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Channel: Manuel Brug – Brugs Klassiker
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Liebenswürdig locker im Raum: Die große Choreografin Trisha Bown ist tot

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Tanz ist Erinnerung. Man macht nach und ruft später die gelernte Bewegung ab. So tradierte sich Jahrtausende lang die älteste Kunstform der Menschheit. Traurig, wenn einer der berühmtesten Choreografinnen unser Zeit, seit Jahren sich schon nicht mehr erinnern konnte: Wie heute ist die lange schon demenzkranke Trisha Brown am 18. März im Alter von 80 Jahren in Texas gestorben. Ihre Truppe hatte sie schon vorher aufgelöst.

Die lockenköpfige Trisha Brown war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des postmodernen Tanzes. 1936 in Aberdeen, Washington geboren, wurde sie ab 1962 Mitglied des berühmten Judson Dance Theater, wo sie mit Steve Paxton und Yvonne Rainer zusammenarbeitete. Hier holte man den Alltag als Tanz in eine aufgelassene Kirche am New Yorker Washington Square – oder ging gleich damit gleich selbst auf die Straße, in Lofts, Kunstgalerien oder an Hausfassaden. 1970 gründete sie ihre eigene Kompanie, der anfangs nur Frauen angehörten. Sie war der pure Zeitgeist, minimalistisch und repetitiv, experimentell, und witzig – auch oft in ihren Kollaborationen mit bildenden Künstlern wie Robert Rauschenberg, Donald Judd, Nancy Graves und Elizabeth Murray und zeitgenössischen Komponisten wie John Cage oder Salvatore Sciarrino.

Besonders eng verbunden war sie Berlin, wo sie in der Akademie der Künste und im Hebbel Theater oft aufgetreten ist. 2007 nahm sie mit einer Arbeit an der documenta 12 teil, wo sich 100 Tage lang ihre Tänzer bereits am Eingang durch Netze hangelten. Bis zuletzt hat sich ihr fließend geometrischer Bewegungsstil, der den Raum pulsierend spielerisch eroberte, nur wenig verändert, auch wenn ihre Stücke größer und komplexer wurde. Mochten sie irgendwann auch etwas Gestriges haben, vom rebellischen Geist der Sixties nostalgisch durchweht sein: Man lächelte unwillkürlich, wenn man diesen Relikten aus einer großen Tanzaufbruchszeit wiederbegegnete. Die nun wahrscheinlich nur noch als Filmdokumente weiterleben werden. Hier sieht man sie selbst 2011 zum letzten Mal tanzen:

Der Beitrag Liebenswürdig locker im Raum: Die große Choreografin Trisha Bown ist tot erschien zuerst auf Brugs Klassiker.


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