Im Herbst 2017 wird der mit 33 Jahren immer noch als Jungspund durchgehende Dirigent Robin Ticciati die bereits illustren, in Berlin versammelten Taktstockschwinger als Chef des Deutschen Symphonie-Orchesters ergänzen. Wir freuen uns darauf. Und bevor er am 13. Januar zum letzten Mal vor seinem offiziellen Amtsantritt dort am Pult aufschlägt (gerade war er mit einer leichtgewichtigen Bruckner Vier und einer extrem Mendelssohn-manirierten Anne-Sophie Mutter an der Spitze des London Philharmonic Orchestra in der Philharmonie zu Gast), kann man ihn bereits mit einer neuen Berlioz-Doppel-CD genießen. Es ist bereits die vierte bei dem Label Linn Records, wo sich der Brite deutlich in der Nachfolge von Colin Davis profilieren will. Diesmal gilt – mit dem Swedish Radio Symphony Orchestra – sein Bemühen der dramatischen Sinfonie Roméo et Juliette. Zwischen Tragödie und Liebeslust, Ballglanz und Begräbnistrauer ist in dem orchestral dankbaren Werk eine Vielzahl von Stimmungen gefragt. Die Ticciati mit historisch informierter Grundhaltung angeht, schlank, schnell, beweglich. Kein romantisch satter Berlioz, eher ein emotional wilder Trotzkopf wird hier skizziert. Selbst die große Versöhnungsansprache des Pater Lorenzo am Ende wirkt nicht gravitätisch ausgeschritten, sondern fast bockig gegen das grausame Schicksal sich auflehnend formuliert. Ticciati stellt sein Jugend durchaus als Klangtugend heraus, sein Zugriff ist neugierig, temperamentvoll, direkt, aber äußerst präzise und leuchtend im nie breiten Ton. Das Orchester folgt willig, im Geschwindlauf des Queen-Mab-Scherzos, im Halbdunkel des nächtlichen Gartens, in der erstaunlich zurückhaltenden, ja fast keuschen Scène d’amour. Mit dem zurückhaltenden Mezzo Katija Dragojevic, Andrew Staples’ nicht eben distinguierten Tenor und Alastair Miles’ kaum mehr traufrischem Bass ist das kein Vokalistenschaulaufen geworden, der Schwerpunkt liegt auf dem warmen, satten, manchmal ein wenig zu leise aufgenommenen Schwedischen Radiochor und dem orchestralen Anteil. So strahlt die französische Romantik mit feinen Lichtpunkten direkt ins 21. Jahrhundert.
Héctor Berlioz: Roméo et Juliette. Katija Dragojevic, Andrew Staples, Alastair Miles, Schwedischer Rundfunkchor, Schwedisches Radio-Symphonieorchester, Robin Ticciati (Linn Records)
Der Beitrag Brugs Beste: Nr. 20 Robin Ticciatis Roméo et Juliette erschien zuerst auf Brugs Klassiker.