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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Niemand stört es: Barenboims Staatskapelle spielt fünf Wochen lang mitten in der Saison keine Oper

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2585139525_dc9971d7d9_zGut, kommen wir zunächst einmal unserer Medienpflicht nach: Das Finale von Daniel Barenboims Bruckner-Zyklus in der New Yorker Carnegie Hall wird mit dessen 9. Sinfonie morgen, am 29. Januar, per Livestream auf www.staatskapelle-berlin.de ab 20:45 Uhr (CET) online mitzuerleben sein. Schön auch für die Berliner Opernfans, die dann sicher Zeit haben. Den Abends ist es im Ausweichquartier Schiller Theater zappenduster. Dafür wird morgen tagsüber gleich zweimal das gegenwärtig meistgespielte Stück des Hauses geboten: „Baustellenführung“ in der (hoffentlich) am 3. Oktober 2017 wiederzueröffnenden Staatsoper Unter den Linden. Im Schiller Theater bleiben ansonsten die Lichter komplett aus – und nicht nur morgen, sondern gleich bis zum 5. Februar – dann ist freilich wieder nur der dauerbrennende Überraschungserfolg „Baustellenführung“ angesetzt. Ob der inzwischen auch in die Zuschauerzahlenberechnung mitaufgenommen wurde?

Es ist wie es ist. Die Wiener Philharmoniker oder auch das Leipziger Gewandhausorchester, beide ebenfalls zum Operndienst verpflichtet, können einigermaßen problemlos auf Konzerttournee gehen, auch während der Saison, weil sie genügend Mitglieder haben und ein inzwischen gut eingespieltes Team von Substituten (Ehemalige, Mitglieder den Bühnenorchesters oder Studenten) zur Verfügung steht. Das Bayerische Staatsorchester, unter seinem Chef Kirill Petrenko, viel gefragt, aber eben nur in Normalstärke vorhanden, kann sich so eine Tournee nur kurz vor Saisonstart im September leisten, oder als Minioperngastspiel für zwei Tage.

Daniel-Barenboim

So müsste es eigentlich auch bei der Berliner Staatskapelle sein, die mitgliedermäßig ein Opernorchester ist, aber seit Daniel Barenboim sie wieder auf das internationale Konzertgastspielparkett zurückgebracht hat, sich natürlich auf dem Podium wohler fühlt als im Graben. Die Musiker werden bei Gastspielen übrigens als Landesangestellte per Gehalt bezahlt, der Chef verdient – Gagen werden direkt mit dem Veranstalter verhandelt – dicke extra. Noch mehr natürlich, wenn man einen ganzen Bruckner-Zyklus samt Mozart-Klavierkonzerten vorneweg im Gepäck führt. Und da man den nun schon mal drauf hat, trägt man ihn (samt der eben erschienenen CD-Box) natürlich arbeitssparend durch die ganze Musikwelt, von Wien über London, Paris, Tokio bis New York. Sehr schickt.

370px-Schillertheater_Berlin_02-14Die begleitenden Journalisten verlieren natürlich kein Wort darüber, was in dieser Zeit in Berlin passiert. In der Staatsoper nämlich so gut wie gar nichts. Und der Presse in New York oder Wien ist es egal. Aber was die wohl gesagt hätte, wenn die Metropolitan Opera mitten in der Spielzeit für drei Wochen dunkel gewesen wäre, weil James Levine, als es er noch gekonnt hätte, lieber mit dem Orchester im Wiener Musikverein Bruckner hätte pflegen wollen?

Da mag Daniel Barenboim noch so gute Kritiken bekommen, nette Geschichten über sein Carnegie Hall-Debüt vor 60 Jahren als 14-jähriger Tastenstepke unter Leopold Stokowski mit Prokofiews 1. Klavierkonzert erzählen und kulturpolitisch Bedenkenswertes einem ob seines nicht nur wenig schöngeistigen Mr. President nach wie vor schockstarres Ostküstenpublikum verbal mitteilen – an der Spree herrscht gleichzeitig die große Staatskapellen- wie Staatsopernleere. Und die vermag auch ein wenig Pillepalle in der Werkstatt oder ein paar Auftritte des organisatorisch eigenständigen Staatsballetts zu Tonbandklängen nicht zu mildern.

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Am 1. Januar war die Staatskapelle letztmalig im Graben des Schiller Theaters mit der „Zauberflöte“ zu hören gewesen. Das nächste Mal erscheint sie dort, wieder mit „Zauberflöte“, am 9. Februar! Das dürfte ein einsamer Opernhausnegativrekord sein. Zunächst hatte man noch ein paar Konzerte in Berlin gegeben, so wie auch, nachdem die auf den Reisen angefallenen freien Tage wohl abgebummelt sind, bereits wieder am 6. und 7. Februar die nächsten folgen. Das aber sind im Theater fünfeinhalb hausorchesterlose Wochen – noch einmal: mitten in der Spielzeit! – unzureichend aufgefangen durch fünf Vorstellungen Barockoper mit einem Fremdensemble. Vom 23. Januar bis zum 9. Februar, das sind immerhin zwei Wochen und drei Tage, ist das Schiller Theater sogar völlig verrammelt. Doch keiner sagt etwas. Die Politik schaut einfach weg.

Und es ist ja auch nicht so, dass die anderen beiden Opernhäuser vor Ort das auffangen würden. Die Deutsche Oper spielt immerhin 17 Musiktheater-Aufführungen, die Komische Oper 13. Aber wieder mal hieß es an acht Januar-Tagen an allen drei Häusern auf der großen Bühne: „keine Vorstellung“. Aber dafür können die Berliner Steuerzahler jetzt stolz darauf sein, dass Barenboim und die seinen sich eben mit über 120 Musikern und 82 Kisten einen „Bruckner-Monat“ in Wien, Paris und New York gegönnt haben, und dass sie nach Japan nun auch in den USA „den historisch ersten komplette Zyklus aller nummerierten Symphonien Anton Bruckners“ nicht unerheblich mitfinanziert haben. Kannste nich’ meckern, wa? Nur komisch, dass solches dort bisher keiner bezahlen wollte….

Der Beitrag Niemand stört es: Barenboims Staatskapelle spielt fünf Wochen lang mitten in der Saison keine Oper erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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