Als der Komponist Otto Nicolai am 28. März 1842 den Taktstock hob, um den ersten Konzertabend der Wiener Philharmoniker zu eröffnen, ahnte wohl niemand, was aus diesem Orchester einmal werden würde. Es gilt als das Wahrzeichen der europäischen Musiktradition schlechthin. Heute feiert der weltweit bejubelte Klangkörper seinen 175. Geburtstag. Als privater Verein erhalten die Musiker kein Steuergeld. Angaben zu Umsatz und Gewinn gibt es nicht. Die wirtschaftliche Situation sei stabil, heißt es. Überschuss werde gerecht ausgeschüttet. Der Erfolg gibt den Philharmonikern recht: 120 Konzerte, inklusive zwei bis drei internationaler Tourneen, sowie 280 Vorstellungen in der Wiener Staatsoper spielen sie im Jahr. In der Geschichte gab es schon 36 Vater-Sohn-Kombinationen. Selbst Enkel in dritter Generation nahmen schon vor dem illustren Publikum Platz. Und immerhin 11 der 142 Mitglieder sind inzwischen Frauen…
Feste werden in Wien gefeiert wie sie fallen, bei den traditionsverliebten Musikern beispielsweise mit dem jährlichen Philharmonikerball im Goldenen Saal und dem Rest-Musikverein. Deshalb steht heute nichts Außergewöhnliches an, man spielt in der Staatsoper Massenets „Werther“ in der Baritonfassung. Immerhin hat man die Goethe-Oper 1892 hier uraufgeführt. Und das nächste „Philharmonische“ findet außerhäusig statt – am 7. April in Berlin unter Daniel Barenboim.
Zum Jubiläum ist ein zweibändiges Biografie erschienen: Auf der Grundlage intensiver Archivforschungen hat der renommierte französischen Kritiker Christian Merlin erstmals die Biografien aller Philharmoniker seit der Gründung 1842 zusammengetragen und erzählt daraus die Geschichte des Orchesters als Klangkörper. Thematische Schwerpunkte legt er auf das ambivalente Verhältnis zum Dirigenten, die Entwicklung der Orchesterbesetzung, das Schicksal verfolgter Musiker in der NS-Zeit, die Verjüngung und Modernisierung in der Nachkriegszeit sowie die Frage nach dem besonderen Wiener Klangstil. (Amalthea Signum). Und die Deutsche Grammophon krönt den Jubeltag mit einer limitierten Edition in blauer Kiste: „Philharmoniker – 175th Anniversary“ umfasst 44 CD und als DVD das berühmte Neujahrskonzert 1989 mit Carlos Kleiber am Pult. Und ein philharmonischer Fehlschlag muss doch berichtet werden: die groß angekündigte neue Vivienne-Westwood-Dienstkleidung muss verschoben werden. Es sind noch längst nicht alle fertig, es zwickelt und zwackelt und die türkischen Schneider sollen sich vernäht haben. Kommt in den besten Familien vor…
Wiener Philharmoniker: 175. Geburtstagsedition (Deutsche Grammophon)
Der Beitrag Keine Feier: die Wiener Philharmoniker werden 175 erschien zuerst auf Brugs Klassiker.