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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Mozart in the Jungle 3: Plácido Domingo als venezianischer Don Giovanni im Kanal

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amazon-prime-mozart-in-the-jungle-staffel-3-600x450The same procedure as every year: Im Dezember gibt es jeweils die neue 10er-Staffel der inzwischen Golden-Globe-veredelten Amazon-Serie: „Mozart in the Jungle“. Nunmehr in der dritten Saison. Und keiner regt sich mehr auf über die überzeichnete, falsche und klischeehafte Zurschaustellung musikalischer Klassik-Lebensumstände. Nach dem einigen Koksstaub aufwirbelten Enthüllungsbuch von Blair Tindall über Sex, Drugs & Classics gestartet, hat das darauf fußende Fernsehstück längst seine eigene, durchaus individuelle Historie um Gael García Bernal als hibbelig durchgeknallten, locker auf Gustavo Dudamels Latino-Charme und seinem El-Sistema-Vorleben basierendem Dirigenten entwickelt. Der bezirzt mit bittenden Mauseknopfaugen seine Managerin/Geldeintreiberin Gloria (die wunderbare Bernadette Peters) und macht alle Weiberherzen schwach. Außerdem süffelt er ständig Matetee, hat total alberne Konzertideen und bietet als einzige Philosophie: „Do it with the blood“. Neuerdings kann er sogar auf dem Wasser gehen.

Oder besser mit dem Rad fahren. Per Pedal bewegt sich Gael/Rodrigo nämlich in der spektakulären Eingangssequenz der dritten Staffel über den Canale Grande. Weil in New York gestreikt wird und Gloria darauf das Orchester ausgesperrt hat (so wie es diese Saison eben wieder sehr realistisch in Pittsburgh und Ford Worth passiert ist), hat Rodrigo de Souza eine Edelmugge in Venedig angenommen. Dort soll er das Comeback-Konzert der vor einigen Jahren verstummten, legendären Sopranistin Alessandra alias La Fiamma begleiten. Die wird mit viel Primadonnen-Augenzwinkern von Monica Bellucci gespielt und von Ana María Martínez gesungen.

„Ficken Sie nicht die Sopranistin“, wurde Rodrigo noch von deren Mann gewarnt, aber natürlich tut er genau das, während La Fiamma ansonsten mit der toten Callas spricht, sich „als Bäuerin in meinem Palazzo“ nur in der Küche wohl fühlt und so ziemlich alle Sängerinnen-Stereotypen durchdekliniert. Von dem tuckigen New Yorker Dauerekstatiker Nico Muhly bekommt sie eigens eine Soloszene komponiert, die ein Mörder-Melodram abhandelt, während sie ihr absurdes Galakonzert zwischen Pappflammenkulissen vor dem Dogenpalast absolviert. Dabei kommt nicht nur ein Revolver zum Einsatz, sie schneidet auch als Dalila mit ihrem Küchenmesser Rodrigo/Samson die lächerlichen Glückszöpfchen ab.

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Noch ein weiterer Grande der Musik kommt endlich zu seinem wohlverdienten Cameo-Einsatz: Auf einer Barke schippert Plácido Domingo über den Kanal zur schwimmenden Sopranistin, um mit ihr als Don Giovanni in der Stadt der Liebe „Là ci darem la mano“ zu säuseln. „Wegen dem habe extra ein Real-Madrid-Match verpasst“, erzählt er Rodrigo, „aber das hier ist dein Zirkus, nicht meiner“. Und natürlich sind längst auch Gloria mit dem inzwischen auch zum Lover avancierten Ex-Maestro des Orchesters eingetroffen, den Malcom McDowell so furios grumpy spielt, sowie Oboistin Hailey (Lola Kirke), die wieder abstruse Assistentenjobs versieht. Alles kommt zum lieto fine in der sechsten Venedig-Folge, dann geht es zurück nach New York. Wobei die siebte Episode als Scharnier wie ein Pseudo-Dokumentarfilm über einen Charity-Ausflug des Orchesters nach 87 Streiktagen auf die echte Gefängnisinsel Rikers Island inszeniert ist, wo die schweren Jungs mit Musik von Messiaen beglückt werden.

Der Rest ist Serienalltag. Rodrido hat abwechselnd den jungen Mozart oder den alten Bach als mahnende Dialogpartner neben sich sitzen, Joshua Bell taucht als Geigerersatz auf, die spröde Cellistin hat einen Rockgitarren-Gig. Die Meditation mit dem Orchesterboard findet in der Kirche bei der Kindstaufe eines schwulen Musikerpärchens statt während in ihrem Konzertsaal eine Seifenblasenshow blubbert. Hailey bewirbt sich für di erste Oboistenstelle im Orchester wird aber nicht genommen. Worauf ihr Nannerl Mozart erscheint und Mut macht: „Kratz’ deine Scheiße zusammen und gib nicht auf.“

Der Beitrag Mozart in the Jungle 3: Plácido Domingo als venezianischer Don Giovanni im Kanal erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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