Die Berliner Philharmoniker haben eben auf ihrem Eigenlabel einen neuen, sehr teuren Brahms-Zyklus exklusiv auf Vinyl veröffentlicht. Das ist schon seltsam: Da macht sich etwas wertig (und findet offenbar auch seine solventen Kunden), indem es auf die schönen Manufaktum-Dinge zurückgreift, zumindest beim Haptischen. Mitgeschnitten wurde natürlich erstklassig digital. Über die Qualität der aktuellen Rattle-Interpretation aber angesichts der riesigen, auch historischen Konkurrenz wollen wir gar nicht streiten. Und zum anderen ist da eine Künstlerin, die für ihre Firma (die jetzt Warner statt EMI heißt) immer noch so wichtig ist, dass ein Jahr später, zum nächsten Weihnachtsgeschäft also, nach ihren gesammelten Rezitals in der Originalreihenfolge und –zusammenstellung auf 31 CDs nun eine weitere, mit 5 CDs deutlich schmalere Schachtel folgt: Die versammelt ihre remasterten Schellackplatten. Die Schwächen der alten Technik, so gut optimiert wie möglich, fallen beim Hören gar nicht ins Gewicht. Da zählt einzig die Ausstrahlung und Mitteilungsfähigkeit der Interpretin. Und die ist im Fall von Elisabeth Schwarzkopf ungebrochen. Mag das einst strahlend perfekte Bild (selbst auf den Covern wurde noch ihre Zahnlücke generös wegretuschiert) dieser grandiosen, vor allem sehr eigenwilligen Sopranistin durch die voranrückende Zeit Risse bekommen haben, auch stilistisch ein wenig gegilbt sein, immer noch überwältigt hier der Sieg des Willens über das Material, der Spaß am Spiel im Studio, das die Schwarzkopf immer als ihre eigentliche Wirkungsstätte auf der Suche nach Perfektion empfand. Das lässt sich in dieser Kollektion der Jahre 1946-52 mit 106 Titeln vor allem an verschiedenen Fassungen desselben Titels studieren, den die Schwarzkopf – Schellack war billig und genügsam – bisweilen so nebenbei nochmals aufnahm. Und während man über die Kuriositäten damaliger Einspielungsgesetzmäßigkeiten lächelt, etwa über eine englische Traviata oder Pamina, überraschen natürlich wieder ihre Neugier und Vielseitigkeit: von Bach und Händel über Mozart bis Puccini, Verdi, Charpentier, Bizet, Beethoven, Strauss bis hin zu Wolf, Schubert, Schumann, Brahms und Methner. Auch Weihnachtslieder, Schweizer Volksweisen und ein kurioser Vokal-Seitensprung als Brangäne finden sich. Dreißig war Elisabeth Schwarzkopf bei den ältesten Aufnahmen (es waren ihre ersten nicht), also eine durchaus erfahrene, gereifte Sängerin, aber eine noch ohne die Manierismen der späteren Jahre, die ihre Kunst heute, bei aller Bewunderung des Artifiziellen als Überwindung der Natur, bisweilen wie in Kunsthonig getaucht wirken lassen. Je mehr man sich freilich wieder in diese Klangwelt versenkt, desto stärker überwältigt sie. Die Faszination Schwarzkopf ist ungebrochen.
Elisabeth Schwarzkopf: Die Schellack-Ära (Warner Classics)
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