Quantcast
Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
Viewing all articles
Browse latest Browse all 826

Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Tschüss, Marek Janowski!

$
0
0
marek-janowski-06-110907-a%cc%82-felix-broede

Foto: Felix Broede

Das Jahr geht zu Ende, und in diesen Minuten dirigierte einer sein letztes Berliner Konzert – zumindest nachdem er 2015 sein Amt als Chefdirigent des Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin niedergelegt hat: Marek Janowski. Natürlich mit Beethovens Neunter. So gehört es sich für ihn. Nach 14 frugalen Jahren scheidet der 77-Jährige, den manche den letzten deutschen Kapellmeister nennen, zur Halbzeit der Saison beim ältesten deutschen Radioklangkörper aus. Und er will darum nicht viel Bohei machen, wie man im Bergischen Land sagt, wo der in Warschau Geborene (deutlich hörbar) aufgewachsen ist. „Ich habe großen Wert darauf gelegt, dass wir hier nichts mit ,Abschied’ oder solchen hochgehängten Geschichten machen. Die Zusammenarbeit mit dem Orchester ist zu Ende und es ist zufällig das Jahresende und am Jahresende haben das Orchester und der Herr Janowski immer die Neunte Beethoven gespielt, deswegen machen wir das jetzt auch! Schauen wir lieber in die Zukunft: Ich weiß, dass ich am Jahresende 2018 ziemlich weit weg von Berlin wieder die Neunte Beethoven dirigieren werde“. So hat es der störrische, sich gerne schroff gebende Maestro eben dem „Tagespiegel“ gesagt. Gilt doch nach wie vor sein nicht eben philosophischer Sinnspruch: „Das Wesentliche ist die Musik.“

Das Orchester ist blendend aufgestellt, die Spielkultur, besonders am deutschen spätromantischen und französischen Repertoire geschult, wurde hervorragend optimiert. Nicht zu vergessen der großartige CD-Zyklus der Henze-Sinfonien für Wergo. Aber es ist jetzt auch Zeit für einen Wechsel, Janowski hat das klug eingesehen. Und der Nachfolger ist ja auch schon bestimmt: Bereits im September beginnt Vladimir Jurowski, Russe mit Wohnsitz Berlin, früher Kapellmeister an der Komischen Oper, gegenwärtig mit Posten in London und Moskau. Der 44-jährige, polyglott erfahrene Musiker wird hier sicher einiges anders machen, er wird es auch müssen. Und das ist richtig so. Ähnlich wird der 33-jährige Engländer Robin Ticciati vorgehen, der – dann ebenfalls in Berlin wohnend – gleichzeitig das eine Spielzeit cheflose Deutsche Symphonie-Orchester übernehmen wird. Von einem Osseten, Tugan Sokhiev, – so geben sich in Berlin die Nationen die Dirigentenstäbe in die Hand. Und eine Saison später ist dann auch Simon Rattle nach 16 Jahren bei den Philharmonikern Geschichte. Doch auf den nächsten Russen, Kirill Petrenko, müssen wir mindestens bis 2019 warten.

fullsizerender2

Vor der üblichen Neunten hat es sich Marek Janowski freilich nicht nehmen lassen, noch einmal eine konzertante Oper aufzuführen. Passend zur Jahreszeit (und auf den Tag genau 123 Jahre nach der Uraufführung) gab es „Hänsel und Gretel“, quasi als Satyrspiel nach „Götterdämmerung“ und „Parsifal“ als Vollendung seines 10-fachen Wagner-Zyklus, der das Orchester an und über Grenzen gebracht hat. Dazwischen hörte man freilich noch eine ästhetisch kühle Strauss-„Daphne“; doch passt der Wagner-Adept Humperdinck traditionell in die Stilrichtung. Und waldwebend zart ging es auch orchestral in diesem Märchenforst zu, weichtönend, nur abgedunkelt strahlend und mit lyrischer Durchsichtigkeit. Lediglich beim furiosen Hexenritt wurden auch die Walküren akustisch manifest. Wie beim Wagner-Zyklus wurde für die niederländische CD-Firma Pentatone mitgeschnitten.

Von der Wagnerseite kamen auch Janowskis Holländer und Hans Sachs Albert Dohmen (Peter) und die vormalige Senta wie Freia Ricarda Merbeth (Gertrud), die als Elternpaar hochdramatisch parodistisch vom Vokalleder zogen. Auch Christian Elsner hatte der Dirigent schon zu Parsifal, Loge und Mime verführt, die letzten beiden Rollen hatte auch Peter Schreier unter ihm im berühmten Dresdner Platten-„Ring“ gesungen; der wiederum war eine tolle Tenor-Knusperhexe. Auf dessen Spuren sich nun auch Elsner mit viel Spaß und Einsatz als männliche Rosina Leckermaul im scheinwerfergiftgrün leuchtenden, konzertanten Tannenwald bewegte – freilich optisch mit „Hexe“-Shirt unterm Sakko und Sonnenbrille eher auf der von Janowski so gehassten Castorf-Regietheaterspur. Der dieser nächsten Sommer noch einem letzten Bayreuther „Ring“-Lauf lang folgen wird müssen.

fullsizerender1fullsizerender

Auch das lyrische Damenquartett (Katrin Wundsam als Hänsel, Alexandra Steiner als Gretel, Nora Lentner und Alexandra Hutton als Sand-, respektive Taumännchen) ließ nur typengerecht lieblich-schöne Töne hören. Und dass am Ende alle „Erlöst befreit, für alle Zeit!“ jubelten, das bezog sich natürlich keinesfalls auf den scheidenden, vorher so lieblich-pastoral den Abendsegen verteilenden Chef. Denn der wird wiederkommen, ganz sicher, wohlmöglich auch mit Beethovens Neunter.

Der Beitrag Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin: Tschüss, Marek Janowski! erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 826