002 ein Chef an, der damals keine weiteren Ämter hatte, der aber auch nun seit letzte Berliner Saison 2017/18 mit dem London Symphony Orchestra teilt. Das ist musikbetriebsüblich, trotzdem haben die Berliner ihren Chef weit exklusiver als alle anderen Orchester der Welt.
Wo also liegt nun das Problem? Die Berliner Philharmoniker und Kirill Petrenko können einander in den nächsten drei Spielzeiten in aller Ruhe und sogar in aller Öffentlichkeit vertraut werden. Gleichzeit dürfen ihn die hysterisch liebenden Münchner noch einige Zeit behalten. Die Berliner hingegen haben für die darauffolgenden drei Jahre ein paar Slots mehr für Gastdirigenten übrig, die vielleicht nicht immer nur die gleichen sein müssen. Und eine Spielzeit ohne echten Chef? Auch das werden die Berliner vermutlich überleben. Genauso wie den wüsten Meinungsquatsch bei allem mitreden wollender, aber nicht immer Ahnung habender Medien.
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