Und es hört nicht auf. Nach dem Elphie-Elchtest auf sehr viele verschiedenen, ganz und gar nicht nur guten Sitzplätzen geht es weiter mit der Beurteilung von Hamburgs neuer und hoffentlich guter Konzertsaalstube als Aufnahmestudio. Denn bereits bei der Pressekonferenz bekam man die erste, dort eingespielte CD in die Hand gedrückt. Ein historischer Moment: Chapeau! Zumindest dieser Zeitplan wurde exakt eingehalten. Schon im September hatte man die Mikros aufgestellt, als das NDR Elbphilharmonie Orchester dort spielte. Natürlich unter seinem Chef Thomas Hengelbrock und natürlich Brahms, die 3. und 4. Sinfonie des großen, vertriebenen Sohnes der Stadt. Optisch macht das schon mal viel her: Pappbox, schöne Werbetexte über das Klangtor der Hafenstadt zur Welt, repräsentative Fotos der Architektur, sogar auf Kunstpostkarten. Und als Goodie gibt es in der limited edition auch noch einen einstündigen NDR-Werbefilm dazu, der einem so spektakulär wie einlullend alle Vorzüge des neuen „Weltwunders“ samt seinem, sagen wir mal: verschlungenen Entstehungsprozess vorführt. Selten war besseres, öffentlich rechtliches Selbstmarketing.
Klanglich gibt es da nichts zu meckern, es tönt luftig, durchsichtig, der geradlinige, geheimnislose Sound des Orchesters wurde mit angenehmem Nachhall schön balanciert eingefangen. Und inhaltlich? Da ist noch Seeluft nach oben. Man musiziert schnell, behende, fast vibratolos, aber irgendwie auch ohne Rückstände. Dieser Johannes Brahms fliegt fluffig, ja zackig dahin, kurz, umstandslos, aber ohne freudvolles Strahlen oder wenigstens ein wenig dunkleren Mischklang. Hat da noch Neonlicht im Saal geleuchtet? Das Dialogisieren zwischen den Instrumentengruppen, die Soli, sie haben einen Seziertisch-Beigeschmack, aber wenig persönliche Note. Es sei denn, die NDR Elphilharmonie möchte als geschmacksneutrales Orchester wahrgenommen werden. Vor allem die langsamen Sätze wirken irgendwie flach und seelenlos. Hat man sich noch nicht wirklich getraut? Lieber hurtig durch, als genüsslich auskosten, sich gehenlassen, ein persönliche Duftmarke setzen? Die Passacaglia am Ende der Vierten: selten war da so wenig Ergriffenheit. Nüchterne Hamburger – ein Klischee wird hier klangkonkret.
Und noch eine zweite CD gibt es ab Anfang Februar, wieder mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester, aber diesmal unter seinem ersten Gastdirigenten, dem jungen Polen Krzysztof Urbánski, der dort am 4. und 5. Februar erstmals auftreten wird. Der hat sich für sein zweites alpha-Album mit dem Orchester nach Lutoslawski nun Musik von Antonín Dvořák ausgewählt – eingespielt wurde das aber noch in der Laeiszhalle. Neben der superpopulären Neunten Sinfonie „Aus der Neuen Welt“, steht das rare „Heldenlied“, eine immerhin 20 Minuten lange sinfonische Dichtung (die gleiche Kombo findet sich auch schon auf einer drei Jahre alten Andris-Nelsons-CD). Aber gerade wie Urbanski diese 9. angeht, wie er Zäsuren setzt, durch Temporückungen und Akzente aufmerken lässt, weil es eben doch ein wenig anders, wieder lebendiger klingt, im oft gehörten Fluss dieser Musik, das fasziniert. Weicher mischt sich hier das Orchester. Trotz ebenfalls eher schneller Tempi, kommt kein Eindruck von Hast auf. Urbanski ist ein genuiner Stimmungsmacher und melodisch verfeinernder, bisweilen auch ein wenig nervöser Geschichtenerzähler. Dem man gerne zuhört, weil er einen wirklich auf neue, agogisch verschlungene Hörpfade führt.
Johannes Brahms: Sinfonien Nr. 3 und Nr. 4. NDR Elbphilharmonie Orchester, Thomas Hengelbrock (Sony Classical); Antonín Dvořák: Sinfonie Nr. 9 „Aus der Neuern Welt“, Ein Heldenlied. NDR Elbphilharmonie Orchester, Krzysztof Urbanski (alpha classics)
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