Zumindest die Brandschutzlüftungsklappen und die Kabelversorgung scheinen auf der Baustelle der Berliner Lindenoper in Ordnung. Damit hätte dieses auch um vier Jahre verschleppe, um 160 Millionen Euro teurerer Verdrussprojekt einer wurschtigen Berliner Baupolitik dem lachhaften Flughafen-Milliardenloch einiges voraus. Aber sonst weiß man nichts wirklich. „Wir gehen fest davon aus, dass wir im Herbst dieses Jahres die Staatsoper eröffnen können. Ich bin da zuversichtlich“, so ließ sich dieser Woche der Kultursenator Klaus Lederer vernehmen. Und reagierte damit auf sich immer mehr verdichtende Gerüchte, die nicht zuletzt aus dem Opernhaus selbst drangen, dass es wohl nicht ganz so sein möge. Dort freilich gehen die Verantwortlichen auf Tauchstation, auch das Pressebüro im Schiller Theater gibt sich bei dem heiklen Thema ziemlich einsilbig.
Eröffnet werden soll am 3. Oktober. Das traditionell der staatstragend und unauffällig nach hinten geschobene Saisonstart des Hauses – seit man vor sieben Jahren in die Bismarckstraße umgezogen ist. Angefangen hatte das mit der desaströsen Uraufführung „Metanoia“ des erst von Daniel Barenboim hochgejazzten, dann rüde fallen gelassenen Jens Joneleit; dass der Regisseur Christoph Schlingensief während der Proben gestorben war, machte das Unding auch nicht besser.
Später dann waren nicht wenige Schiller Theater-Premieren am 3. Oktober eigentlich schon längst für die Lindenoper vorgesehen gewesen: Rimsky-Korsakows „Zarenbraut“ sollte eigentlich Prokofjews „Krieg und Frieden“ sein; Andrea Moses’ schwarzrotgelb ausgeflaggte „Meistersinger“ mussten ebenso doch noch ins kleine Haus im Westen gequetscht werden wie Harry Kupfers müder „Fidelio“-Aufguss. Und das ist sicher, auch mit der nun für den 3. Oktober anvisierten Wolfgang-Rihm-Uraufführung wird es nicht, der eben 65 Jahre alt gewordene Komponist hat gegenwärtig aus persönlichen Gründen von dem Projekt Abstand genommen.
Am 3. Oktober 2017 soll also eröffnet werden. Was immer das bedeuten soll. Der Kultursenator spricht von „Besitznahme“, aber er schränkt sehr deutlich ein, dass diese „sukzessiv“ erfolgen werde. Was im Klartext heißt: Es wird kaum gespielt, aber hinter den Kulissen viel geübt werden. Denn im Opernrepertoirebetrieb ist schließlich alles live, fast jeden Tagen sollen (im Idealfall) wieder andere Werke in hochkomplexen Produktionen präsentiert werden. Und das ohne technische Problem und Ausfälle, bitteschön! Ein Ding der Fast-Unmöglichkeit. In dem schönen, neuen, technisch superb ausgestatten Opernhaus in Oslo war man trotz monatelangem Vorlauf im schon fertigen Haus erst am Ende der Spielzeit soweit, auf Normalbetrieb hochfahren zu können. Und dort hatte man längst nicht so viel verschiedene Inszenierungen im Lager wie in Berlin.
Dort sind gesamte Haustechnik (Elektro, Heizung, Lüftung, Brandmeldeanlage, Sprinkler, Sprühflutanlage), die komplette Bühnentechnik (Obermaschinerie mit ihren Punktzügen, Untermaschinerie mit ihren Podien, die Drehscheibe, die Beleuchtung, die Tonanlage) und die dazugehörenden Steuerungssysteme neu und müssten im Betrieb einreguliert werden. Ursprünglich war mal angedacht aus ausgesprochen worden, erste Gewerke der Staatsoper könnten/müssen schon im April/Mai nach Unter den Linden umziehen, um sich einzurichten. Davon ist längst nicht mehr die Rede.
Intendant Jürgen Flimm ließ mitteilen, der plötzliche zweiwöchige Kompletturlaub des Hauses Ende Januar/Anfang Februar, also mitten (!) in der Saison, nachdem die Kapelle bereits drei Wochen auf Barenboim-Gastpiel gewesen war, sei nötig, um im September früher mit dem Einziehen beginnen zu können. Und ist vermutlich doch zu spät – jedenfalls für alles, was man einen Normal-Spielplan nach dem 3. Oktober nennen wird können. Smooth Opening heißt das in der Hotelbranche, da werden freilich auch keine Steuergelder aufgebracht für Menschen und Maschinen, die wohlmöglich zur Untätigkeit verdammt sind und damit noch mehr kosten, weil sie weniger einspielen können.
Natürlich möchte man gegenwärtig nicht mit den Verantwortlichen tauschen, die wohlmöglich hinter den Kulissen einmal mehr internationale Stars wieder ausladen, umbesetzten, vertrösten müssen. Ein Opernspielplan ist ein irrwitziges Puzzlespiel. An der Staatsoper Unter den Linden kommt das vielleicht gerade wieder sehr in Trudeln, wenn es nicht bereits komplett durcheinandergeraten ist. Darüber wird man als schon oft getäuschte, hingehaltene und beschwichtigte, aber zahlen zu habende Öffentlichkeit wenigstens Bescheid wissen wollen. Denn das berühmt-berüchtigte Berliner Schulterzucken bei der Bekanntgabe eines neuerlichen Baudesasters, das kommt bestimmt…
Der Beitrag Berlin: Was für eine „Eröffnung“ feiert die Staatsoper Unter den Linden am 3. Oktober? erschien zuerst auf Brugs Klassiker.