Da hat sich Alexander Pereiras (auch bald 70!) Vorliebe für ältere Herren dann doch wieder mal ausgezahlt. Neben den Santis, Nuccis, Raimondis gelang es ihm Anfang 2016, noch einmal den schon hinfälligen Georges Prêtre auf das Konzertpodium der Mailänder Scala zurück zu locken. Man hatte nicht erwartet, dass man seiner noch einmal ansichtig würde, hatte er sich doch 90-jährig den Oberschenkel gebrochen. Doch das Comeback gelang. Und auch für März 2017 hatte er dort bereits wieder drei Termine. Es sollte nicht sein. Der greise Maestro ist heute in seinem Château de Vaudricourt im südöstlichen Frankreich gestorben. Doch sein allerletzter Wiener Auftritt ist Dank eines filmenden Handys auf Youtube bewahrt. Als Zugabe seines Konzerts mit den Wiener Symphonikern dirigierte er am 12. Oktober 2016 im Musikverein den Can-Can aus Offenbachs „Orpheus“ in der Unterwelt. Fein, aber deutlich, mit swingender Beschleunigung. Ein schöner Karriereschluss, der dort, wo man ihn besonders gern hatte, in den beiden Neujahrskonzerten 2008 und 2010 gipfelte. Bei denen er diskret eine innovativ-französische Note mit gallischen Titeln der diversen Sträuße (sogar die Lipizzaner tanzten „Die Pariserin“) sowie einer Prise Offenbach einzubringen wusste. Insgesamt 177 Mal stand das Ehrenmitglied des Hauses im Musikverein am Pult.
Nach seinem Musikstudium (Klavier, Trompete) in Douai und der Ausbildung zum Dirigenten bei André Cluytens am Pariser Konservatorium debütierte der am 14. August 1924 in Waziers bei Douai geborene Georges Prêtre als 22-jähriger 1946 an der Oper in Marseille. Der von Herbert von Karajan Geförderte war kurz Generalmusikdirektor der Pariser Oper und vorher drei Jahre als Chef an der Opéra-Comique tätig. Stéphane Lissner, gegenwärtig Chef der Opéra national, nannte ihn in seinem Nachruf „einen Giganten der Musik“. 1966 dirigierte Prêtre in New York erst die letzte Vorstellung in der alten und bei den Einweihungsfestivitäten der neuen Metropolitan Opera „La Traviata“, ebenso 1989 das erste Konzert in der neuen Pariser Bastille Opéra. Von 1986 bis 1991 war er Erster Gastdirigent der Wiener Symphoniker, aber auch die Philharmoniker luden ihn immer wieder ein, ebenso die Berliner Kollegen – und sehr regelmäßig das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin.
Prêtre, Dandy und Gentleman zugleich, bis zuletzt mit einer kindlichen Freude am Musizieren gesegnet, galt als Spezialist der Komponisten seiner Heimat, insbesondere setzte er sich für die Werke von Françis Poulenc ein. „Bénit soit le jour qui a vu naître Georges Prêtre“ (gesegnet der Tag, an dem Georges Prêtre geboren wurde), soll Poulenc nach der Uraufführung seiner „Voix humaine“ gestoßseufzt haben. Trotzdem brillierte Prêtre auch im deutschen Repertoire. Sogar Maria Callas schätzte ihn als ihren Lieblingsdirigenten, obwohl er selbst nicht eben einfach war. Doch er zähmte die Diva – nicht zuletzt 1964 in ihrer klassischen Platten-„Carmen“ und ein Jahr später in der zweiten, wegen ihrer schwindenden Vokalmittel nicht ganz so ikonischen Pariser „Tosca“ mit Carlo Bergonzi.
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