Und schon wieder ist ein Gedenkjahr zu Ende. 400. Todestag von William Shakespeare, das war am 3. Mai. Und was bleibt? Nicht viel. Was aber auch nicht weiter stört, denn gespielt wird der ja sowieso allüberall. Natürlich auch auf der Opernbühne und im Konzertsaal; war und ist er doch einer der am meisten ausgeschlachteten Stofflieferanten (der wiederum selbst großzügig bei anderen bediente). Eine der schönsten, sicher bleibenden Anthologien zu diesem Gedenktag hat Ian Bostridge vorgelegt. Und Antonio Pappano ist sein wieder mal zurückhaltender, aber hochsensibler Klavierbegleiter. Auch kleiner Luxus kann entzücken. Und schon bei der ersten Zeile des nicht mehr jugendfrischen, aber nach wie vor exzellent deutungsfeinen britischen Tenors ist man ganz Ohr: Gerald Finzis „Come Away, Death“ aus „Was ihr wollt“, entfaltet sich in einer unnachahmlichem Mischung aus Spannkraft und Ennui, Melancholie und Leuchtkraft, wie sie eben nur dieser so gar nicht anämische Engländer hinbekommt. Der jeder Textnuance wie jeder neuen Note ungläubig spontan hinterherzuhören scheint. Obwohl er sie doch schon so oft gesungen und ausgedeutet hat. Mit silbrig-opaken, knäbisch-zarten, ihm manchmal apart fast versagenden Tenor. Knapp 30 Lieder nach Shakespeare-Texten sind hier versammelt, bekannte und selten zu hörende. Manche Texte werden in mehrere Vertonungen vorgestellt, man kann sie also, wenn man will, direkt hintereinander programmieren. Um zu Beispiel nachzuspüren, was den Spätromantiker Quilter, der ebenfalls den Tod herbeirief, von dem Spätromantiker Finzi unterscheidet. Ein Schwerpunkt liegt auf englischen Liedern der frühen Moderne von Gurney, Peter Warlock, Michael Tippett. Francis Poulenc und Igor Strawinsky (samt Flöte, Klarinette und Viola) weiten den Blick ins Internationale, als deutschsprachige Komponisten sind Haydn, Schubert und Erich Wolfgang Korngold vertreten. Der dann auch noch einmal, sterbensmüd, fin-de-siecle-haft „Come away, death“ ruft. Bei den in der CD-Mitte eingeschobenen frühen Elisabethanern William Byrd, Thomas Morley, John Wilson, Robert Johnson lässt sich Bostridge von der graziösen Lautenistin Elisabeth Kenny feinsinnig begleiten. Man spürt so die Distanz zu den 400 Jahre alten Stücken, während mit dem ihm seit 20 Jahren vertrauten Pappano das Klavier sehr nah kommt. Trauer und Schmerz, Liebe und Glück werden hier gefeiert. Und die Freunde, einen der bedeutendsten Liedsänger so tiefsinnig mit schönen Texten und Kompositionen umgehen zu hören.
Ian Bostridge: Shakespeare Songs. Antonio Pappano (Warner Classics)
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