Respekt. Das muss man erst mal hinlegen: Gleich sechsmal eine Nennung in der Saisonbilanz der Kritiker-Umfrage der führenden Zeitschrift „Tanz“ und damit das „Ärgernis des Jahres“ – bereits in der ersten Spielzeit von Nacho Duato als neuem Chef des Berliner Staatsballett. Der völlig desinteressiert wirkende Spanier ist dabei, Deutschlands größte Tanzkompanie als ödes Abspielinstrument seiner alten, nicht mehr wirksamen Stücke in Grund und Boden zu wirtschaften. Ein Desaster. Aber es kommt nicht überraschend. Weil es nur die Quittung ist für eine völlig vergeigte Spielzeit. Die alle Experten schon vorausgehsehen haben. Deswegen war im Februar 2013 auch das Entsetzten so groß, als verkündet wurde, das Duato den zu lange wirkenden, aber übel abgewickelten Vladmir Malakhov ersetzen soll. Damals saß da schon im Roten Rathaus ein sichtlich unvorbereiteter Mann, der irgendwie seine beste Zeit gesehen hatte, fahrig wirkte, keine Vision, kein Idee, nicht einmal Enthusiasmus für die neue Aufgabe verbreitete.
Der aber von der seit den Achtzigerjahren erst an der Deutschen, dann an der Staatsoper schließlich beim aus den drei ehemaligen Opernkompanien vereinigten Staatsballett ihre Fäden spinnenden stellvertretenden Direktorin Christiane Theobald installiert worden war. Die wenig tanzkompetente Politik, in Gestalt des längst abgelösten Kultursenators Klaus Wowereit und seines Staatssekretärs André Schmitz, hatte diese Marionettenbesetzung freundlich durchgewunken.
Leider sollte sich das professionelle Entsetzen bald bestätigen. Nacho Duato hat seit seinem offiziellen Amtsantritt im September 2014 nichts, aber auch gar nichts bewirkt, geschweige denn optimiert. Er, der sich mit klassischem Tanz, und das ist und soll die Basis, dieser Anfang der Zweitausender-Jahre mit so viel Optimismus gestarteten Kompanie bleiben, nicht wirklich auskennt, hat das Niveau der desorientierten, freudlosen, nur noch auf Funktionieren geeichten Truppe sehr schnell deutlich absinken lassen.
Keine einzige der nur noch drei Premieren der ersten Duato-Saison war ein Erfolg. Überregionale Medien kümmert das Berliner Staatsballett längst nicht mehr. Warum auch? Aus München, Hamburg, Stuttgart, Dresden, selbst Karlsruhe, Darmstadt, Dortmund oder Hannover gibt es Aufregenderes zu berichten. Duato ist einfach nicht da. Nachdem er die miese Stimmung gegen sich immer mehr zu spüren schien, verschwand er öfters tagelang, kümmerte sich nicht um Proben, blieb den Vorstellungen fern: Ein Tanzphantom im Opernhaus.
Nacho Duato hat bei zusammenschrumpfendem Repertoire – wieder nur drei Premieren parat: neben Balanchines neoklassischem Gefunkel „Jewels“ noch einen alten Duato-Titel („Herrumbre“, ein Folterstück von 2004) und einen neuerlichen Dreiteiler mit abgehangenem Duato und Kylián sowie einer Uraufführung des gefälligen, ihm einst stilistisch ähnlichen Ohad Naharin. Und dass soll alles gewesen sein? Bei der größten Ballettkompanie Deutschlands, in der Hauptstadt?
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